Reportage: Eine große Portion Liebe

Inhalt

  1. Seite 1 - Fußmarsch durch Wiener Geschichte
  2. Seite 2 - Mit Leib und Seele in Hietzing
  3. Seite 3 - Wenn ein Krankenhaus zum Organspender wird
  4. Auf einer Seite lesen >
Von großen Herausforderungen und kleinen Wundern: Die Arbeit von KrankenpflegerInnen ist anspruchsvoll. Ein Rundgang in der Klinik Hietzing mit der chirurgischen Schwester Miriam Mijatovic.

Die Schienen der stillgelegten Feldbahn stehen unter Denkmalschutz. Sie transportierte bis 2011 das Essen in die Stationen.

Keine Vorfinanzierung nötig

In Österreich etwa ist keine Vorfinanzierung notwendig. „Für Ärmere ist es wichtig, dass sie nicht zuerst einen Hunderter auf den Tisch legen müssen und dann die Kosten bei der Kasse einreichen können, um sie ersetzt zu bekommen“, macht Florian Burger deutlich. „Das öffentliche System bewährt sich insbesondere, wenn ich in einer lebensbedrohlichen Verfassung oder alt und nicht mehr arbeitsfähig bin.“ Anders als etwa in den USA sind die Kosten, die bei der Behandlung einer Krebserkrankung entstehen, nicht existenzbedrohend. Auch bei einem Arbeitsunfall gibt es dank der gesetzlichen Unfallversicherung Sicherheit. Die gilt auch, wenn es zu Konflikten mit der öffentlichen Versicherung kommt, wenn etwa über den Kostenersatz einer Behandlung gestritten wird. Im öffentlichen System gibt es kurze Entscheidungsfristen, und der Patient bzw. die Patientin genießt einen Rechtsschutz. „Das heißt: Wenn ich mit der Krankenkasse darüber streite, ob ich eine Arztbehandlung brauche oder nicht, dann wird mir vor Gericht der Gutachter bezahlt.“ Gäbe es nur private Versicherungen, dann müsste der Patient oder die Patientin über den Zivilrechtsweg Klage führen. Das würde langwierige und komplexe Verfahren verursachen.

Vieles im Gesundheitswesen könnte leichter synchronisiert werden, doch es scheitert bereits an den unterschiedlichen Software-Systemen der Bundesländer.

Freilich, auch eines der besten Gesundheitssysteme hat bisweilen Husten und Schlimmeres. Durchaus effizienter könnte es oft sein: Für das Blutbild aus dem Labor gibt es keinen standardisierten Aufbau; sprich: Jedes Institut reiht die Werte anders. „Eine einheitliche Regelung würde den Vergleich extrem erleichtern“, erklärt Burger. Vieles im Gesundheitswesen könnte leichter synchronisiert werden, doch es scheitert bereits an den unterschiedlichen Software-Systemen der Bundesländer. „Wenn ich von Salzburg nach Wien ziehe, ist es schwierig, die Patientenakte mitzunehmen“, weiß Burger. Im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist das kaum zu glauben.

Wenn ein Krankenhaus zum Organspender wird

An den Bundesländergrenzen, etwa zwischen dem Burgenland und Niederösterreich, haben zu viele Krankenhäuser den gleichen Schwerpunkt. „Würden die sich auf unterschiedliche Gebiete spezialisieren, hätte das große finanzielle Vorteile“, fasst es Florian Burger zusammen. Effizienz ist auch in Wien gefragt: Es wurden 500 MitarbeiterInnen der Klinik Hietzing ins vieldiskutierte Krankenhaus Nord abgesiedelt. Daneben gibt es eine Zusammenführung beider Standorte am Areal der Klinik Hietzing. Davon sind das Neurologische Zentrum Rosenhügel und das Krankenhaus Hietzing betroffen.

