Drei Fragen zum Thema
Wie umgehen Unternehmen den Kollektivvertrag?
Unternehmen wie Ströck und Mann zahlen nicht nach Industrie-KV für Großbäckereien, sondern nach Gewerbe-KV. Für die Gewerkschaften ist dies eine falsche Zuordnung – mit enormen Nachteilen für die Beschäftigten. Denn der Industrie-KV würde für sie ein um 15 Prozent höheres Gehalt bringen.
Warum kommen die Unternehmen damit durch?
Weil Schlupflöcher im Kollektivvertragssystem geschickt ausgenutzt wurden. Der Konflikt schwelt seit 2013. Damals legten die Gewerkschaften GPA-djp und PRO-GE eine Beschwerde gegen Ströck und Mann bei der Wirtschaftskammer Wien ein. Eine Einigung scheiterte auch deshalb, weil die Gewerbe- und Industriesparte innerhalb der Wirtschaftskammer unterschiedliche Auffassungen vertraten. Für die Industriesparte handelte es sich bei Ströck und Mann um Industriebetriebe, die Gewerbesparte sah in den beiden Unternehmen aber Handwerksbetriebe. Der Vorteil für die Konzerne: Sie mussten ihr Verhalten nicht ändern.
Wie wurde der Konflikt gelöst?
2014 landete der Fall beim Wirtschaftsministerium. Dieses schlug sich auf die Seite von Ströck und Mann. Seitdem gilt für beide Unternehmen der Gewerbe-KV. Der Industrie-KV ist damit bei den Großbäckereien zu einem großen Teil entwertet worden. Die Gewerkschaften konnten dem Schauspiel weitgehend nur von der Seitenlinie aus zuschauen. Fraglich bleibt, inwieweit staatliche Ministerien geeignete Entscheidungsträger bei Einstufungskonflikten dieser Art sind. Faktisch ist der Gewerbe-KV zu einem Flucht-Kollektivvertrag geworden.
Christian Bunke
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/20.
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