Auf die Nummer kommt es an
In Unterweißenbach steht Manfred Huber in einem modernen Gebäude zwischen Rinderhälften, die an Fleischerhaken vom Fördersystem herabhängen, und erklärt seine Unternehmensphilosophie. Der Geschäftsführer von Sonnberg Biofleisch hat den Betrieb in den vergangenen Jahren zu einem großen Player im Handel mit Fleisch aus ökologischer Landwirtschaft gemacht. Damit ist er in der Region kein Exot, denn im Mühlviertel wird rund ein Drittel der Höfe nach Bio-Kriterien bewirtschaftet. Huber erklärt, wie es möglich ist, dass auf einer Packung Kurzbratfleisch aus dem Kühlregal die Adresse des Kuhstalls angegeben wird: „Die Einzeltierzerlegung ermöglicht die Zurückverfolgung.“ Jedes Tier trägt eine Nummer am Ohr. In der Verarbeitung wird die Nummer als Schlachtkörperetikett direkt aufs Fleisch gepinnt. Letztlich ermöglicht es diese Nummer, dass auf dem fertig verpackten Produkt der Bauernhof und die Ortschaft aufgedruckt werden können. In der konventionellen – also Nicht-Bioproduktion – werden nicht einzelne Fleischteile, sondern Chargen nummeriert. So kann nach der Zerteilung nicht mehr das einzelne Tier oder der einzelne Bauernhof, sondern nur noch ein Gebiet ermittelt werden.
Hubers Offenheit ist in der Fleischbranche nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Denn sie hat nicht den besten Ruf. Die intensive Tierhaltung und die weltweit rasant wachsende Nachfrage nach billigem Fleisch verursachen hohe Umweltkosten, gehen zulasten des Tierwohls und schaffen an vielen Stellen eine Konkurrenz zwischen Lebensmittel- und Futtermittelproduktion.
Dass immer mehr Fleisch durch immer weniger große Player des Lebensmitteleinzelhandels vermarktet wird, unterwirft ein traditionsreiches Handwerk einem rasanten Strukturwandel. Das hat Folgen, auch für die Beschäftigten in der Fleischbranche. Vor allem die deutsche Fleischbranche mit ihren riesigen, exportorientierten Schlachtbetrieben sorgte in den letzten Jahren für immensen Preisdruck in Europa. Durch geringe Lohnkosten für die zahlreichen Beschäftigten aus Polen, Bulgarien und Ungarn konnten die deutschen Großschlachter zwischenzeitlich gewaltige Preisvorteile gegenüber den Schlachtern aus anderen EU-Staaten erreichen. Das haben auch österreichische Betriebe und Beschäftigte gespürt.
Laut Österreichischem Gewerkschaftsbund hat sich der Preisdruck für Beschäftigte in österreichischen Schlachthöfen zum Beispiel darin niedergeschlagen, dass Überstunden nicht vergütet wurden oder dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht ausbezahlt wurde. Schichtarbeit, unbezahlte Überstunden, unvereinbarte Wochenendarbeit – darüber klagen auch ehemalige MitarbeiterInnen der Walcher Fleischwerke auf einer Online-Bewertungsplattform für Arbeitgeber. In vielen Betrieben wurden außerdem FacharbeiterInnen durch ungelernte Kräfte ersetzt. Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland hat die Situation zuletzt allerdings entspannt. Am unattraktiven Image der Fleischbranche hat sich jedoch wenig geändert. „Dass jemand von sich aus Fleischer wird, das ist heutzutage schon sehr selten“, weiß auch Manfred Huber zu berichten.