Zugang verschärft
Dennoch werde es zunehmend schwerer, leistbaren Wohnraum bereitzustellen, sagt Reiter. „Wir reden regelmäßig mit Bauträgern, Genossenschaften und Wiener Wohnen. Was sich bei allen zeigt: Erwerbseinkommen, soziale Unterstützungsleistungen wie etwa die Mindestsicherung und die Wohnkosten gehen immer weiter auseinander.“ Reiter kritisiert auch die öffentliche Hand: „Dort wo Wohnbauförderungen und Steuergelder hineinfließen, gibt es für Armutsbetroffene und Wohnungslose wenig Hilfestellung, leistbaren Wohnraum zu finden.“ In den letzten Jahren wurden Zugangsregeln verschärft. Menschen, die um eine Gemeindewohnung ansuchen, müssen zwei Jahre durchgehend in Wien gemeldet sein. „Für Obdachlose ist das schon fast ein K.-o.-Kriterium. Wohnungslosigkeit führt oft zu Meldelücken.“ Diese Änderung ist für Reiter nicht nachvollziehbar. „Von einem Jahr aufs andere bekamen wir von Wiener Wohnen 140 Wohnungen weniger zugewiesen. Bis dahin hat es immer gereicht, wenn unsere SozialarbeiterInnen etwa mit AMS-Bezügen nachweisen konnten, dass Betroffene in Wien aufhältig waren.“
Reiter fordert, dass Obdachlosigkeit als Dringlichkeitsgrund bei der Wohnvergabe zu berücksichtigen wäre. Außerdem fordert er, dass bei befristeten Mietverträgen die Mindestfrist von drei auf zehn Jahre erhöht wird: „Das unterstützt Familien, da es durch Befristungen zu häufigen Wohnungswechseln mit immer teureren Mieten kommt.“
Wer bei der Josefstädter Straße in Wien aus der U6 aussteigt und einmal um die Station geht, dem kann es passieren, dass er auf eine Gruppe von Menschen trifft, die vor einer grünen Tür auf Einlass warten. „wieder wohnen“ steht auf dem Schild darüber und gleich darunter „Josi – Tageszentrum für Obdachlose und Straßensozialarbeit“. „Wir dürfen nur 100 Menschen gleichzeitig ins Gebäude lassen. Wenn wir voll sind, müssen die anderen leider warten, bis jemand geht“, erklärt Leiterin Nora Kobermann. Im Josi selbst können Menschen all das machen, was sie auch in einer eigenen Wohnung tun können: duschen, Wäsche waschen, kochen, Schach spielen oder sich entspannen. In Depots kann persönliches Hab und Gut verwahrt werden.
An der Theke gibt es Kaffee, Tee, Brot, Marmelade und Butter. „Wir helfen den Menschen, aus ihrer Situation herauszukommen, indem wir Nachtquartiere und Übergangswohnungen vermitteln“, sagt Kobermann. Josi unterstützt die Menschen bei der Geltendmachung von Ansprüchen wie der Mindestsicherung und AMS-Leistungen. „Zentral ist die Beschaffung von Dokumenten. Diese gehen auf der Straße oft verloren oder werden gestohlen.“
So nützlich und wertvoll Einrichtungen wie das Josi auch sind – Barbara war dort eher selten anzutreffen. „Ich wollte nicht mit den immergleichen schlimmen Schicksalen konfrontiert sein. Das zieht einen nur runter.“ Den Tag hat sie anders verbracht: „Ich habe den Kulturpass und bin damit ins Museum gegangen. Da konnte ich mir dann wenigstens einreden, dass das jetzt etwas Sinnvolles war“, sagt sie lachend. Die Wohnungssuche ist für Barbara gut ausgegangen: Seit einigen Wochen hat sie eine neue Bleibe. Ihr nächstes Ziel ist ein Job als Fremdenführerin. Die Ausbildung dazu hat Barbara bereits begonnen.
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/17.
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
udoseelhofer426@msn.com
sandra.knopp@gmx.at
die Redaktion
aw@oegb.at