Reportage: Geballte Einheit trotz Veränderung

Inhalt

  1. Seite 1 - Kampf um Arbeitsplätze
  2. Seite 2 - Wenn Maschinen Menschen ersetzen
  3. Seite 3 - Angleichung von Rechten der ArbeiterInnen und Angestellten
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Bei Manner engagieren sich ArbeiterInnen- und Angestelltenbetriebsrat Seite an Seite für die Beschäftigten. Die beiden Vorsitzenden befürchten eine Schwächung, sollte die Regierung die Gremien zusammenlegen. Ein Lokalaugenschein in der Hernalser Schokowaffelfabrik.

Noch Seite an Seite

Noch arbeiten Hackl und Freudenschuss Seite an Seite und in zwei getrennten Körperschaften. Wenn es nach den Plänen der Regierung geht, sollen diese zusammengelegt werden. Das Argument: Dies sei der letzte Baustein der Angleichung von Rechten der ArbeiterInnen und Angestellten. Damit aber werden Äpfel mit Birnen verglichen, ärgert sich Martin Müller, ÖGB-Experte für Sozialpolitik.

Denn die Angleichung der Rechte sei das eine, die Zusammenlegung von Betriebsräten das andere. Bei Ersterem ging es um individuelle Rechte der ArbeiterInnen, sprich ab 1. Juli 2018 wird die Entgeltfortzahlung vereinheitlicht, ab 2021 gelten für ArbeiterInnen die längeren Kündigungsfristen der Angestellten. „Der große Fortschritt liegt darin, dass schon nach einem Jahr Dienstverhältnis in beiden Gruppen ein Anspruch auf acht Wochen Entgeltfortzahlung besteht. Bisher waren es fünf Jahre“, erklärt Müller. Völlig anders verhält es sich mit den Vorschlägen, die im Regierungsprogramm erwähnt sind. Sie gehen davon aus, dass Angestellten- und ArbeiterInnenbetriebsrat ein gemeinsames Gremium bilden sollen – mit der zu befürchtenden Konsequenz, dass es in den Betrieben weniger Mandate gibt, also auch weniger Personen, die dann die MitarbeiterInnen vertreten können, und auch weniger Freistellungen für Betriebsräte. Derzeit existiert mit dem Betriebsausschuss bereits ein gemeinsames Gremium von ArbeiterInnen und Angestellten, und sie können einen gemeinsamen Betriebsrat wählen.

Beide Gruppen haben jedoch unterschiedliche Anliegen: einerseits etwa funktionale Arbeits-Schichtmodelle, andererseits u. a. intelligente Gleitzeitregelungen aufseiten der Angestellten. Wer hier also von Angleichung oder Anpassung spricht, irrt, wie Martin Müller warnt. „Weshalb sollten sie gezwungen sein, eine gemeinsame Körperschaft zu bilden?“, fragt sich der ÖGB-Experte. „Das ist nur Propaganda, und zu sagen, der Arbeitgeber erspart sich dadurch bürokratischen Aufwand, ist eine Unterstellung.“

Bereits seit dem Betriebsrätegesetz von 1919 existieren getrennte Körperschaften. Müller spricht auch von einem „historischen, soziologischen Unterschied“: ArbeiterInnen waren in der Produktion tätig, die Angestellten übten die Funktion der Vorgesetzten aus. „Angestellte sind zwar nicht auf der ‚anderen Seite‘, doch die Arbeiter wollen sich nicht unbedingt von den Vorgesetzten vertreten lassen.“ Die Gruppen sollten sich jeweils selbst vertreten können.

Schlicht und schlecht: Vonseiten der Politik wird also eine Reduktion der BelegschaftsvertreterInnen angestrebt. Christian Hackl vergleicht den Betriebsrat mit einem „praktischen Arzt“: „Es ist halt ein Unterschied, ob 500 oder 1.000 PatientInnen betreut werden müssen. Die Menschen können halt nicht mehr so gut versorgt werden. Werden die Betriebsräte reduziert, ist das eine massive Verschlechterung, weil die Ressourcen schmäler werden.“ Die Betriebsratsvorsitzenden bei Manner sehen allenfalls einen Vorteil für das Unternehmen: „Wir hätten weniger Zeit und müssten mehr Leute betreuen.“ Peter Freudenschuss hat bereits eine Idee, wie man dies abfedern könnte: „Wenn es dazu kommt, dann werden wir uns die Freistellung aufteilen.“

ÖGB-Experte Müller gibt zu bedenken: „Jetzt sehen manche die Chance, die Mitbestimmung zu reduzieren. Eine statt zwei Körperschaften bedeutet, ich habe weniger Menschen in der Belegschaft, die sich beteiligen. Die Kostenersparnis ist lächerlich.“ Doch die Stärke der Gewerkschaften hängt sehr von den Betriebsratsmitgliedern ab, die sich engagieren. Martin Müller: „Sie wollen uns die Basis abgraben.“ Neben diesen noch recht oberflächlich formulierten Absichten des Regierungsprogramms ist jedoch die Abschaffung des Jugendvertrauensrates (JVR) ein sehr konkretes Anliegen. „Der JVR ist unser Nachwuchs, seine Mitglieder sind das Rückgrat der Gewerkschaftsjugend“, macht Müller deutlich. „Damit würde der ÖGB geschwächt, und darum geht es.“

Foto (C) ÖGB-Verlag | Michael Mazohl
In der Produktion gestartet, in vielen Abteilungen und unterschiedlichen Jobs tätig, ist ArbeiterInnenbetriebsrats­vorsitzender Christian Hackl heuer seit 15 Jahren im Unternehmen.

Nicht kampflos

Für den Ernstfall einer Zusammenlegung der Körperschaften hoffen Christian Hackl und Peter Freudenschuss zumindest auf eine Änderung der Freistellungsgrenzen. „Gewünscht wird ein Betriebsrat, der resigniert hat, sich nichts mehr traut und zu allem ja und amen sagt“, sind die beiden überzeugt. „Ich glaube aber nicht, dass ein Betriebsrat, der alles abnickt, der Idealfall für eine Firma ist. Der Betriebsrat ist ja ein Bindeglied“, sagt Hackl. „Kampflos dürfen wir das nicht über uns ergehen lassen. Wir ziehen an einem Strang, wir Manner-Betriebsräte sind alle Kämpfer und werden uns nichts gefallen lassen“, sind sich ArbeiterInnen- und Angestelltenbetriebsrat einig.

Von
Sophia Fielhauer-Resei

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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