Sind alle Kinder gleich viel wert?

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  1. Seite 1 - Wer bekommt den Familienbonus Plus?
  2. Seite 2 - Sinnvollere Alternativen
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Der Familienbonus Plus: ein Steuerzuckerl, allerdings nur für manche ArbeitnehmerInnen.
Die Regierung nennt ihn ein „Leuchtturmprojekt“ und er soll das zentrale Steuerzuckerl der Legislaturperiode für die lohnsteuerzahlenden Menschen sein: der Familienbonus Plus. Budgetär sind dafür immerhin 1,5 Milliarden Euro (bzw. circa 1,2 Milliarden Euro netto abzüglich gestrichener Freibeträge) vorgesehen. Eigenen Berechnungen zufolge werden die Kosten noch höher ausfallen.

Umso problematischer ist, dass ein großer Teil der ArbeitnehmerInnen nur sehr eingeschränkt oder gar nicht in den Genuss des Bonus kommen wird. Damit stellt der Familienbonus einen Bruch mit jener österreichischen Praxis der Kinderförderung dar, die seit den 1970er-Jahren unter Bruno Kreisky (bis auf budgetär unwesentliche Ausnahmen) dem Grundsatz folgt, dass jedes Kind gleich viel wert ist und somit gleich viel öffentliche Unterstützung erhalten soll.

Wenig Geld, kein Bonus

Ausgestaltet als Absetzbetrag bewirkt der Bonus ab dem Jahr 2019 eine Reduktion der jährlichen Lohnsteuerschuld um bis zu 1.500 Euro pro Kind bzw. 500 Euro für volljährige Kinder bei laufendem Bezug der Familienbeihilfe. Voraussetzung ist jedoch, dass bislang genügend Lohnsteuer entrichtet wurde, denn der Bonus ist nicht negativsteuerfähig. Das bedeutet, dass es bei zu kleinem Einkommen keine Steuergutschrift gibt.

Laut Rechnung der Regierung kann ein/e AlleinverdienerIn den Bonus für ein Kind ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.750 Euro zur Gänze in Abzug bringen, bei zwei Kindern ab 2.300 Euro und bei drei Kindern ab 2.650 Euro. Wer weniger verdient, erhält auch weniger. Wer so wenig verdient, dass gar keine Lohnsteuer zu entrichten ist – also weniger als 11.000 Euro Bemessungsgrundlage bzw. circa 1.100 Euro brutto im Monat –, erhält gar nichts. In diese Gruppe fallen aber sehr viele Familien.

Laut EU-SILC, einer Erhebung über die Lebensbedingungen der Privathaushalte in der Europäischen Union, leben circa 13 Prozent aller Kinder bei nicht lohnsteuerpflichtigen Eltern. In konkreten Zahlen sind dies rund 230.000 Kinder. Bei Alleinerziehenden beträgt dieser Anteil sogar knapp 45 Prozent. Sie profitieren vom Familienbonus also nicht, obwohl sie eine finanzielle Unterstützung gut brauchen könnten.

Trügerische Zahlen

Hinzu kommt: Die Regierungszahlen sind trügerisch. Erstens werden zur Gegenfinanzierung des Bonus zwei bestehende Freibeträge abgeschafft, die auch bislang steuermindernd gewirkt haben: der Kinderfreibetrag und die absetzbaren Kinderbetreuungskosten. Zieht man die bisherige Entlastung, die durch die Abschaffung der beiden Freibeträge wegfällt, von der Entlastung des Familienbonus ab, so zeigt sich: Selbst wenn man so viel verdient, dass man die 1.500 Euro, die von der Regierung als maximaler Familienbonus kolportiert werden, von der Steuer absetzen kann, liegt die tatsächliche Netto-Entlastung (weit) darunter.

Für sehr wenig verdienende AlleinerzieherInnen bzw. AlleinverdienerInnen wurde aufgrund des anfänglichen öffentlichen Protests eine Art Mindestbonus in der Höhe von 250 Euro pro Kind und Jahr in Form eines „negativsteuerfähigen“ Kindermehrbetrags eingearbeitet. Dieser fällt im Vergleich zum regulären Bonus jedoch sehr mager aus. Zudem sind Menschen mit ganzjährigem Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindestsicherung bzw. Grundversorgung davon ausgeschlossen. Das führt mitunter auch dazu, dass AlleinerzieherInnen, die so wenig verdienen, dass ihr Einkommen durch die Mindestsicherung aufgestockt werden muss, ausgeschlossen werden. Auch Familien, die keinen Alleinverdienerabsetzbetrag in Anspruch nehmen können, weil beide Elternteile arbeiten, erhalten keinen Mindestbonus – egal wie wenig sie verdienen.

