2. Persönliche Beratung
Wenn nötig, dann ist auch sofortiges Eingreifen direkt nach der ersten Kontaktaufnahme mit der AK möglich. Das ist allerdings selten der Fall. Ratsuchende erhalten normalerweise innerhalb von ein bis zwei Wochen einen Termin. In der Regel ist diese Wartezeit auch sinnvoll, weil sie eine Art „Abkühlphase“ für die Betroffenen darstelle, erklärt Hans Trenner und appelliert an die Geduld. „Wir können die Emotionen zwar gut verstehen, als Juristen aber wenig damit anfangen. Mit einigen Tagen Abstand können die Probleme dann wesentlich sachlicher dargestellt und mit unseren ExpertInnen entsprechend besprochen werden.“ Neben Einzelberatungen, die im Normalfall rund 30 Minuten dauern, werden auch Gruppenberatungen zu bestimmten Themen wie etwa Schwangerschaft, Karenz oder Teilzeit angeboten.
Eindeutig unerfreulich ist der Anlass, aus dem sechs (ehemalige) Mitarbeiter einer Baufirma auf einer Bank im Wartebereich der Arbeiterkammer Wien sitzen. Sie sind gemeinsam zu einer Gruppenberatung gekommen, weil sie nach einem Betriebsübergang praktisch über Nacht ihre Jobs verloren haben. „Außer uns sind noch einige andere Kollegen betroffen, die waren heute verhindert“, erzählt der Techniker und Bauleiter Michael K. (Name von der Redaktion geändert, Anm.) „Manche waren schon mehr als 20 Jahre beim alten Unternehmen angestellt. Kurz nachdem der Juniorchef am Ruder war, wurde der Betrieb verkauft, an wen wissen wir nicht. Dann wurden alle gekündigt.“ Ausständig sind noch die Löhne und Gehälter für mehrere Monate. Der neue Eigentümer ist unbekannt und Briefe an den früheren Besitzer kommen als unzustellbar wieder zurück. „Wir wollen das Geld, das uns zusteht, und gehen dafür falls nötig auch vor Gericht, mit Unterstützung der Arbeiterkammer.“
Rechtzeitig schlaumachen
2017 haben die AK-ExpertInnen österreichweit rund zwei Millionen Beratungen durchgeführt, darunter mehr als 1,3 Millionen in arbeits-, sozial- und insolvenzrechtlichen Fragen. Wichtig sei, so Trenner, dass Betroffene im Konfliktfall nicht zu lange zögern, bevor sie sich beraten lassen. „Sich rechtzeitig schlauzumachen ist auch wichtig, damit nicht womöglich irgendwelche Fristen versäumt werden.“ Wird etwa gegen eine Kündigung in Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nicht zeitnah Einspruch erhoben, kann dies vom Arbeitgeber als stillschweigendes Einverständnis gewertet werden.
Aus welchen Branchen kommen die meisten Ratsuchenden? Seit mehr als 25 Jahren ist das Bau(neben)gewerbe führend. Es gibt Probleme mit undurchsichtigen Konstruktionen in Verbindung mit Subunternehmen, Konflikte in Zusammenhang mit Konkursen und Betriebsübergängen. Die Beschäftigten sind oft gut bezahlt, aber nicht angemeldet. Auf Platz zwei liegt das Gastgewerbe. 80 Prozent der Mitglieder, die sich an die AK wenden, wurden schon längere Zeit nicht korrekt entlohnt oder angemeldet. „Viele Beschäftigte nehmen das so lange in Kauf, bis es zu einem akuten, oft persönlichen Konflikt kommt, der sozusagen das Fass zum Überlaufen bringt“, berichtet Trenner. An dritter Stelle der Hitliste für schwarze Schafe findet sich der Handel. Typisch in diesem Bereich sind unbezahlte Überstunden. Und nicht selten ist es schwierig, überhaupt festzustellen, wer eigentlich der Arbeitgeber ist.
Nach wie vor sei in diesen Branchen illegales Vorgehen an der Tagesordnung: „Köche werden nicht angemeldet, sondern bekommen nach zwölf oder mehr Stunden 90 Euro bar auf die Hand. VerkäuferInnen sind offiziell geringfügig beschäftigt und arbeiten regelmäßig wesentlich länger. Daher ist auch die 12-Stunden-Regelung so problematisch. Denn im Falle von unbezahlten Überstunden unter zwölf Stunden müssen Betriebe jetzt jedenfalls den Arbeitsinspektor nicht mehr fürchten, weil dies ja keine Übertretung im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellt.“ Im Übrigen steht jeder dritte Fall von unbezahlten Überstunden, Nichtmeldung und Ähnlichem in Zusammenhang mit allgemeinen Zahlungsschwierigkeiten der Arbeitgeber. Nicht selten stellen daher die Krankenkassen oder die AK selbst Konkursanträge.