Musik auch ohne Geld
In diesem Sinne sind soziale Dienstleistungen bedarfsorientierte Sozialleistungen par excellence: Sie decken das Bedürfnis, das gerade besteht. Wer krank ist, wird von ÄrztInnen oder im Krankenhaus versorgt. Für Kinder, die Betreuung und Unterricht brauchen, stehen Kindergarten und Schule zur Verfügung. Ältere Menschen, die nicht mehr alles allein schaffen, bekommen Hilfe durch Pflegekräfte. Wer sich neue Fertigkeiten aneignen muss, um einen Job zu finden, erhält durch die Arbeitsmarktqualifizierung die nötige Unterstützung. Je nach Lebenssituation stehen öffentliche Serviceleistungen zur Verfügung, die aktuelle oder auch längerfristige Probleme lösen helfen. Damit alle Menschen, die etwas brauchen, die entsprechende Unterstützung bekommen, müssen aber einige wichtige Punkte erfüllt sein.
„Ohne Geld ka Musi“ ist das Motto der kommerziellen Welt. Ein ziemlicher Missklang, wenn es um die Versorgung eines gebrochenen Beins oder um die Schule der Kinder geht. Ein gruseliger Gedanke, wenn diese Leistungen ausschließlich vom Einkommen der Eltern abhängen würden. Auch wenn das aktuelle System an vielen Stellen verbesserungsfähig wäre, funktioniert es doch ziemlich gut.
Zauberwort „öffentlich“
Von „amerikanischen Verhältnissen“, dass etwa durch Krankenhausaufenthalte oder die Ausbildung der Kinder riesige Schuldenberge entstehen, die die Menschen in Armut stürzen, sind wir in Österreich glücklicherweise weit entfernt. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt „öffentlich“, also von der Gemeinschaft organisiert und finanziert. Deswegen müssen die Kosten nicht nur von jenen gedeckt werden, die gerade Bedarf an einer Leistung haben. Damit ist sichergestellt, dass jede und jeder lernen oder gesund werden darf – und zwar unabhängig vom eigenen Einkommen und Vermögen oder dem der Eltern.
Wer gerade keinen Bedarf an diesen Leistungen hat, für den ist es trotzdem sinnvoll, in das System einzuzahlen. Ein Unfall allein kann reichen, und plötzlich wird Versorgung, die Tausende Euro wert ist, notwendig. Gut zu wissen, dass diese Kosten durch das öffentliche System gedeckt sind.
Wer schon einmal akute Schmerzen oder hohes Fieber hatte, ist besonders auf schnelle, kompetente ärztliche Hilfe angewiesen. Kein Mensch will sich in dieser Situation erst ein Bild machen müssen, wo die beste Qualität zum niedrigsten Preis angeboten wird. Genau dieses Grundprinzip gilt aber auf einem Markt von privaten Anbietern. Deswegen ist es nur vernünftig, dass im Gesundheitsbereich die öffentliche Hand eingreift und ganz konkrete Vorgaben macht. Etwa, wer mit welcher Ausbildung welche medizinischen Behandlungen durchführen darf. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil selbst im gesunden Zustand ein Großteil der Menschen damit überfordert wäre, das zu beurteilen.
Ähnliches gilt für die Ausbildung von PädagogInnen oder Pflegekräften bei der Frage, wie ein Kindergarten gestaltet wird oder welche diagnostischen Apparate in welcher Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden sollten. Kurz gesagt: Die öffentliche Kontrolle sorgt dafür, dass es Qualitätsstandards gibt, auf die sich die BürgerInnen weitgehend verlassen können. Qualitätssicherung ist daher auch eine ganz wichtige Leistung für die Gemeinschaft.
Verfügbar und in guter Qualität
Doch die beste Leistung nützt nicht viel, wenn sie nicht zur Verfügung steht. Auch hier spielt die Organisation durch öffentliche Institutionen eine wichtige Rolle.
