Als Lehrling ständig Schülerin zweiter Klasse zu sein nervt
Stephanie Grguric hat während der Pandemie eine Lehre als ausgebildete Bürokauffrau mit Matura gemacht. Die 19-Jährige ist auch in der Gewerkschaft tätig und sagt: „Das Hauptproblem ist, dass sich die meisten jungen Menschen total vergessen und nicht wahrgenommen fühlen.“ Sie hätten zwei Jahre nur gearbeitet und gelernt und keine Freizeit gehabt. „Da blieb nichts übrig. Manche waren regelrecht eingesperrt.“ Folgen seien neben psychischen Problemen auch der Rückgang von sozialen Kompetenzen. „Es geht da draußen einigen wirklich dreckig, und die sind gerade mal 15 oder 16 Jahre alt“, betont die Wienerin im Gespräch. Ihre langen Haare schiebt sie während des Videotelefonats mehrmals mit der Sonnenbrille nach hinten.
Grguric begann 2018 bei der Stadt Wien als Verwaltungsassistentin und konnte ein Jahr erleben, wie sich eine Lehre ohne Pandemie anfühlt. Gestartet hätten alle zusammen bei einem Treffen im Rathaus. Danach folgten Seminare und Berufsschule. „Wir konnten uns connecten und uns als Gruppe fühlen.“ Im Jahr darauf war alles weg. „Dieser Jahrgang war total auf sich allein gestellt.“ Die Berufsschule fand zuerst komplett im Distance-Learning statt, danach folgte sogenannter Hybridunterricht, bei dem sie sich mit der Anwesenheit abwechselten. „Wir Berufsschüler:innen haben uns während der Pandemie als Schüler:innen zweiter Klasse gefühlt.“
Dieser Jahrgang war total auf sich allein gestellt.
Stephanie Grguric, ehem. Lehrling
Von der Regierung vergessen
Besonders deutlich sei das bei Pressekonferenzen der Fall gewesen. Nie seien Jugendliche, Schüler:innen oder Lehrlinge vorgekommen. Politisches Interesse von Jugendlichen ist so nicht zu erwarten. Oft bekamen sie erst am Sonntag von ihren Berufsschulen Bescheid, ob sie am Montag kommen durften oder nicht. „Die Berufsschulen wurden vonseiten der Regierung jedes Mal vergessen.“ Als Beispiele nennt Grguric auch die Ausstattung mit Antigen-Tests, Masken und digitalen Ressourcen. Erst durch massiven Druck der Gewerkschaft sei das bereitgestellt worden. „Ich bin enorm enttäuscht von der Regierung.“ Auch bei der Berufsmatura bekam sie keine Erleichterung, obwohl sie genauso im Distance-Learning stattfand wie in der AHS. Als Grund wurde genannt, dass es eine Zeugnisnote bräuchte, die es bei den Modulen nur indirekt gibt. Das hätte man alles ändern können, wenn man gewollt hätte, ist sich Grguric sicher. „Wir sind die Fachkräfte, von denen alle immer reden, und trotzdem werden wir andauernd vergessen.“ Für die Wienerin hängt das stark mit der Außenwahrnehmung der Ausbildung zusammen. Für viele sei die Lehre immer noch etwas für die, die die Matura und Studium nicht packen. „Derweilen sind wir die mit einer fertigen Ausbildung.“