Statussymbole haben weiter ihre Bedeutung.
Nichtsdestotrotz haben Statussymbole weiter ihre Bedeutung. Im Jahr 2014 etwa publizierte die Zeitung „Die Presse“ einen Beitrag mit dem Titel „33 Statussymbole für den Manager von Welt“. Darunter finden sich nicht nur Dienstlimousine inklusive Fahrer, Maßanzug oder das eigene Pferd. Auch Freizeitaktivitäten wie Tennis, Golf oder Fitness, inklusive Mitgliedschaft in einem exklusiven Club, werden aufgelistet. Doch was haben eigentlich Statussymbole wie diese mit dem guten Leben für alle zu tun? Keine Frage: Geld allein macht nicht glücklich – und empfundenes Glück ist selbstverständlich ein wichtiges Element eines guten Lebens. Und doch macht es Geld zweifellos leichter, ein gutes Leben zu führen.
Gesundheit, soziales Netz, Zuhause
- Gesundheit
- Familie und FreundInnen
- ein gutes Zuhause
Es mag erstaunen, dass das Einkommen nicht Platz eins einnimmt. Dies lässt sich nicht losgelöst von den Rahmenbedingungen verstehen: In Österreich gibt es immer noch eine verhältnismäßig gute Gesundheitsversorgung, das öffentliche Bildungssystem macht es möglich, dass Eltern nicht Unmengen für die Bildung ihrer Kinder ausgeben müssen oder gar noch die Kosten für den eigenen Bildungsweg abbezahlen – kurzum: Der Wohlfahrtsstaat ist noch stark genug, sodass andere Prioritäten an Bedeutung gewonnen haben. Zu diesen Prioritäten zählt nicht zuletzt die intakte Umwelt, die für 57 Prozent von Bedeutung ist.
Auch mag erstaunen, dass die Arbeit verhältnismäßig weit hinten rangiert, heißt es doch immer, Arbeit und das damit verbundene Einkommen seien der wichtigste Maßstab für ein gutes Leben. Anders gesagt: Nur wer Arbeit hat, dem oder der geht es gut, und nur wer mit dieser Arbeit gutes Geld verdient, kann auch gut leben. Widersprechen dem nun die Daten, wonach „nur“ für 43 Prozent die Arbeitsbedingungen wichtig sind, „nur“ für 36 Prozent die Höhe des Einkommens und „nur“ für 35 Prozent die Ausgewogenheit von Freizeit und Erwerbstätigkeit? Eine solche Schlussfolgerung wäre jedenfalls voreilig, wie ein Blick auf andere Zahlen und Zusammenhänge zeigt.
Ein höheres Einkommen geht im Allgemeinen mit höherer Lebenszufriedenheit einher.
Demnach führt mehr Geld jedenfalls zu mehr Lebenszufriedenheit, denn wer mehr Einkommen hat, ist auch zufriedener mit dem eigenen Leben: Ein höheres Einkommen geht im Allgemeinen mit höherer Lebenszufriedenheit einher. Auch höhere Bildung und eine höhere Stellung im Beruf – und somit meist bessere Einkommen – lassen die Menschen zufriedener mit ihrem Leben sein. Allerdings fühlen die Menschen sich nicht nur „glücklicher“, sondern auch gesünder. In den Untersuchungen wurde auch abgefragt, wie die Menschen ihren eigenen Gesundheitszu- stand bewerten. Hier wird deutlich, wie wichtig Arbeit in der Tat ist. Kurz zusammengefasst: Wer eine hat, ist zufriedener mit dem eigenen Leben. Und: Je besser die berufliche Position, desto zufriedener sind die Menschen.
Aktive Politik für gutes Leben
Erneut zeigt sich, welch enorme Bedeutung ein Wohlfahrtsstaat hat, der sich nicht auf die passive Rolle zurückzieht, sondern aktiv gestaltet. Kurzum, wenn Politik sich nicht zurücklehnt und die Menschen sich selbst überlässt, sondern vielmehr aktiv versucht, über Arbeitsmarkt-, Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- oder Umweltpolitik die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit möglichst viele Menschen ein gutes Leben führen können.
