Zu Hause fällt dir die Decke auf den Kopf
Für Michaela stand fest, etwas Handwerkliches zu tun. In der Holzwerkstatt restauriert sie seit einem Jahr Möbel, bemalt Kommoden und schleift Kästen. Begleitet wird sie dabei von Astrid Hemmer. Für viele Frauen im Projekt ist sie nicht nur Arbeitsanleiterin, sondern auch Vorbild. „Anfangs sagen viele: ‚Was mach ich in einer Holzwerkstatt, ich kann doch keine Bohrmaschine bedienen?‘“, erzählt Hemmer. „Aber sobald sie erstmals gesägt oder gehobelt haben, wollen sie nicht mehr weg.“ Auch Michaela war skeptisch: „Ich konnte nicht mal einen Dübel in die Wand bohren mit der passenden Schraube dazu.“
Anfangs sagen viele: ‚Was mach ich in einer Holzwerkstatt, ich kann doch keine Bohrmaschine bedienen?‘ Aber sobald sie erstmals gesägt oder gehobelt haben, wollen sie nicht mehr weg.
Astrid Hemmer, Arbeitsanleiterin bei MAGMA
Mittlerweile bedient sie die Kappsäge und hat zwei Hochbeete für den Gemeindekindergarten gebaut. Die Kommoden, die sie bemalt hat, sind in einer Auslage auf der Hauptstraße ausgestellt. „Ich lerne hier Dinge, die ich im Leben brauchen kann. Was Besseres konnte mir nicht passieren.“ Warum sie beim Projekt mitmacht? „Anfangs war es durchaus bequem zu Hause“, erinnert sie sich. „Aber irgendwann fällt dir die Decke auf den Kopf – immer nur putzen und das viele Alleinsein.“ Jetzt ist sie wieder regelmäßig unter Leuten und hat ihr eigenes Einkommen. Dabei ist Geld nicht der wichtigste Beweggrund, um arbeiten zu gehen. „Menschen wollen etwas Sinnvolles tun“, so Scholl, „sie wollen einer Arbeit nachgehen, in der sie Anerkennung erfahren. Geld motiviert höchstens kurzfristig.“
Wieder Mut fürs Leben
Obwohl viele in der Gemeinde die Initiative loben, gibt es auch andere Stimmen. „Manche reden schlecht über uns, bezeichnen uns als Sozialschmarotzer“, so Michaela. Dabei zeige sich jeden Tag, wie sich die Leute hier zum Positiven verändern, von der Körperpflege bis zur Haltung. Früher seien viele Arbeitslose geduckt durch den Billa geschlichen, in der Hoffnung, nicht gesehen zu werden. Heute gehen sie aufrecht durch die Gemeinde. „Da frag ich mich: Wie können einige immer noch so schlecht reden? Dass du hier Mut fasst fürs Leben, dich wieder raustraust, Teil der Gesellschaft bist … das interessiert die nicht.“
Manche reden schlecht über uns, bezeichnen uns als Sozialschmarotzer. Da frag ich mich: Wie können einige immer noch so schlecht reden? Dass du hier Mut fasst fürs Leben, dich wieder raustraust, Teil der Gesellschaft bist … das interessiert die nicht.
Michaela, Teilnehmerin bei MAGMA
Zum Glück sei das nicht die Mehrheit. Und für Michaela zählt vor allem, wie es ihr geht, seitdem sie wieder Arbeit hat: „Ich hab wieder Selbstbewusstsein bekommen, gehe nicht mehr unterirdisch durch Gramatneusiedl. Nach der Arbeit fahr ich sogar mit den Arbeitsklamotten heim, weil ich stolz bin.“ Ein Stellenangebot hat sie auch schon bekommen: Seit November arbeitet sie geringfügig beim Bestattungsunternehmen im Ort, als Reinigungskraft und in der Gartenpflege. Und vielleicht darf sie bald Urnen bemalen – das wäre ihr größter Wunsch. Die erste Urne zum Testmalen ist schon bestellt.