„Wir waren die größten Spender überhaupt“, verrät Michele Calabrese, und das nicht mit allzu viel Freude in der Stimme. „Wir, die Klinik Hietzing, haben einige Abteilungen und auch das meiste Personal gespendet“, macht der stellvertretende Vorsitzende der Personalvertretung klar. „Und diese gesamte Situation belastet natürlich die Belegschaft.“ Einige MitarbeiterInnen ließen sich in andere Abteilungen versetzen, manche kamen in privaten Spitälern unter. „Viele sind nach wenigen Monaten von den privaten Spitälern zurückgekehrt und sagten, es sei dort noch schlimmer.“ Dass der Gesundheitssektor eine riesige Baustelle ist, weiß Personalvertreter Calabrese nur zu gut. „Es gibt ein neues Gehaltsschema, neue Arbeitszeiten und meistens auch das Gefühl, dass es zu wenig Personal gibt. Zwar existieren einige freie Stellen, aber die BewerberInnen dafür fehlen.“

Die Ab- und Ansiedlungen am Gelände der Klinik Hietzing verlangen von Personalvertreter Michele Calabrese viel Engagement.

Michele Calabrese ist seit 2006 freigestellt, er vertritt rund 3.000 MitarbeiterInnen. „Ich weiß gar nicht mehr, wann ich eine 40-Stunden-Woche gehabt habe“, sagt der Wiener mit italienischen Wurzeln über den derzeitigen Stress und wirkt in der Tat ziemlich gehetzt. Unterstützung erhält Calabrese bei seiner Arbeit von der Gewerkschaft Younion: „Sie stehen mit ihren Ressourcen voll hinter mir, hören sich die Problematik an, erstellen Folder, helfen bei Aussendungen – wenn ich etwas brauche, bekomme ich es“, ist Calabrese voll des Lobes. Seine Arbeit als Personalvertreter macht ihm Freude, „sonst würde ich es nicht so lange tun. Es ist kräftezehrend, doch weil es immer wieder etwas anderes ist, bleibt es interessant“.

Für alle engagiert dabei

Woher Miriam Mijatovic ihren ganzen Elan nimmt – das ist eine Frage, die von der Krankenpflegerin eher überhört wird. Sie hat diese Kraft, und die muss wohl nicht seziert werden. Deshalb engagiert sie sich auch gleich noch in der Personalvertretung: „Mir ist wichtig, dass es den MitarbeiterInnen gut geht, Gerechtigkeit herrscht und alle auch Freude und Spaß bei der Arbeit haben können.“ Das Aufgabenspektrum der KrankenpflegerInnen hat sich erweitert, einerseits durch neue und bessere Behandlungsmethoden, andererseits sind die Dokumentationsaufgaben gewaltig gewachsen.

Dass sie die Schreibarbeit besonders liebt, behauptet Mijatovic nicht. Allerdings führt daran kein Weg vorbei, ist die Krankenpflegerin durch ihre langjährige Berufserfahrung überzeugt. Außer natürlich mehr Personal. Mit Kollegen Calabrese redet Mijatovic oft über den Dienstplan, der viel Improvisationsgeschick verlangt. „Er ist da, wenn man ihn braucht“, sagt sie über den Personalvertreter.

Noch in der Monarchie wurden die meisten Gebäude der Klinik Hietzing erbaut, an manchen nagt der Zahn der Zeit.

Stress, Druck, Ärger und Trauer im Beruf – Miriam Mijatovic nimmt diese Gefühle nicht aus der Klinik mit nach Hause. Zwar gibt es eigens dafür ausgebildete KollegInnen, die für Gespräche – ähnlich einer Supervision – zur Verfügung stehen, doch bislang hat die Krankenpflegerin keine Hilfe in Anspruch nehmen müssen. „Wenn ich nach Hause gehe, kann ich die Arbeit hinter mir lassen“, sagt Mijatovic. Ski fahren entspannt im Winter, wandern im Sommer – bevorzugt im steirischen Gesäuse, den Schladminger Tauern oder in Südtirol. Ideal, um Energie für ihren anstrengenden Beruf zu tanken.

Von
Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/20.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Inhalt

  1. Seite 1 - Fußmarsch durch Wiener Geschichte
  2. Seite 2 - Mit Leib und Seele in Hietzing
  3. Seite 3 - Wenn ein Krankenhaus zum Organspender wird
  4. Auf einer Seite lesen >

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.