Wer mehr Einkommen hat, ist nicht nur zufriedener, sondern auch gesünder.
Gute Gesundheit und ein gutes soziales Netz: Beides ist eng mit Arbeit und Einkommen verbunden. Wer mehr Einkommen hat, ist nicht nur zufriedener, sondern auch gesünder. Auch rechnen Menschen deutlich eher damit, im Fall der Fälle Unterstützung aus dem sozialen Netz zu erhalten, je mehr sie verdienen. Gerade Arbeitslose schätzen in dieser Hinsicht ihre Situation am schlechtesten ein. Und sie bewerten auch ihren eigenen Gesundheitszustand schlechter. „Arbeitslose weisen eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit auf, befinden sich in einem schlechteren Gesundheitszustand und können in einem geringeren Maße mit Hilfe von ihrem sozialen Umfeld rechnen“, fasst die Statistik Austria zusammen.
Je länger Personen arbeitslos sind, desto geringer fällt das Wohlbefinden aus.
Die Daten zeigen auch, wie zynisch die Erzählung von der sozialen Hängematte ist, in der es sich Arbeitslose angeblich bequem machen: „Je länger Personen arbeitslos sind, desto geringer fällt das Wohlbefinden aus.“ Das eine ist das subjektive Gefühl, das andere sind die Fakten, könnte man dem entgegenhalten. Doch auch diese belegen, dass ein gutes Leben leichter möglich ist. Umgekehrt gesagt: Wer keine Arbeit hat, bewertet seinen Gesundheitszustand öfter als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ und leidet unter chronischen Krankheiten. Auch ist die Statistik Austria der Frage nachgegangen, welche Folgen Arbeitslosigkeit auf Dauer hat. Dazu wurden die Angaben von Menschen, die im Vorjahr nicht oder nur kurz (maximal sechs Monate) arbeitslos waren, mit den Angaben jener verglichen, die im Vorjahr zwischen sechs und zwölf Monate lang arbeitslos waren. Das Ergebnis: Wer länger arbeitslos war, gibt „häufiger eine schlechte Gesundheit und chronische Krankheiten“ an als jene, bei denen das nicht oder nicht lange der Fall war.
Rahmen verbessern
Somit kann eine aktive Arbeitsmarktpolitik sehr viel zu einem guten Leben beitragen – sprich: eine Politik, die sich nicht darauf beschränkt, Arbeitslose auf offene Stellen zu vermitteln und sie während der Arbeitslosigkeit sozial abzusichern – und sie dabei immer stärker unter Druck setzt, statt die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu gehören etwa Weiterbildungsangebote, sodass Arbeitslose bessere Chancen haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dazu gehören aber auch Maßnahmen wie die „Aktion 20.000“, damit auch jene, denen am freien Markt kein Arbeitsplatz mehr angeboten wird, Arbeit und ein Einkommen haben.
Gute Arbeit!
Dabei sei auch zu bedenken, dass Arbeit nicht gleich Arbeit ist. Vielmehr spielt auch die Qualität der Arbeit eine Rolle, und diese wiederum wird unter anderem durch die Form der Beschäftigung bestimmt: Prekäre Beschäftigung bringt geringere Lebenszufriedenheit mit sich als „reguläre“ Beschäftigungsverhältnisse. Auch das Einkommen macht logischerweise einen Unterschied: Jene mit den höchsten Einkommen sind deutlich zufriedener als jene mit den geringsten Einkommen.
Arbeit ist nicht gleich Arbeit.
