Übergewinne fair verteilen: Sonderabgabe gegen die Inflation

Nordstream Pipelina Erdgas aus Russland Symbolbild für Sonderabgabe auf Übergewinne
Mit einer Sonderabgabe auf Übergewinne könnten Unternehmen ihren Beitrag zu den Antiteuerungsmaßnahmen leisten. | © Adobe Stock/Mike Mareen
Die Entlastungspakete gegen die Auswirkungen der Inflation finanzieren Arbeitnehmer:innen. Mit einer Sonderabgabe auf Übergewinne sollen sich auch Energiekonzerne endlich beteiligen.

Die Inflation belastet die Menschen und eine Besserung ist nicht in Sicht. Vor allem die Energiepreise treiben die Preissteigerungen. Drei Viertel der aktuellen Teuerung entstehen bei Strom, Gas und Treibstoffen. Mit Entlastungspaketen unterstützt die Regierung die Haushalte, um die schlimmsten Auswirkungen abzumildern. Das Geld kommt jedoch aus Steuermitteln, die hauptsächlich von Arbeitnehmer:innen stammen. Mit einer Sonderabgabe auf Übergewinne sollen auch Energiekonzerne am Entlastungspaket beteiligt werden.

Sonderabgabe auf Übergewinne: Verantwortung der Unternehmen

Energiekonzerne machen im Schatten der aktuellen Inflationskrise Milliardengewinne. Zuletzt präsentierten die AMAG und voestalpine Rekordergebnisse – ohne in den KV-Verhandlungen einen Schritt auf die Arbeitnehmer:innen zuzugehen. Die historischen Profite liegen nicht allein daran, dass sie plötzlich besser wirtschaften. Viele haben die massiv steigenden Preise genutzt, um ihre Gewinnmargen deutlich zu erhöhen. Wiederum andere profitieren von der Merit Order. Mit dieser Einsatzreihenfolge wird der Energiepreis bestimmt. Sie richtet sich nach dem teuersten Kraftwerk, das Strom zuliefert – das sind aktuell Gaskraftwerke – und treibt damit auch die Preise für Strom aus erneuerbaren Energien nach oben.

Miriam Baghdady Portrait Interview
Auch wegen des Entlastungspakets sind die Staatsausgaben auf einem Höchststand. Das Budgetdefizit wird im Jahr 2022 rund 3,5 Prozent des BIP ausmachen. Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten, erklärt Miriam Baghdady vom ÖGB.  | © Markus Zahradnik

„Die Gewinne steigen ja nicht, weil das Geschäft so viel besser geworden ist“, fasst Miriam Baghdady, Volkswirtschaftsexpertin beim ÖGB, die Situation gegenüber Arbeit&Wirtschaft zusammen. „Die Energieunternehmen geben nicht nur importierte Preissteigerungen weiter, sondern haben in den letzten Monaten auch ihre Gewinnmargen deutlich erhöht. Ein Gutachten der Bundeswettbewerbsbehörde deutet auf eine Verdreifachung der Gewinnmargen in der Mineralölbranche hin. Andere Unternehmen profitieren massiv von der Merit Order, weil ihre Produktionskosten nicht gestiegen sind, die Preise sich aber nach dem teuersten Kraftwerk orientieren.“ Das treibt die Gewinn-Preis-Spirale an.

Modell für Sonderabgabe von AK und ÖGB

Die Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) haben jüngst ihre Vorschläge präsentiert, wie die so entstandenen Übergewinne mit einer Sonderabgabe abgeschöpft werden können. Das Modell betrachtet, wie viel Gewinn Energieunternehmen im Inland in den Jahren 2019 bis 2021 gemacht haben. Der Durchschnitt daraus dient als Referenzgewinn. Alles darüber hinaus ist ein Übergewinn. Je nachdem, wie hoch der ausfällt, werden entweder 60 Prozent fällig (ab 110 Prozent des Referenzgewinns) oder 90 Prozent (ab 130 Prozent des Referenzgewinns).

Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass Energieunternehmen aus dem Inland in den Jahren 2022, 2023 und 2024 insgesamt 13,5 Milliarden Euro Übergewinne erwirtschaften werden. Die Sonderabgabe aus Übergewinnen würde in diesem Zeitraum 7,1 Milliarden Euro einbringen. Abzüglich der Aufkommensverluste bei der Körperschaftssteuer hätte die Bundesregierung so zwischen 1,5 und 2,2 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung.

