Schwellenwerte: Auftragsvergabe schwer gemacht

Straßenarbeiter in oranger Arbeitskleidung reißen eine asphaltierte Straße auf. Symbolbil für die Schwellenwert-Verordnung.
Hohe Schwellenwerte sind gut für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen. | © Adobestock/blas
Die Schwellenwerte bei der Direktvergabe von öffentlichen Ausschreibungen liegen nun wieder bei 100.000 Euro - jedoch nur bis Jahresende. Was bedeutet das für Arbeitnehmer:innen und Klein- bzw. Mittelbetriebe?

Aufatmen: Die Schwellenwerte-Verordnung 2022 ging mit Mai 2023 in die nächste Runde. Bei Direktvergabe liegen die Schwellenwerte zumindest bis Jahresende also wieder bei 100.000 Euro und regionale Unternehmen kommen bei Kleinaufträgen unbürokratisch zum Zuge. Nach Ende des Jahres könnten die Karten allerdings neu gemischt werden. Problematisch, denn höhere Schwellenwerte unterstützen nicht nur Klein- und Mittelbetriebe, sondern sorgen auch für Arbeitsplätze.

Der Schwellenwert-Krimi

Alles begann im Jänner 2023: Aufgrund des Auslaufens der Schwellenwerte-Verordnung 2022 war im Jänner 2023 wieder das Bundesvergabegesetz anzuwenden. Es sah vor, dass Direktvergaben für öffentliche Auftraggeber:innen im Liefer- und Dienstleistungsbereich nur bis 50.000 Euro beziehungsweise für Sektorenauftraggeber:innen bis zu 75.000 Euro möglich sind. Bauaufträge durften mangels Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung nach Bundesvergabegesetz nur mehr bis zu einem Auftragswert von 300.000 Euro in nicht offenem Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden – statt zuvor bis zu eine Million Euro. Seit 1. Februar dieses Jahres gelten aber nun wieder die alten Werte, die im Mai 2023 zumindest bis auf Ende des Jahres durch Kundmachung der Verlängerung der Verordnung ausgedehnt wurden. Betonung auf zumindest.

Niedrige Schwellenwerte bei Direktvergabe bevorzugen große Unternehmen

„Die sogenannte Schwellenwerte-Verordnung, die eine direkte Auftragsvergabe an Unternehmen bis 100.000 Euro netto und das nicht offene Verfahren ohne Bekanntmachung mit drei Unternehmern im Baubereich bis zu einer Million Euro ermöglichte, wäre mit 30. Juni 2023 ausgelaufen. Durch die Kundmachung der Verlängerung im Mai bleibt sie bis Jahresende in Kraft“, erklärt Susanne Wixforth, stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Wien. Ziel dieser Verordnung war und ist es, dass nicht nur die großen Baukonzerne wie Strabag, Porr oder Swietelsky Aufträge bekommen, sondern auch kleine Betriebe eine Möglichkeit haben sollen, in den Gemeinden Aufträge zu bekommen. Denn im Zeitraum 2020-2022 gingen 80 Prozent der Aufträge der öffentlichen Hand an nur zehn Auftragnehmer:innen, wie eine Studie belegt.

„Laut den EU-Vergaberichtlinien ist ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe rechtlich verpflichtend“, meint Susanne Wixforth. | © Adobestock/Minerva Studio

Mit höheren Schwellenwerten besteht für Klein- und Mittelbetriebe die Chance, dass sie leichter die Möglichkeit haben, Aufträge von den Gemeinden zu erhalten. Bei niedrigeren Schwellenwerten sind Direktvergaben hingegen selten. Bei Großaufträgen mit EU-weiter Ausschreibung wird es kleinen Unternehmen zudem erschwert, sich an öffentlichen Auftragsvergaben zu beteiligen, da sie mit der Konkurrenz großer Konzerne nicht mithalten können. Hinzu kommt, dass die komplexen (EU-weiten) Vergabeverfahren für große Unternehmen leichter zu bewerkstelligen sind als für kleinere Betriebe mit wenigen Mitarbeiter:innen. „Hintergrund der Schwellenwerte-Verordnung ist, dass regionale Unternehmen bei Kleinaufträgen unbürokratisch zum Zuge kommen können. Am 19.5.2023 wurde die Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung kundgemacht, wodurch zumindest bis Jahresende Verfahrenssicherheit gewährleistet ist“, so Wixforth.