Was man daraus aus gewerkschaftlicher Sicht ableiten kann: Das Engagement von Gewerkschaften ist ganz nah an den Bedürfnissen der Menschen selbst – und nicht, wie momentan gerne polemisch behauptet wird, „von gestern“. Dass sie sich in den KV-Verhandlungen dafür einsetzen, dass die Löhne und Gehälter dem steigenden Wohlstand entsprechend mitwachsen; dass sie sich für ein ausgewogene(re)s Verhältnis von Arbeit und Freizeit einsetzen; dass sie dem wachsenden Druck in der Arbeitswelt entgegentreten; und dass sie sich für den Erhalt des Wohlfahrtsstaates und dessen Modernisierung einsetzen.
Faire Verteilung!
Nicht zuletzt lässt sich auch das unbeirrte Engagement für eine gerechte Verteilung daraus ableiten. Denn ein weiteres interessantes Ergebnis aus den Untersuchungen lautet: „Die Lebenszufriedenheit wird (…) nicht nur durch das Wohlstandsniveau beeinflusst, sondern auch durch das Einkommen im Vergleich zu anderen.“ Sprich, es geht nicht nur darum, dass man selbst ein gutes Einkommen hat. Vielmehr geht es den Menschen besser, wenn die Einkommen insgesamt gleicher verteilt sind. Dies wiederum deckt sich mit internationalen Erfahrungen, wie die beiden WissenschafterInnen Richard Wilkinson und Kate Pickett aufgezeigt haben; Stichwort „Gleichheit ist Glück“.
Es ist ein dickes Brett, das Gewerkschaften und Arbeiterkammer hier bohren. Denn auch in Österreich nimmt die Ungleichheit zu. Zwar funktioniert die Umverteilung über Einkommen in Österreich nach wie vor sehr gut; sprich: Der Wohlfahrtsstaat wird hier seiner Aufgabe gerecht. Anders aber sieht die Lage bei den Vermögen aus, denn diese sind enorm ungleich verteilt. So haben die obersten 10 Prozent mehr als die Hälfte des Vermögens, die restlichen 90 Prozent haben Zugriff auf die übrigen 44 Prozent des Vermögens. Zudem leisten Vermögen nur einen minimalen Beitrag zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates. Dieser aber bräuchte dringend eine solide Finanzierung, und nicht nur weil die alternde Gesellschaft neue Dienstleistungen nötig macht, Stichwort Pflege und Gesundheit. Er braucht sie auch, um dem Anspruch gerecht zu werden, dass mehr Menschen ein gutes Leben führen können – und dass alle das sprichwörtliche Stück vom Kuchen bekommen.
Leeres Versprechen
Denn leider besteht kein Zweifel mehr daran, dass das Versprechen, „unseren Kindern wird es einmal besser gehen“, längst nicht mehr erfüllt wird. Die damit verbundene Hoffnung, dass es auch immer mehr Kindern immer besser gehen möge, ist in noch weitere Ferne gerückt. Ja, und dies trifft auch auf Österreich zu, eines der reichsten Länder der Welt. Denn nach wie vor werden Bildungschancen vererbt, setzt sich also die soziale Selektion fort. Das lässt sich nicht nur seit Jahren in den jeweiligen Untersuchungen wie der PISA-Studie nachlesen. Eine Zahl dazu: Mehr als die Hälfte der Kinder von Eltern mit Uniabschluss studieren selbst. Hingegen besuchen gerade einmal fünf Prozent der Kinder von Eltern ohne akademischen Abschluss eine Uni.
Erbschaften manifestieren die bestehende Ungleichheit, ja, verschärfen sie sogar noch weiter.
