Verkehr: Ruhe vor dem Sturm

Foto von Johannes Schwarcz-Breuer bei der Arbeit im Gang eines Passagierflugzeugs
Wie die Polizei oder medizinisches Personal stellt die Luftfahrtbranche eine Ausnahme aus dem Arbeitszeitgesetz da – allerdings mit klaren Regelungen, die Johannes Schwarcz-Breuer als Arbeitnehmervertreter mitgestaltet.
Johannes Schwarcz-Breuer vertritt die ArbeitnehmerInnen in Luftfahrt und Schiffverkehr in der vida. Beide Branchen sind unterschiedlich vom neuen Arbeitszeitgesetz betroffen. 12-Stunden-Dienste wären insbesonders in der Schifffahrt fatal, warnt der Experte.
Die Luftfahrt ist vom österreichischen Arbeitsgesetz ausgenommen. Die internationale Luftfahrtgesetzgebung sieht vor, dass man länger als zwölf Stunden am Tag arbeiten kann“, sagt Johannes Schwarcz-Breuer, Vorsitzender des Bereichs Luft- und Schiffverkehr der Gewerkschaft vida. „Ein Flug kann ja zwölf Stunden dauern und mit Vor- und Nachbereitung dauert der Arbeitstag dann 13,5 Stunden.“ Eine Regelung der Freizeit davor und danach sei wichtig. Die nächste große Frage werde sein, wo die EU mit der Arbeitszeitregelung hingehe. „Hier müssen wir europaweit ein Auge darauf haben.“ Im Luftverkehr gibt es laut Schwarcz-Breuer relativ starre Zahlen, was die Tages- und Wochenarbeitszeit angeht. Unter den Beschäftigten gebe es zwei Strömungen: „Da sind zum einen die Älteren, denen ihre Freizeit heilig ist. Die Jüngeren sagen, sie verdienen lieber mehr und sind weniger daheim. Für uns als Arbeitnehmervertreter wird es ein interessanter Spagat, diese beiden Gruppen unter einen Hut zu bringen.“ Sollten die ArbeitgebervertreterInnen eine Arbeitszeit von zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche fordern, werde es vonseiten der Gewerkschaft ein klares Nein geben. Das gelte auch für die Schifffahrt.

Kapitän allein auf weiter Flur

Anders als der Luftverkehr sei die Schifffahrt nicht vom Arbeitsgesetz ausgenommen: „Da könnten wir mit dem 12-Stunden-Tag konfrontiert werden.“ Schwarcz-Breuer befürchtet, dass ArbeitgeberInnen von KapitänInnen verlangen könnten, dass sie zwölf Stunden lang die Donau rauf und runter fahren sollen. Es sei ein Sicherheitsrisiko, wenn ein bzw. eine KapitänIn so lange ein Schiff mit mehreren hundert PS und bis zu 500 Passagieren steuern müsse: „Er ist ja allein auf der Brücke im Führerstand. Die Matrosen haben – was das Führen des Schiffes angeht – keine sicherheitsrelevanten Aufgaben.“ Schwarcz-Breuer geht davon aus, dass die Blue Danube GmbH bei den anstehenden KV-Verhandlungen eine Änderung der Arbeitszeit fordern wird.

Ansturm im Sommer

Derzeit seien ArbeitnehmerInnen und -geberInnen abwartend. „Die Arbeitgeber schauen, wie sie das Gesetz umsetzen können, ohne etwas am KV zu ändern, und die Arbeitnehmer beobachten derzeit, was ihnen ihr Betrieb zutraut und ob sie das dann machen können oder nicht.“ Schwarcz-Breuer rechnet mit einem starken Anstieg der Anfragen ab dem zweiten Halbjahr 2019: „In der Sommersaison werden wir mit 12-Stunden- Tag und 60-Stunden-Woche massiv konfrontiert sein, weil die Arbeitgeber dann ihre Hemmung verloren haben. Derzeit traut sich keiner, den ersten Schritt zu machen.“

In der Sommersaison werden wir mit 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche massiv konfrontiert sein, weil die Arbeitgeber dann ihre Hemmung verloren haben. Derzeit traut sich keiner, den ersten Schritt zu machen. 

Johannes Schwarcz-Breuer, Gewerkschafter

Schwarcz-Breuer weist darauf hin, dass so lange Dienste auf Dauer vor allem in der Schifffahrt gesundheitsgefährdend seien. In der Luftfahrt seien sie möglich, da man hier einen Commander, einen Co-Piloten bzw. eine Co-Pilotin und einen Ersatz-Co-Piloten bzw. eine Ersatz-Co-Pilotin mit an Bord habe. „Wenn einer eine Handlung setzt, habe ich noch zwei Piloten und auch Computersysteme, die gegebenenfalls korrigierend eingreifen können.“ Anders sei das in der Schifffahrt: „Da habe ich einen Kapitän, der vielleicht einen Computer hat. Deshalb ist ein 12-Stunden-Tag in der Schifffahrt problematischer, die Fehlerhäufigkeit steigt ab der zehnten Arbeitsstunde.“ Das gelte auch für andere Bereiche in der Branche: „Wenn ich zwölf Stunden lang Schiffe mit einem Kran mit Containern belade und dabei einer wegen eines Fehlers abstürzt, kann es zu Verletzten oder gar Toten kommen.“ Das müsse man jenen ArbeitgeberInnen klarmachen, die „glauben, die Menschen sind Roboter, die nur acht Stunden Regenerationszeit brauchen“. Mit längerer Arbeitszeit sollte auch ein Gesundheitsmanagement einhergehen. „Ohne wird es in Österreich zukünftig nicht gehen.“ Zentral sei auch eine Neuregelung der Pausenzeiten: „Reicht es, wenn die MitarbeiterInnen Essen und Getränke zu sich nehmen, oder wäre es nicht doch besser, wenn sie sich bewegen und an die frische Luft gehen dürfen?“ Dieses Gesundheitsmanagement müsse partnerschaftlich von Betroffenen, BetriebsrätInnen, ArbeitsmedizinerInnen und FirmenvertreterInnen erarbeitet werden.

Über den/die Autor:in

Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Sandra Knopp ist freie Journalistin für verschiedene Radio und Printmedien, und hat die Themen Arbeitsmarkt, Soziales und Gesellschaftspolitik als Schwerpunkte. Udo Seelhofer war früher Lehrer und arbeitet seit 2012 als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Gesellschaft, soziale Themen und Religion. Im Team wurden sie beim Journalismuspreis „Von unten“ 2017 für ihre Arbeit&Wirtschaft Reportage „Im Schatten der Armut“ ausgezeichnet.

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