Vom Sorgenkind zum Vorbild
Wenn jemand aus seiner Gruppe von der überbetrieblichen Lehre in eine Firma wechselt und die Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt weiterführt, ist Josef Trautenberger auf ganzer Linie zufrieden. Von ursprünglich 15 Lehrlingen wurden immerhin fünf innerhalb eines Jahres an Firmen vermittelt – Ahjad Halkaev wird bald Nummer sechs sein.
Einen der Lehrlinge hat der Ausbilder sogar bei seiner ehemaligen Arbeitsstelle untergebracht: „Das funktioniert sehr gut, ich fahr öfter hin und schaue mir das selbst an.“ Auf ihn ist Trautenberger besonders stolz, denn „anfangs hat er nur gestört“. Der Jugendliche kam direkt nach der Schule zu Jugend am Werk, war einer der Jüngsten in der Gruppe. „Er war noch stark in der Pubertät, hat immer wieder Ermahnungen und Verwarnungen bekommen, doch als wir dann an den Fahrzeugen gearbeitet haben, sah ich, wie geschickt er sich anstellte.“
Der Ausbilder weiß, wie eng Beschäftigung und Entwicklung zusammenhängen können, mit der Zeit wurde der junge Mann ehrgeiziger und ruhiger. Jetzt arbeitet er bereits vier Monate in dem Lkw-Servicebetrieb, und Trautenberger hört „nur gute Sachen über ihn“. Freilich ist auch der Beruf als Ausbilder anstrengend, eine Verkürzung auf die 35-Stunden-Woche wäre wünschenswert: „Ich hätte dann mehr Zeit für die Erholung, das ist in meinem Alter wichtig.“
Integration durch Bildung
Auch die privaten Bildungseinrichtungen integrieren viele AbsolventInnen. „Sobald jemand eine Aus- oder Weiterbildung besucht, macht er auch einen Schritt in Richtung Integration. Denn der vorgegebene Rhythmus und die Möglichkeit, Kontakte zu Gleichgesinnten zu knüpfen, wirken sich positiv aus“, erklärt Nerijus Soukup. Was die Erwachsenenbildung gesellschaftlich leisten kann, hat sie auch im Jahr 2015, als Tausende Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg nach Österreich kamen, eindrucksvoll bewiesen. „Allein was wir in Wien damals an Deutschkursen kurzfristig auf die Beine gestellt haben, war enorm“, erinnert sich Senad Lacevic von den Wiener Volkshochschulen. „Das waren Hunderte von Kursen und Tausende von Menschen, die von diesem Angebot profitiert haben.“
Aber inzwischen sind viele staatliche Maßnahmen unsicher geworden. Unter der türkis-blauen Regierung wurde bei vielen öffentlichen Aufträgen erst sehr kurzfristig über eine Verlängerung entschieden. Soukup und Lacevic erinnern sich an viele KollegInnen, die vorab gekündigt wurden, weil niemand wusste, ob die Kurse weitergehen. „Das verursacht großen Stress – einerseits betreust du Menschen, viele davon sind arbeitslos, andererseits hast du selbst Angst, bald keinen Job mehr zu haben.“ Ein Ausweg: „Eine unserer langjährigen Forderungen ist, Projekte auf fünf Jahre auszuschreiben. Das gäbe den MitarbeiterInnen Entspannung und Sicherheit“, erklärt Soukup. Lacevic ist erleichtert, dass die „Ibiza-Causa“ die zusätzlich angedrohten Kürzungen in der Branche verhindert hat.
Wesensverwandt mit Vorbildwirkung
Am 19. Februar begannen die KV-Verhandlungen. Die Forderungen wurden an die Arbeitgeber übergeben. Während 2019 fünf Verhandlungsrunden nötig waren, rechnen die Verhandler, dass es heuer länger dauern wird. Unvorbereitet setzten sich die Akteure freilich nicht an den Tisch. „Wir Betriebsräte bilden Arbeitsgruppen für spezielle Themenbereiche und treffen einander regelmäßig“, erklärt Nerijus Soukup. Dabei werden Forderungen, Strategien und Durchsetzungsmöglichkeiten ausgearbeitet.
Auf der Betriebsrätekonferenz, an der alle Betriebsräte aus ganz Österreich teilnehmen können, werden die Ergebnisse präsentiert und es wird über die Punkte abgestimmt. Die GPA-djp hilft bei der Organisation, die Rechtsabteilung unterstützt bei juristischen Fragen. Breite Unterstützung kommt von der Arbeiterkammer, die eine Branchenanalyse durchführt und die Bilanzen des letzten Geschäftsjahres analysiert. Senad Lacevic: „Da sehen wir, wie es der Branche geht, welche Entwicklungen und Veränderungen es gibt. Und wie sich die Umsätze oder das EBIT auch über Jahre hinweg darstellen.“
Verhandelt wird in einem kleinen Team, während ein großes Team zeitgleich in der GPA-djp sitzt und bei wichtigen Themen Input gibt oder entscheidet, welche Punkte das kleine Team weiterverfolgen soll. Heuer sind die Verhandlungen besonders spannend: Dass die Forderungen der SWÖ-Beschäftigten durch Warnstreiks unterstützt wurden, gefällt Nerijus Soukup: „Für uns ist es sehr motivierend, dass die Sozialwirtschaft bei der Arbeitszeitverkürzung sehr hartnäckig ist. Es ist generell wichtig, dass wir uns gegenseitig motivieren und an Themen dranbleiben. So wie die KollegInnen der Sozialwirtschaft auf die Straße gehen und streiken, wollen auch wir beharrlich sein und unsere Anliegen gemeinschaftlich durchsetzen.“
Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/20.
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
sonja.fercher@oegb.at
oder an die Redaktion
aw@oegb.at