Reportage: Erntehelfer. Es geht um das Mindeste

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Erntearbeit gibt es, seit es Menschen gibt. Bis heute ist sie wichtig für die Versorgung mit Lebensmitteln. Gleichzeitig wird die Arbeit auf dem Feld oft lächerlich gering entlohnt. Auch in Österreich.

Unwissenheit wird ausgenutzt

Diese Situation wird von manchen Betrieben schamlos ausgenutzt. Sind die schwarzen Schafe Einzelfälle? „Ausnahmen sind das nicht. Dafür sind die Fälle zu häufig“, meint Senol Atic. Um die Kosten für das Beschäftigen von SaisonarbeiterInnen zu drücken, sind Betriebe in der Vergangenheit immer wieder erschreckend kreativ geworden. Oft sei dabei die Unterbringung des Personals ein Thema. Dabei sind die Regeln eigentlich klar. Saisonkräfte haben Anspruch auf Wohnraum mit verschließbarem Schrank, mit separater Toilette und einem Waschraum. Eine Möglichkeit, Essen zuzubereiten, steht ihnen ebenso zu wie der Zugang zu einem Kühlschrank und zu einer Möglichkeit, die Arbeitskleidung zu trocknen. Gewerkschaftssekretär Alic hat schon die unterschiedlichsten Unterbringungsmodelle gesehen: „Manche Bauernhöfe haben eigene Zimmer für Erntepersonal. In anderen Betrieben werden Wohncontainer aufgestellt. Aber es kommt auch vor, dass Mitarbeiter in Containern zusammengepfercht werden und hausen müssen wie im Hühnerstall.“

Foto (C) PRO-GE
Die zwei Brüder Andrei und Bogdan
Oancea aus Rumänien arbeiteten jahrelang als Erntehelfer in Österreich. Mitten im ­reichen Tirol wurden sie ausgebeutet –
bis sie sich erfolgreich zur Wehr setzten.

Umgangene Regeln

Allgemein ist es üblich, dass Betriebe ihren ErntearbeiterInnen die Unterbringung und Verpflegung in Rechnung stellen. Dafür dürfen sie allerdings nicht mehr als 6,54 Euro am Tag verrechnen. Und darin sollten drei Mahlzeiten sowie Snacks und Getränke während der Pausen enthalten sein. Bei der Bezahlung von Urlaub und Überstunden wird ebenfalls regelmäßig getrickst. Und auch Sonntagsarbeit ist ein Thema. Denn die ist in der Landwirtschaft verboten – es sei denn, es geht darum, eine Ernte vor dem Verderben zu schützen, zum Beispiel weil starker Regen droht. Wie genau es Betriebe mit dieser Regelung nehmen, variiert.

Was ErntehelferInnen zusteht, regeln seit März 2017 neue Kollektivverträge. Je nach Bundesland variieren die Lohnuntergrenzen. In Oberösterreich liegt das Stundensalär mit 6,78 Euro brutto am niedrigsten, in Salzburg mit 8,57 Euro am höchsten. Durchschnittlich liegt der Stundenlohn bei rund 7,55 Euro brutto und der Monatslohn bei ca. 1.300 Euro brutto.

So kommen ErntehelferInnen auf einen durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst von knapp 1.100 Euro. Das macht es für ArbeitnehmerInnen aus vielen Ländern im Osten und Südosten Europas attraktiv, mehrere Monate pro Jahr als ErntehelferIn nach Österreich zu kommen. Auch deshalb haben sich zum Anwerben von Arbeitskräften aus den östlichen EU-Staaten – vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn – professionelle Agenturen entwickelt, die ArbeiterInnen an landwirtschaftliche Betriebe vermitteln und teilweise auch den Transport übernehmen.

Foto (C) Ernst Weingartner / picturedesk.com
Menschen werden dort eingesetzt, wo sie günstiger sind als Maschinen oder es (noch) keine Maschinen gibt, die diese Arbeit
bewerkstelligen können – beispielsweise beim Spargelstechen im Marchfeld.

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