Innovative 1980er-Jahre
Viele der rund 200 Mitgliedsunternehmen von arbeit plus Österreich gehen auf die 1980er-Jahre zurück, die das Ende der Vollbeschäftigung einleiteten. Unter Sozialminister Alfred Dallinger wurden Ideen zur Unterstützung von Menschen entwickelt, die es allein nicht in den ersten Arbeitsmarkt schafften. Die ersten Sozialökonomischen Betriebe (SÖB) und Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte (GBP) entstanden.
„Die derzeitige Hochkonjunktur kommt natürlich auch unseren Betrieben zugute“, berichtet Parak. Erstmals seit längerer Zeit sinke die Arbeitslosigkeit auch bei Menschen ohne qualifizierte Ausbildung. Maßnahmen wie die nunmehr eingestellte Aktion 20.000 seien dennoch mehr denn je erforderlich. Rund 200 Personen waren im Rahmen des Pilotprojekts von der Stadt Wien und deren Unternehmen eingestellt worden.
Mit dem Strukturwandel könne die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes nicht mithalten. Industrie und Gewerbe wandern aus der Großstadt ab. Dazu Parak: „Niedrigqualifizierte kämpfen im Dienstleistungsbereich um schlecht bezahlte Jobs, die außerdem durch voranschreitende Automatisierung immer weniger werden.“
Die gelernte Glasmalerin Susanne G., 54, ist unversehens an den Rand gerutscht. Sie sucht seit 2016 Arbeit. Bis Anfang April läuft ihr Vertrag bei der Volkshilfe Wien SÖB, dem Betrieb, der Anfang 2016 durch Zusammenlegung mehrerer Teilprojekte entstanden war. Mit dem Räumungs- und Transportdienst, Secondhandshop, der Schneiderei, Wäscherei, Putzerei und dem Dyson Kundendienst ist er derzeit der größte sozialökonomische Betrieb in Wien.
Susanne arbeitet hier im Verkauf. „Ich bin treu“, sagt sie. In den über 30 Jahren ihres Berufslebens war sie bei nur drei Firmen, zwei davon gibt es nicht mehr. „Ich kann nicht mehr tun, als mit Ihnen Bewerbungen zu schicken“, hatte die nette AMS-Beraterin zu ihr gesagt, „es wird halt nicht viel bringen.“
Wiedergewonnenes Selbstvertrauen
Sie solle nicht so wählerisch sein, hört Susanne oft. Manchmal kommt sie aber auch in die engere Auswahl – ihr wiedergewonnenes Selbstvertrauen trägt dazu bei. „Das Programm hier ist eine Überbrückung, aber man hat zumindest einen Platz, wird aufgerichtet, hat wieder mehr Selbstwertgefühl. Es geht ja nicht nur um die Arbeit, sondern auch um das Soziale. Jeder hat persönliche Probleme mit dem Altern und dann kommt das Finanzielle dazu. Es heißt: ‚Man muss auf die Erfahrung der Älteren zurückgreifen.‘ Ich habe eher das Gefühl, ein Wohnsilo soll her. Da stecken wir die Alten rein und machen die Türen fest zu.“
Die dreisprachige Sekretärin Michaela Z., derzeit im „SÖB-Front-Office“ beschäftigt, ist seit 2014 auf der Suche. „Ihr Lebenslauf ist fantastisch“ und Ähnliches hört sie oft. „Jemand, der noch nicht länger arbeitslos war, denkt vielleicht, das ist wie Urlaub“, sagt sie und seufzt. Sie ist in eine kleinere Wohnung umgezogen, „um sich die Arbeitslosigkeit leisten zu können. Hier im Teamwork ist man wieder jemand“, sagt sie, „man ist wieder dort, wo man aufgehört hat. Man weiß: Ich kann noch mit Menschen umgehen. Nach einem halben Jahr ist das vorbei. Das trübt.“
„Dass der Wert eines Menschen nur an der Arbeitskraft hängt, hat fast etwas Religiöses“, sagt Manfred K., Magister der Philosophie und studierter Historiker. Seine Pensionierung ist nicht mehr weit. „Sie sehen“, sagt er und deutet auf seinen Lebenslauf, „ich bin Akademiker und jetzt im Lager tätig. Aber ich bin nicht der Einzige. Ich habe andere ‚Studierte‘ getroffen, die auch positiv gestimmt waren, weil sie wieder etwas tun, wieder miteinander kommunizieren können.“ In der Arbeitslosigkeit lebe man oft am Existenzminimum, müsse auf vieles verzichten. Durch das Einkommen bei der Volkshilfe geht es ihm und seiner Frau momentan besser. Sie haben einen neuen Durchlauferhitzer angeschafft.