Ohne Pflichtmitgliedschaft kein KV
Der Ökonom Gunther Tichy schreibt in einem Kommentar für die Zeitschrift „Wirtschaft und Gesellschaft“, dass das österreichische Modell der Branchenkollektivverträge ohne diese gesetzliche Mitgliedschaft nicht funktionieren könne. In Richtung schwarz-blauer Bundesregierung legt er dar: „Derzeit arbeiten in Österreich 95 Prozent aller Arbeitnehmer unter dem Schutz eines Kollektivvertrages, eine Abdeckung, die ohne Pflichtmitgliedschaft kaum möglich wäre. Die Gegner der von ihnen so bezeichneten ‚Zwangsmitgliedschaft‘ übersehen, dass sie mit deren Abschaffung das gesamte System der Lohnbildung infrage stellen.“ Der Kollektivvertrag biete den Sozialpartnern eine „institutionalisierte Konfliktarena zur friedlichen Austragung von Interessengegensätzen“, die allerdings zunehmend unter Druck stehe.
Dieser institutionalisierte Konflikt bietet für beide Parteien – ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen – eine Reihe von Vorteilen, die in dem Artikel „Lohnpolitik und Gewerkschaften seit Beginn der Krise“ zusammengefasst sind. Benannt werden unter anderem die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in einer Branche, die Unterbindung von Wettbewerbsverzerrungen durch Lohnwettlauf nach unten (Lohndumping), der überbetriebliche Interessenausgleich zwischen ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern sowie die Friedensfunktion, indem Arbeitskämpfe für die Laufzeit eines Kollektivvertrages unterbunden werden. Hinzu kommt eine wirtschaftspolitische Komponente. Kollektivverträge sollen durch die Garantie steigender Löhne den Konsum ankurbeln und somit Unternehmen zu höheren Gewinnen verhelfen.