Vorbildrolle öffentliche Hand

Die öffentliche Hand hat nämlich bei der Vergabe ihrer Aufträge eine Vorbildrolle und sollte verschiedene Aspekte im Auge behalten. Ökologische Kriterien, Gesundheitsschutz, Arbeitsrecht und auch die Verhinderung von Dumpinglöhnen sind wichtige Aspekte. Diese Kriterien bedeuten in weiterer Folge, dass nicht immer das günstigste Angebot eines großen Unternehmens, dass vielleicht noch mit Sub-Unternehmen zusammenarbeitet, um so Kosten zu sparen, den Zuschlag bekommen sollte. Denn wenn die erwähnten Kriterien unterlaufen werden, dann wird der Auftrag nicht günstig, sondern auf Kosten der Arbeitnehmer:innen und der Umwelt erfüllt. „Laut den EU-Vergaberichtlinien ist ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe rechtlich verpflichtend. Österreich und Deutschland haben auf dieser Basis die genannten Schwellenwerte festgelegt. Aber auch viele anderen Mitgliedstaaten haben in unterschiedlicher Form aus Kosten- und Effizienzgründen solche unteren Vergabegrenzen eingeführt, bis zu denen eine Direktvergabe ohne EU-weite Ausschreibung zulässig ist“, erklärt Wixforth.

Kontrollmaßnahmen bestehen auch bei höheren Werten

Höhere Schwellenwerte und die Möglichkeit einer freihändigen Vergabe sichert Arbeitsplätze. Vorteilhaft für die Konjunktur Österreichs. Und auch für den Umweltschutz können diese Schwellenwerte Sinn ergeben. Am Beispiel eines grenzüberschreitenden Biomüll-Tourismus zwischen Baden-Wartenberg und Vorarlberg lässt sich erkennen, welche Auswirkungen eine niedrig angesetzte Ausschreibungspflicht haben kann. Aus dem Landkreis Ravensburg wird nämlich Müll nach Lustenau gebracht und umgekehrt, um ihn jeweils im anderen Land zu verwerten. Jährlich bedeutet das mehr als 2.000 LKW-Fahrten zwischen den beiden Ländern und das verursacht einen Ausstoß an 155 Tonnen CO2. Grund dafür war die EU-weite Ausschreibungspflicht, und ein österreichisches Unternehmen hat als günstigster Bieter in Deutschland den Zuschlag bekommen und umgekehrt ein deutsches Unternehmen in Österreich. Ein Schelm, wer hier an den European Green Deal denkt.

„Mindestschwellen, unterhalb derer keine EU-weite Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen erforderlich sind, stehen nicht gleich mit der Abschaffung von Transparenz. Eine freihändige Vergabe kann mit verschiedenen Controlling-Schritten verknüpft werden, die Transparenz und Nichtdiskriminierung sicherstellen“, sagt Wixforth nicht nur bezogen auf das oben genannte Beispiel. Die Arbeiterkammer betrachtet daher eine Valorisierung der neuen-alten Werte als sinnvoll. Bei Dienstleistungen schlägt die AK eine Anhebung auf 150.000 Euro vor und bei Bauaufträgen eine Erhöhung auf 1,5 Millionen Euro. „Am besten wäre ein Gesetz mit dynamischer Indexanpassung. Eine langfristige Verlängerung der Schwellenwerte schafft außerdem Planungs- und Rechtssicherheit“, so Wirtschaftspolitik-Expertin Wixforth.

Auch hinsichtlich der hohen Inflation wäre eine Anpassung sinnvoll und wenn man sich das Beispiel des Mülltransports über die Grenzen ansieht, dann stellt sich auch die Frage nach den Klimazielen der Europäischen Union und ob eine solche Vorgehensweise nicht einer angestrebten Klimaneutralität zuwiderläuft.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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