Mit Übergewinnen die Antiteuerungsmaßnahmen finanzieren

Geld, dass die Bundesregierung dringend braucht. Denn sie hat ein teures Maßnahmenpaket geschnürt, um die Menschen in Österreich zu entlasten. Hauptsächlich mit Einmalzahlungen. Kurzfristig sollen rund fünf Milliarden Euro ausgeschüttet werden, bis zum Jahr 2026 sogar bis zu 28 Milliarden Euro. „Wir haben auf der einen Seite private Haushalte, die nicht mehr wissen, wie sie die Strom- und Gasrechnung zahlen sollen. Und auf der anderen Seite einige Energieunternehmen mit enormen Übergewinnen. Es geht darum, diese Übergewinne abzuschöpfen, um sie zur Finanzierung der Antiteuerungsmaßnahmen heranzuziehen“, erklärt Dominik Bernhofer, Leiter der steuer- und finanzpolitischen Abteilung der AK Wien.

Interview mit Dominik Bernhofer zum Thema Sonderabgabe auf Übergewinne
Eine Sonderabgabe auf Übergewinne schadet den Investitionen in erneuerbare Energien nicht, erklärt Dominik Bernhofer von der AK. | © Michael Bernhofer

In anderen Ländern gibt es eine Sonderabgabe auf Übergewinne bereits oder wird demnächst eingeführt. Dazu gehören Spanien, England, Belgien, Italien, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Griechenland. Sie haben die Sonderabgabe aus den gleichen Gründen eingeführt, aus denen die Abschöpfung der Übergewinne auch hierzulande diskutiert wird. „Die Energiepreise sind für etwa drei Viertel der Inflation verantwortlich. Die Menschen können sich Dinge des alltäglichen Lebens kaum noch leisten. Gleichzeitig werden die Entlastungspakete der Regierung mit Steuern finanziert, die zu großen Teilen von Arbeitnehmer:innen bezahlt werden“, so Baghdady.

Investitionen trotz Sonderabgabe auf Übergewinne

Das häufigste Argument gegen die Abschöpfung der Übergewinne ist, dass damit der Ausbau der erneuerbaren Energien ins Stocken geraten würde. Die Merit Order wurde ja unter anderem deswegen eingeführt, um diese Art der Energiegewinnung zu fördern. Bernhofer hält diesen Einwand gleich aus drei Gründen vorgeschoben. „Das erste Argument ist, dass Investitionen in erneuerbare Energien nicht auf Basis der jetzigen Preise kalkuliert werden können. Es wäre betriebswirtschaftlich geradezu fahrlässig, die aktuellen Preise für langfristige Kalkulationen heranzuziehen“, beginnt er.

Kredite und Anleihen für diese Art der Investitionen seien sehr billig, führt er weiter aus. „Natürlich sind Gewinne ein Finanzierungselement, aber Kredit- und Anleihen-Finanzierung sind deutlich wichtiger. Und Ökostrom-Anbieter bekommen für solche Projekte auch sehr leicht Geld am Markt.“ Drittens scheint es, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ganz andere Probleme hätte, so Bernhofer weiter. „Der Ausbau der erneuerbaren Energie hakt nicht an finanziellen, sondern an technischen Problemen. Das Problem ist, dass es an gewidmeten Flächen und Genehmigungen fehlt. Dazu kommen Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Bauteilen und ein Mangel an Fachkräften.“

Und letztlich ist ein wichtiger Aspekt beim Modell der Sonderabgabe, wie es AK und ÖGB vorschlagen, dass Investitionen in erneuerbare Energien von der Abgabe befreit wären. Würde ein Konzern seine Übergewinne komplett in Solaranlagen investieren, müsste er natürlich auch keine Abgabe bezahlen.

Bereit für die Umsetzung: Sonderabgabe auf Übergewinne

Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) forderte im ORF-Sommergespräch, dass es konkrete Vorschläge für eine Sonderabgabe auf Übergewinne bräuchte. „Es geht mir ja darum, dass man einen machbaren und auch einen verfassungskonformen Vorschlag macht. Und das ist halt nicht so leicht, wie es sich manche vorstellen und in die Arena reinrufen und einfach Übergewinnsteuer verlangen. Das muss man schon genau, das muss man schon genau konstruieren.“ Kogler folgt damit den Vorschlägen von AK und ÖGB. Auch Renate Anderl, Präsidentin der AK, und Wolfgang Katzian, Präsident des ÖGB, haben im Interview mit Arbeit&Wirtschaft eine Sonderabgabe auf Übergewinne gefordert. Und Baghdady ergänzt: „Die Rufe nach einer Übergewinnsteuer werden lauter und es ist absehbar, dass es weitere Entlastungspakete für die Bevölkerung brauchen wird. Der Druck ist auf jeden Fall da und die Regierung muss jetzt nachziehen.“

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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