Reportage: Keine Frage des Alters

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Regelmäßige AMS-Termine, unzählige Bewerbungen, seltene Vorstellungsgespräche: Wer arbeitslos ist, muss sich mitunter auf eine längere Jobsuche einstellen. Sandra Knopp und Udo Seelhofer gingen der Frage nach, warum immer mehr Menschen langzeitarbeitslos sind und wie man diesem Problem entgegenwirken kann.

Zehn Jahre auf Arbeitssuche

Einer dieser Kollegen ist Helmuth. „Ich bin schon das dritte Mal hier und mittlerweile seit drei Monaten.“ Helmuth ist im Inigo-Service tätig. Auf Arbeitssuche ist er bereits seit zehn Jahren. „Es ist kein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man arbeiten kann und wegen des Alters nicht genommen wird, weil die Menschen glauben, dass man nicht mehr voll einsatzfähig ist.“ Bewerbungen hat er schon unzählige geschrieben, gebracht hat es nichts. „Man hört dann immer: ‚Sie sind überqualifiziert‘, aber eigentlich heißt das ‚Sie sind zu alt‘“, erzählt Helmuth mit einem bitteren Lachen.

Erfahrung zähle heute nichts mehr. „Die Menschen schauen nur noch aufs Geld. Ist jemand jünger, dann ist er günstiger und wird genommen.“ Vor seiner Zeit im Inigo war er selbstständig, hatte zwei Lokale. Solange Helmuth noch arbeiten kann, möchte er die Möglichkeit dazu haben. „Sonst wäre ich nicht hier. Ich fühle mich fit genug. Wenn man zu Hause ist und nichts zu tun hat, fühlt man sich ungebraucht und ungewollt. Das ist kein schönes Gefühl.“

Foto (C) Michael Mazohl
Aus Alt mach Neu: Im Demontage- und Recycling-Zentrum (DRZ) werden alte Stereoanlagen, Plattenspieler und alte Radios repariert und im Shop verkauft. Verantwortlich dafür ist die Abteilung ReUse unter dem Leiter ­Günther Zach. Auch hier arbeiten FachanleiterInnen mit Transitarbeitskräften zusammen.

Aus der Gesellschaft ausgeschlossen

Längere Arbeitslosigkeit ist nicht nur für die Generation 50 plus ein Problem, sie betrifft auch jüngere Menschen. Manfred ist seit drei Jahren auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung, davor hatte er einen Bürojob im Gesundheitsbereich. „Leider hat da die Chemie mit der Chefin nicht gepasst.“ Seit er gekündigt wurde, schreibt Manfred die vom AMS vorgegebenen Bewerbungen. Sein Schwerpunkt ist derzeit aber ein anderer: „Ich habe die Matura nachgeholt und möchte studieren. Was genau, weiß ich aber noch nicht, Buchhaltung würde mich interessieren.“ Am liebsten hätte er einen Facharbeiterjob, bei dem er selbstständig arbeiten kann. An seinem früheren Beruf gefiel ihm, dass er eine gewisse Verantwortung hatte: „Ich fühlte mich als wichtiger Teil der Gesellschaft – als Langzeitarbeitsloser bist du das nicht. Da wirst du immer wieder von oben herab behandelt. Auch im eigenen Freundeskreis.“

Der 30-jährige Richard arbeitet im Demontage- und Recycling-Zentrum DRZ (www.drz-wien.at) im 14. Bezirk. Er repariert Geräte und führt Sicherheitstests durch. Richard hat eine wirtschaftliche Ausbildung gestartet, dann aber eine Mechatroniker-Lehre absolviert. Danach wollte er sich fachlich weiterbilden, war länger auf Jobsuche. „Ich kann hier meine Fertigkeiten vertiefen.“ Er ist sich sicher, dass eine Tätigkeit im DRZ den Makel „Langzeitarbeitslosigkeit“ aufhebt. Das DRZ ist auf Wiederaufbereitung und Verkauf alter Elektrogeräte spezialisiert – 65 Transitarbeitskräfte zerlegen, reparieren oder verarbeiten diese unter fachlicher Anleitung. Floppy-Disks und Schallplatten werden zu schicken Uhren und Schmuck, sandgestrahlte Waschmaschinen-Bullaugen zu Schüsseln. Im hausinternen Geschäft und Webshop werden die Neuschöpfungen verkauft. Richard ist einer der wenigen jüngeren ArbeitnehmerInnen. „Zwei Drittel unserer Beschäftigten sind über 50“, erklärt Isabelle Nagl, Leiterin der Sozialarbeit im DRZ. Gibt es Vermittlungshemmnisse, wird versucht, sie abzubauen – dabei hilft den Betroffenen die DRZ-Tätigkeit. „Die Klienten werden zunächst stabilisiert, ein Arbeitsalltag aufgebaut und dann geht es um die Jobsuche.“ Dieser Prozess kann auch einige Zeit in Anspruch nehmen. Nagl: „Manche Hemmnisse, wie Erkrankungen oder Schulden, können nur langfristig verbessert werden.“ Das Alter selbst bleibt als Hürde freilich bestehen.

Foto (C) Michael Mazohl
Das Restaurant Inigo in der Wiener Innenstadt wurde 1992 gegründet und ist der älteste ­sozialökonomische Betrieb der Caritas in Wien. Arbeitssuchende mit Grundwissen in der Gastronomie erlangen hier wieder Berufs­praxis. Der Arbeitsplatz ist auf sechs Monate befristet, SozialarbeiterInnen unterstützen bei ­Problemen. Für Projektleiterin Trixi Pech ist es wichtig, Betroffenen Selbstzweifel zu nehmen: „Im Verlauf der ersten Tage zeigt sich, dass diese unbegründet sind, und der Selbstwert steigt.“ Wichtig sind Höflichkeit und Pünktlichkeit. Wenn ein Arbeitstag um 8 Uhr startet, müssen die Transitarbeitskräfte einsatz­bereit sein. Das Inigo umfasst inzwischen ein Catering, die Versorgung der BewohnerInnen und der Kantine im Senioren- und Pflegehaus sowie das Café in der Schönbrunner Straße 295.

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