Es ist seine Antwort auf die seit Monaten andauernden Studierendenproteste, die nach dem Einsturz des Bahnhofsvordachs in Novi Sad am 1. November 2024 begannen. Hinter dem Bauprojekt wird von vielen Korruption vermutet. Proteste wegen Korruption, Wahlmanipulation und Machtmissbrauch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder, doch nie waren sie so entschlossen wie die aktuellen.
Angriffe auf kritische Stimmen
Präsident Vučić greift darum immer öfter kritische Stimmen an. Studierende werden zur Zielscheibe von Medien, die unter der Kontrolle des Regimes stehen. Journalist:innen werden verhaftet, und sogar der Staatsanwaltschaft drohte Vučić letztens.
Der Studentenprotest wurde zum Volksaufstand, auch in den ländlichen Gebieten verliert Vučić zunehmend an Unterstützung, weshalb der Präsident versucht, auf der Straße Akzente zu setzen. Nachdem am 15. März über 300.000 Menschen in Belgrad mit den Student:innen protestieren, rief das Regime für den 11. bis 13. April den „größten Protest jemals“ aus – eine Phrase, die von ihm schon öfter zu hören war. Arbeit&Wirtschaft konnte vor Ort Eindrücke sammeln.
„Wie lange soll das noch dauern?“
Für sein „Unterstützungswochenende“ versammelt das Lager von Vučić etwa 55.000 Menschen. Die Kundgebung findet vor dem Parlamentsgebäude statt – auf einem Gelände, hier im Zentrum der Millionenstadt, wurden verschiedene Stände vorbereitet.
In der Luft liegt ein schwerer Grillduft. Aus den weißen Zelten steigen Rauchschwaden. „Da drüben gibt’s Grillfleisch dort musst du hin“, sagt ein Mann zu mir und lacht auf. Aus seinem Mund blitzen nur zwei gelbe Zähne hervor. Noch bevor er meine Frage beantworten kann, wo aus Serbien er herkommt, ist er schon in die Menschenmenge abgetaucht. Generell scheint die Menschenmenge eher müde, viele Leute sitzen nur regungslos herum.
Motivation durch Geld
Ganz freiwillig sind aber nicht alle gekommen. „Ihr arbeitet in einer staatlichen Bank und esst Brot aus staatlicher Kasse. Wenn euch die Bank dann bittet, eure Unterstützung zu zeigen, solltet ihr kein großes Ding daraus machen“, hieß es für Mitarbeiter:innen der Bank Poštanska štedionica während einer Besprechung. Die Audioaufnahme wurde vom Medium nova veröffentlicht.
Ihr arbeitet in einer staatlichen Bank
und esst Brot aus staatlicher Kasse.
Viele Menschen mussten laut Berichten sogar erst mit Geld motiviert werden, um auf der Veranstaltung des Regimes aufzutauchen. Die Rede ist da oft von 50 bis 200 Euro – auch das ist eine bekannte Masche des Regimes. Andere staatliche Institutionen riefen aktiv zur Teilnahme an den Protesten in Belgrad auf – oder mussten Quoten erfüllen und eine bestimmte Zahl an Menschen per Bus dorthin schicken.
Journalist:innen unerwünscht
Mit kritischen Medien will hier kaum jemand reden. Kommt doch eine Antwort, dann sind es meist einstudierte Sätze über den Präsidenten, der gegen „böse Mächte“ ankämpft und für „Frieden“ sorgen möchte.
Auf Nachfragen bei einem älteren Pärchen antworten sie schnippisch: „Aber wer bist du, um hier solche Fragen zu stellen?“ Zur gleichen Zeit lese ich, dass andere Journalist:innen auf dieser Pro- Vučić -Veranstaltung angegriffen werden. Ich lasse die Fragen sein.
Noch vor der Rede von Vučić wollen viele der Unterstützer:innen gehen, die Ordner lassen es aber nicht zu. Diejenigen, die gehen, werden von Anrainer:innen ausgepfiffen. Die Vučić-Unterstützer:innen erwidern mit Zurufen wie „Verräter“.
Staffelmarathon für Gerechtigkeit
Ob Vučić mit seiner Unterstützungsveranstaltung viel bewirken konnte, ist fraglich. Rücktrittsaufforderungen weist er weiter zurück. Wie der Musiker Đorđe Balašević damals schon sagte: čast je čast, a vlast je vlast (Ehre ist Ehre, aber Macht ist Macht).
#Demokratie steht unter Druck: Nur 24 Länder sind weltweit vollständig demokratisch. 🌍⚖️ In Österreich vertrauen 85 % auf die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen. Echte #Partizipation in Gewerkschaften und Betriebsräten ist entscheidend. ✊👇
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 19. Februar 2025 um 17:00
Die Student:innen machen aber entschlossen weiter. Seit über einer Woche blockieren sie das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der seit Jahren eine regierungsfreundliche Haltung einnimmt. Nach einer Radtour bis nach Straßburg wurde für den 25. April ein Staffelmarathon bis nach Brüssel angekündigt. Alles, damit in Europa jemand ein Auge auf Serbien wirft.