Ungeheure Geschwindigkeit
Mittlerweile wird kaum mehr etwas mit dem Gabelstapler bewegt. Und gab es bis vor Kurzem noch neun Lifte mit jeweils einem Aufzugswart, so wird die Ware nun durch eine Zentral-Fördertechnik automatisch von einem Stockwerk ins andere befördert. Im obersten Stock werden Cremen produziert, einen Stock tiefer Waffeln gebacken, ganz unten wird verpackt. „Die ungeheure Geschwindigkeit dieser Maschinen ist eine Herausforderung für die MitarbeiterInnen“, weiß Freudenschuss. „Das kann eine Hand gar nicht mehr schaffen. Als ich hier angefangen habe, konnte ich noch mit freiem Auge erkennen, wie die Schnitten verpackt wurden.“ Heute muss bei der Suche nach einem Fehler eine Hochgeschwindigkeitskamera eingesetzt werden. Im unteren Gebäudebereich wird palettiert und ausgeliefert. Doch streikt der automatische Lift, „bringst du die Ware nicht mehr ins Erdgeschoß runter“, zeigt sich Freudenschuss nicht nur begeistert von den technischen Möglichkeiten.
„Es ersetzt die Maschine halt immer mehr den Menschen“, fasst es ArbeiterInnenbetriebsrat Hackl zusammen. Doch ganz ohne humanes Zutun geht es nun auch nicht. „Es wird immer mehr qualifiziertes Fachpersonal gefordert. Allerdings ist es unser größtes Problem, diese Arbeitskräfte zu finden“, erklärt Peter Freudenschuss. Immer wieder werden Leiharbeitskräfte eingesetzt. Christian Hackl: „Das Unternehmensziel ist es aber, diesen Leiharbeiter-Anteil immer niedriger zu gestalten und eine Crew aufzubauen, die dann Jahre im Betrieb arbeitet“ – und die wenigen Tätigkeiten, die dann noch händisch zu machen sein werden, ausführt.
In Wien sind rund 300 Angestellte und 200 ArbeiterInnen tätig, in Wolkersdorf etwa 40 Angestellte und 150 ArbeiterInnen. Zusätzlich sind in Hernals noch um die 100 LeiharbeiterInnen tätig. „Die Zahl hängt von der Saison ab. Heute brauche ich fünf, morgen keinen“, sagt Freudenschuss. Und Hackl ergänzt: „Dennoch geht es den Leiharbeitern in Österreich um einiges besser, denn sie bekommen zum Beispiel das Gleiche bezahlt wie unsere Leute, sind im selben Kollektivvertrag und als Betriebsrat haben wir natürlich auch ein offenes Ohr für ihre Anliegen und unterstützen sie.“ Doch Fachpersonal kann nicht geliehen werden. „Leiharbeiter können wir nur für Hilfstätigkeiten aufnehmen, doch Mechatroniker mit Erfahrung brauchen wir wie einen Bissen Brot“, weiß Freudenschuss. Im Produktionsbereich wird auch Bäcker-Personal benötigt.
Ofen-Gigant und Fünffach-Schichtung
Denn schließlich muss der Waffel-Ofen von Menschen bedient werden, die sich auch mit Mehl und Teig auskennen. Und es ist kein gewöhnlicher Backofen: Er zählt zu den weltweit größten und ist hochgradig automatisiert. „Es musste ein Schnitt in die Mauer gemacht werden, damit der Ofen überhaupt in der Produktion aufgestellt werden konnte“, erinnert sich Hackl. Mehrwert: Die Abwärme aus dem Backprozess wird in das lokale Fernwärmenetz eingespeist und erhitzt Heizung und Wasser für rund 600 Haushalte in der Umgebung. Ein Industrie-Bäcker bedient den Ofen-Giganten per Touch-Display, stellt die Parameter ein und zieht Teigproben, um die Konsistenz zu überprüfen. Sollte sich etwas „verheddern, muss er sehr schnell eingreifen, damit die Maschine nicht zum Stillstand kommt“, erklären die Betriebsratsvorsitzenden. Dieser Ofen-Gigant ist es auch, der heutzutage u. a. für jene ganz besonderen Schnitten sorgt – Nr. 239, vier Lagen Streichmasse zwischen fünf Lagen Waffeln. Seit 1889 und besser bekannt unter Manner Wien, Original Neapolitaner.
Vom Backen kleiner Waffeln ist das weit entfernt – die Maschine wirkt wie ein gigantisches Waffeleisen, mithilfe von Förderschnecken wird Waffel auf Waffel geschoben, mittels Streichkopf die Schoko-Haselnuss-Masse verteilt. Überdimensionale Manner-Platten drängen aus dem Ofen, werden abgekühlt und vom Schnitten-Schneider zerteilt. Jährlich produziert Manner etwa 48.000 Tonnen Süßwaren. Sämtliche Waffelprodukte, Biskotten, Kekse etc. werden in Hernals fabriziert – Dragiertes, Saison- und Schaumware in Wolkersdorf.