Die öffentliche Hand kümmert sich darum, dass es auch im ländlichen Raum gesundheitliche Versorgung oder öffentlichen Verkehr gibt. In manchen ländlichen Regionen ist so manches davon bereits dem Sparkurs zum Opfer gefallen. Von daher gibt es fraglos vieles zu verbessern – es könnte aber auch sehr viel schlechter sein. Wären diese Angebote ausschließlich privat organisiert, bräuchten sie genug zahlungskräftige Kundschaft, um zu funktionieren. Diese wiederum ist vor allem in den Städten zu finden. Außerdem zeigen zahlreiche schiefgegangenen Privatisierungen eines deutlich: Sie bringen hohe Kosten und oft schlechte Qualität. Europaweit werden deswegen wichtige Bereiche öffentlicher Versorgung wieder in die Hand der Gemeinden zurückgeholt. Wer also möchte, dass auch Menschen in kleinen Gemeinden Bildungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung und eine öffentliche Verkehrsanbindung vorfinden, sollte sein Vertrauen in gemeinschaftliche Lösungen setzen. Was ist der Kern einer Serviceleistung? Dass etwas Nützliches passiert, ohne dass man sich selbst darum kümmern muss. Genau das tun soziale Dienstleistungen: Sie nehmen einem die Last ab, selbst etwas organisieren zu müssen.
Von öffentlichen Angeboten profitieren somit auch jene, die solche Leistungen theoretisch aus eigener Tasche bezahlen könnten. Denn wer zum Beispiel möchte, dass die eigenen Kinder mit anderen Kindern unter pädagogisch qualifizierter Obhut spielen, tut sich bedeutend leichter, wenn es einfach ein gutes Kindergartenangebot gibt – und nicht er oder sie selbst damit anfangen muss, einen Raum zu mieten, ihn auszustatten oder qualifiziertes Personal zu suchen. In diesem Sinne entlasten soziale Dienstleistungen auch Besserverdienende und sind echte Problemlöser. Dienstleistungen anzubieten hat viele Vorteile gegenüber dem Ansatz, Menschen einfach Geld in die Hand zu drücken. Das zeigt sich auch am Beispiel des Pflegegeldes.
In den 1990ern wurde entschieden, Geld an die Pflegebedürftigen zu vergeben, statt das Angebot an Sachleistungen auszubauen. Das Schlagwort lautete Wahlfreiheit. Doch genau diese blieb eine Illusion.
Die Höhe des Pflegegeldes war von vornherein nicht kostendeckend angelegt, dazu kamen steigende Tarife der AnbieterInnen und fehlende Angebote in vielen Regionen. In Summe erwuchs daraus das genaue Gegenteil von Wahl oder Freiheit. Daher erfolgt Pflege nach wie vor ganz überwiegend privat und unbezahlt von – fast immer weiblichen – Familienmitgliedern oder von schlecht bezahlten PflegerInnen aus dem Ausland. Die fehlende Professionalisierung drückt dabei auf die Qualität, die Pflegenden können keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen und die Pflegebedürftigen kommen in ein oft schwieriges Abhängigkeitsverhältnis.
Stattdessen hätten die ausgegebenen 2,5 Milliarden Euro in professionelle öffentliche Pflegeleistungen investiert werden können. Das bedeutet nicht, dass es damit keine Wahlfreiheit mehr gibt. Im Gegenteil: Erst wenn überall unterschiedliche, qualitätsvolle Angebote vorhanden sind, gibt es auch wirklich eine Auswahl, die man frei treffen kann. Außerdem ist mit solchen Lösungen sichergestellt, dass es keinen armseligen Service für die Armen gibt, sondern gute Qualität für jeden und jede.
Arbeitsmarkt mit Zukunft
Nicht außer Acht bleiben sollte in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit der Aspekt, dass soziale Serviceleistungen regelrechte Jobmaschinen sind. Allein durch den Ausbau der Kinderbetreuung wurden in den letzten drei Jahren mehr als 9.000 Arbeitsplätze geschaffen. Würden die noch bestehenden Lücken geschlossen, könnten es noch Tausende mehr sein.
Dasselbe gilt auch für andere Bereiche der Bildung und für Gesundheit und Pflege – überall ist der Bedarf groß. Also ein weiterer guter Grund, um hier zu investieren. Das spießt sich allerdings mit der von Wirtschaftstreibenden vielfach geforderten Senkung der Abgabenquote. Die bedeutet nämlich nichts anderes, als den Staat auf Hungerkur zu schicken, womit dieser weniger an Leistung erbringen kann. Das heißt auch weniger Serviceleistungen fürs Leben. Das ist keine wünschenswerte Entwicklung und klingt nach einer ganz schlechten Idee.
Linktipp:
Die Bedeutung sozialer Dienste
Sybille Pirklbauer
Abteilung Frauen und Familie der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/17.
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