Von gleichen Chancen auf ein gutes Leben kann keine Rede sein. Schlimmer noch: Wer schon hat, bekommt immer mehr. Besser gesagt: Erbschaften manifestieren die bestehende Ungleichheit, ja, verschärfen sie sogar noch weiter. Konkret ausgedrückt: Die untere Hälfte in der Einkommensverteilung erbt vielleicht ein Auto oder ein Sparbuch, und die obere Mitte erbt vielleicht ein Eigenheim. In Zahlen: 124.000 Euro beträgt das durchschnittliche Erbe der unteren 90 Prozent, bei den Top 10 sind es 828.000 Euro und beim obersten Prozent sind es 3,4 Millionen Euro. Somit herrscht ein Kreislauf, in dem jene, denen es ohnehin schon gut geht, sich darauf verlassen können, dass das auch so bleibt – während jene, denen es verhältnismäßig schlechter geht, selbst bei großer Leistungsbereitschaft nicht oder nur unter großen Anstrengungen vom Fleck kommen. Denn es ist eben gerade nicht die eigene Leistung, die einen voranbringt – leider!
Auf Status gebaut
Was hat all dies mit Statussymbolen zu tun? Nun, unser ganzes Wirtschaftssystem hat sich rund um sie konstruiert, ja sogar die Vorstellungen von Wohlstand sind um sie herum gebaut. Warum? Nun, es sind gerade die Vermögenden, an denen sich die Industrie orientiert, denn mit ihnen lässt sich natürlich erst mal viel Geld verdienen. Wirklich funktionieren kann das System aber nur, wenn auch die breite Masse die Statussymbole haben will und sie sich vor allem leisten kann.
Es sind gerade die Vermögenden, an denen sich die Industrie orientiert, denn mit ihnen lässt sich natürlich erst mal viel Geld verdienen.
Die Globalisierung hat genau dies möglich gemacht – allerdings um den Preis der Ausbeutung von Mensch und Natur. Das wiederum führt dazu, dass neue Statussymbole gesucht werden, was wiederum die Industrie anspornt, sie auch der breiten Masse zugänglich zu machen. Ein Kreislauf also.
Besitz ist gutes Leben?
Der Besitz der Dinge soll aber nicht nur die Menschen glücklich machen, sondern auch den Wohlstand der Gesellschaft absichern und vergrößern, also mehr Menschen glücklich machen. Einfach ausgedrückt: Brummen die Unternehmen, verkaufen sich die Produkte, das wiederum bringt Wachstum, was wiederum Jobs mit sich bringt – und unterm Strich bringt all das ein gutes Leben für immer mehr Menschen. Man könnte sagen: Unser ganzes Wirtschaftssystem und die verbreiteten Vorstellungen von Wohlstand bauen darauf auf, dass die oberflächliche Behauptung auf die große Masse umgelegt wird, wonach der Besitz bestimmter Dinge ein gutes Leben ausmache. Doch es wird auch immer deutlicher, dass dieses System seine vielfältigen Versprechen nicht mehr einhalten kann.
Voraussetzungen schaffen
Sich etwas leisten können: Diese Formulierung drückt wohl sehr gut aus, wonach sich viele Menschen sehnen. Aber was es konkret ist, das sie sich dann leisten wollen, das hängt zweifellos von den individuellen Vorlieben ab. Auf all diese Bedürfnisse kann die Politik freilich keine Antwort bereithalten. Es ist auch nicht das Ziel gewerkschaftlicher Politik, dass sich alle den berühmten Porsche leisten können. Sehr wohl aber kann sie gute Rahmenbedingungen schaffen: in Form eines guten Gesundheitssystems, in Form einer guten Arbeitsmarktpolitik, in Form eines fairen Steuersystems, in Form eines guten Bildungssystems, durch Regeln für Märkte, durch gute und leistbare öffentliche Dienstleistungen. Sprich, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ihre wichtigsten Anliegen auch erfüllt werden können: Gesundheit, ein gutes soziales Netz, ein gutes Zuhause, eine intakte Umwelt, gute Arbeitsbedingungen, ein gutes Einkommen und ein gutes Gleichgewicht von Arbeit und Freizeit – ob da nun Haus, Auto und Boot dazugehören oder vielleicht etwas ganz anderes.
Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit&Wirtschaft
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/19.
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