Gänzlich vom Bonus ausgenommen sind (wie bei der Familienbeihilfe) Kinder, die sich in Drittstaaten aufhalten. Für jene rund 150.000 Kinder, die im EU- bzw. EWR-Ausland oder der Schweiz leben, wird der (Mindest-)Bonus an das jeweilige Preisniveau im Wohnsitzland angepasst. Gegen dieses Vorhaben wurden übrigens bereits EU-rechtliche Bedenken angemeldet.

Manche Familien und deren Kinder werden also gezielt gegenüber anderen benachteiligt. Eigentlich sollten familienpolitische Leistungen die Startchancen der Kinder verbessern bzw. den Mehraufwand der Eltern kompensieren. Der Familienbonus setzt jedoch weder am Bedarf noch an der Bedürftigkeit an: Kinder aus ärmeren Familien, die den Bonus am nötigsten hätten, bekommen am wenigsten (oder gar nichts), obwohl deren Bedarf im Verhältnis zu ihrem Einkommen besonders stark ins Gewicht fällt. Im Extremfall kann die Förderungsdifferenz zwischen zwei Kindern (bis zum 18. Lebensjahr) bis zu 27.000 Euro betragen.

Keine LeistungsträgerInnen?

Begründet wird der Ausschluss einzelner Gruppen vonseiten der Regierung damit, dass der Bonus die „Leistungsträger“ entlasten und nur jenen zugutekommen soll, die auch Steuern bezahlen. Dabei wird jedoch ganz bewusst ausgeblendet, dass Menschen, die zwar keine oder nur eine geringe Lohnsteuer zahlen, sehr wohl Abgaben in Form von Sozialversicherungsbeiträgen und Konsumsteuern leisten – und das, relativ betrachtet, sogar in einem überproportional großen Ausmaß.

In Österreich leisten alle Einkommensgruppen im Verhältnis zu ihrem Einkommen einen ähnlich großen Beitrag zum Steueraufkommen, wie auch das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) immer wieder aufzeigt. LeistungsträgerInnen sind alle ArbeitnehmerInnen, auch jene, die wegen zu geringem Einkommen lohnsteuerfrei bleiben.

Werden nun Besserverdienende viel stärker mit Steuerzuckerln bedacht und/oder GeringverdienerInnen nicht adäquat berücksichtigt, dann wirkt sich das weiter negativ auf die Gerechtigkeit im Steuersystem aus. Es sollten alle ArbeitnehmerInnen gleichbehandelt werden und nicht nur manche – als vermeintlich besondere LeistungsträgerInnen – herausgepickt werden.

In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass ArbeitnehmerInnen ohne Kinder und jene, für deren Kinder keine Familienbeihilfe mehr bezogen wird, naturgemäß ebenfalls nicht in den Genuss des Bonus kommen. Das ist problematisch, da es sich um eine budgetär so bedeutende Maßnahme zur Reduktion der Lohnsteuer handelt. Denn auch für diese ArbeitnehmerInnen gilt: Sie leisten auf ihr Arbeitseinkommen einen so hohen Abgabenbeitrag wie in kaum einem anderen EU-Mitgliedstaat (ganz im Gegenteil zu Unternehmen und Vermögen).

Ein Bonus für manche

Der Bonus kann also für manche ArbeitnehmerInnen eine erhebliche Reduktion der Lohnsteuer darstellen (wenn auch effektiv geringer als behauptet). Dies ist angesichts der hohen Abgabenlast auf Arbeit in Österreich durchaus zu begrüßen. Auch der Austausch der bestehenden Freibeträge zugunsten eines Absetzbetrags ist verteilungspolitisch grundsätzlich zu befürworten, zumal die steuerliche Entlastung bei Freibeträgen (noch stärker) mit der Einkommenshöhe steigt. Allerdings werden auch gezielt Eltern und Kinder (zur Gänze) vom Bonus ausgeschlossen. Dies ergibt sich für GeringverdienerInnen insbesondere durch die fehlende Wirksamkeit als Negativsteuer. Darüber hinaus wird bewusst ausgegrenzt, was dazu führt, dass nicht alle Kinder in gleichem Ausmaß gefördert werden und die Schere der verfügbaren Einkommen in Österreich weiter aufgehen wird.

Sinnvollere Alternativen

Einfacher, verteilungspolitisch und Volkswirtschaftlich vernünftiger wäre es, die Mittel in den Ausbau qualitativ hochwertiger öffentlicher Kinderbetreuung zu investieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Einnahmenausfälle durch den Kinderbonus zu einem Drittel von den Ländern und Gemeinden zu tragen sein werden, was wiederum dazu führen wird, dass dort das Geld auch für den erforderlichen Ausbau der Kinderbetreuung fehlt.

Der Familienbonus ist weder als Steuerstrukturreform, noch als familienpolitische Maßnahme das am besten geeignete Mittel.

Blogtipp: „Kinderbetreuung: 3 Baustellen – 3 wichtige Schritte“

Von
Philipp Gerhartinger
Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik, AKOÖ

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.

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