Reportage: Keine Arbeitslosen mehr in Marienthal

Michaela baut Hochbeete für den Gemeindekindergarten, bemalt Kommoden oder upcycelt Schränke. Was Besseres als itworks hätte ihr nicht passieren können, sagt sie. Hier lernt sie Dinge fürs Leben.
(C) Markus Zahradnik

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Projekt MAGMA für Langzeitarbeitslose
  2. Seite 2 - Was Teilnehmerinnen berichten
  3. Seite 3 - Drei Fragen zum Thema an Hannah Quinz, Institut für Soziologie
  4. Auf einer Seite lesen >
Kann man Langzeitarbeitslosigkeit abschaffen? Kann man, sagt das AMS Niederösterreich. Seit einem Jahr erhalten alle Langzeitarbeitslosen der Gemeinde Gramatneusiedl einen garantierten Arbeitsplatz. Was Arbeit mit Menschen macht? Ein Lokalaugenschein.
Michaela ist 53 Jahre alt und arbeitet seit einem Jahr in der Holzwerkstatt in Gramatneusiedl. Davor war sie eineinhalb Jahre arbeitslos. Beworben hat sie sich unzählige Male, im Büro oder als Reinigungskraft – Antworten hat sie selten erhalten. Dass sie nun jeden Tag in die Arbeit radeln kann und sich sogar darauf freut, damit hat sie nicht mehr gerechnet. Sie ist eine von 81 Teilnehmer:innen im Projekt MAGMA, das allen Langzeitarbeitslosen in Gramatneusiedl einen geförderten Arbeitsplatz garantiert.

MAGMA steht für „Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ und ist ein weltweit einzigartiges Pilotprojekt des AMS Niederösterreich. Ziel ist es, Langzeitarbeitslosigkeit in Gramatneusiedl – zu dem Marienthal gehört – abzuschaffen. Wer über ein Jahr arbeitslos ist und beim Projekt mitmacht, wird in einem geförderten Dienstverhältnis bei itworks Personalservice und Beratung angestellt und nach Kollektivvertrag entlohnt. Seit Oktober 2020 gibt es keine langzeitarbeitslose Person mehr in der Gemeinde.

Was macht MAGMA anders?

Die Skepsis der Teilnehmer:innen zu überwinden war anfangs die größte Schwierigkeit, erzählt Daniela Scholl, Projektleiterin bei itworks. Das Erfolgsrezept setzt auf Beteiligung: Alle Teilnehmer:innen waren von Beginn an mit im Boot, nach dem Motto: Ihr habt die Erfahrung in der Gemeinde, ihr wisst, was es braucht. So sind die ersten Ideen entstanden: Altersbegleitung, Jugendarbeit, Renovierung einer alten Werkstatt, Projekt-Newsletter, ein Buch über Gramatneusiedl, eine Mediathek, Grünraumpflege etc.

Wir haben viel länger Zeit, die Teilnehmer:innen sinnvoll zu begleiten und mit ihnen gemeinsam ihre Arbeitskompetenzen zu erweitern.

Daniela Scholl, Projektleiterin bei itworks

Beschäftigungsprojekte für langzeitarbeitslose Personen gibt es wie Sand am Meer. Allerdings enden die meistens nach sechs bis neun Monaten, danach kehren die sogenannten Transitarbeitskräfte zum AMS zurück. MAGMA dauert dreieinhalb Jahre. „Wir haben dadurch viel länger Zeit, die Teilnehmer:innen sinnvoll zu begleiten und mit ihnen gemeinsam ihre Arbeitskompetenzen zu erweitern“, so Daniela Scholl. Während der achtwöchigen Vorbereitungsmaßnahme trainieren sie Vorstellungsgespräche, arbeiten an ihrer Kommunikation und Körpersprache, vertiefen EDV-Kenntnisse und reflektieren ihr Selbstbild. Wie motiviert bin ich, eine neue Arbeit zu suchen? Wie verwirkliche ich Ziele in meinem Leben? Wo liegen meine Stärken?

Die Teilnehmer:innen sind zwischen 18 und 60 Jahre alt, haben einen Pflichtschulabschluss oder ein Doktorat, manche sind erst ein Jahr, andere schon über zwanzig Jahre arbeitslos. Ihre Gemeinsamkeit: Sie finden schwer Arbeit auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt. MAGMA bietet ihnen Chancen – und stellt dabei eine einfache Rechnung an: Arbeitslosigkeit kostet die Gesellschaft jährlich circa 30.000 Euro pro Person. Ein geförderter Arbeitsplatz ebenso viel. Warum also Arbeitslosigkeit finanzieren und nicht Arbeit?

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Projekt MAGMA für Langzeitarbeitslose
  2. Seite 2 - Was Teilnehmerinnen berichten
  3. Seite 3 - Drei Fragen zum Thema an Hannah Quinz, Institut für Soziologie
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Über den/die Autor:in

Irene Steindl

Irene Steindl studierte Publizistik mit Schwerpunkten in Politikwissenschaft und Gender Studies an der Universität Wien. Aufgewachsen in einer Umgebung von Bleilettern und Druckmaschinen sowie sozialisiert durch die Gewerkschaftsbewegung, entwickelte sie früh eine Leidenschaft für die Arbeit&Wirtschaft. Seit 2012 ist sie als freie Journalistin tätig und gibt Schreibworkshops für Unternehmen. Von 2023 bis 2024 war sie Chefin vom Dienst bei der Arbeit&Wirtschaft.

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