Isolation
Mit dem Jobverlust und der damit verbundenen fehlenden sozialen Absicherung kam enormer psychischer Stress. „Man isoliert sich komplett, das war krass“, sagt Daniela Brodesser. Somit hat sie am eigenen Leib erlebt, was von Politik und Wissenschaft als „Armutsfalle“ bezeichnet wird. Schon zuvor hatten sie ihre Wohnung in Linz aufgeben müssen und lebten in einem kleinen Dorf rund 40 km von Linz entfernt. „Am Land in Armut leben ist eine Zusatzbelastung“, meint Klaus Brodesser. „Es spricht sich sofort herum, und man ist sofort abgestempelt“, ergänzt seine Frau.
Daniela Brodesser hat am eigenen Leib erlebt, was von Politik und Wissenschaft als „Armutsfalle“ bezeichnet wird.
Vorausschauend planen, rechtzeitig um Hilfe ansuchen, lauteten etwa gute Ratschläge, die zwar gut gemeint sind, aber die Daniela Brodesser ein müdes Lächeln kosten. „Das ist mir schon klar. Nur: Man schiebt und tut und macht – und man kommt gar nicht mehr so weit, über solche Dinge nachzudenken“, betont sie. In einer solchen Situation ist auch die Jobsuche quälend. „Es ist bei so vielen Armutsbetroffenen ja nicht nur so, dass das Geld hinten und vorn fehlt. Sondern durch die Isolation, durch die Unsicherheit, durch die Existenzangst kommen so viele Probleme zusammen – das bringst du ja auch beim Bewerbungsgespräch rüber, dass du kaputt bist“, so Daniela Brodesser.
Nie reich, aber nie am Limit
Warum aber kriegt man denn Kinder, wenn man sie nicht ernähren kann: Aussagen wie diese kennt sie – und sie bringen Daniela Brodesser immer noch auf die Palme. Immerhin ist es ihr und ihrem Mann zu dem Zeitpunkt, als die Kinder auf die Welt kamen, finanziell ja nicht schlecht gegangen. „Wir haben auf Urlaub fahren können. Wir waren nie reich, aber wir haben auch nie am Limit gekratzt“, erinnert sie sich.
Hilfe für Alleinerziehende
Am Limit kratzen: Dieses Risiko haben in Österreich nicht nur große Familien oder Menschen mit Migrationshintergrund. Die dritte Gruppe, die von Armutsgefährdung besonders betroffen ist, sind Alleinerziehende. Laut Statistik Austria gibt es österreichweit 168.700 Haushalte, in denen ein Elternteil mit einem oder mehreren Kindern unter 25 Jahren lebt. 90 Prozent davon sind Frauen. In Wien, wo offiziell 48.900 Alleinerziehende (42.900 von ihnen sind Mütter) leben, greift der Verein JUNO jenen unter die Arme, die entweder finanziell oder psychisch straucheln.
Schwierige Wohnungssuche
Sarah Zeller hat den Verein, den sie heute leitet, mitbegründet – und auch sie weiß, wovon sie spricht: Nach der Trennung von ihrem Mann lebte die gebürtige Deutsche mehrere Jahre allein mit ihrem heute achtjährigen Sohn. Zunächst war sie noch Studentin, und als sie mit einer Freundin, damals ebenfalls alleinerziehend und arbeitslos, am privaten Wohnungsmarkt nach einer Wohnung für eine Alleinerziehenden-Wohngemeinschaft suchte, wurde den beiden rasch klar: Ohne dass zumindest eine von ihnen ein regelmäßiges Erwerbseinkommen nachweisen kann, ist keine Wohnung zu bekommen.
Ohne dass zumindest eine von ihnen ein regelmäßiges Erwerbseinkommen nachweisen kann, ist keine Wohnung zu bekommen.
So entstand die Idee, im gemeinnützigen Wohnbau solche WGs zu initiieren. Im Rahmen eines Wohnprojekts im 21. Bezirk wurden schließlich tatsächlich drei solcher Wohnungen errichtet. Das war auch der Startschuss für JUNO – den Verein gibt es seit 2015.
Wohnsorgen sind denn auch oft der Grund für die finanziellen Probleme von Alleinerziehenden. Nach einer Trennung müssen Frauen meist nach einer günstigeren Wohnung suchen, da die bisherige für sie nicht mehr leistbar ist. Doch der Wohnungsmarkt ist schwierig: privat zu mieten ist oft zu kostspielig, und um am gemeinnützigen Sektor etwas Passendes zu ergattern, braucht es Geduld, also Zeit, und Antrags-Know-how.
Leistbares Wohnen
JUNO bietet daher einerseits auf seiner Homepage eine Wohngemeinschaftsbörse für Alleinerziehende. Andererseits initiiert der Verein weiterhin Wohnungen für Alleinerziehende im Rahmen von gemeinnützigen Wohnbauprojekten, was ihnen auch Einnahmen für den Verein bringt. Inzwischen konzentrieren sich Zeller und ihre Mitstreiterinnen aber auf kompakte Wohnungen für „Ein-Eltern-Familien“. Diese bringen auf leistbaren rund 60 Quadratmetern drei Zimmer, also jeweils einen Rückzugsraum für Elternteil und Kind sowie eine gemeinsame Wohnküche, unter. Es habe sich nämlich herausgestellt, dass Alleinerziehenden-WGs nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind. „Eine Alleinerziehenden-WG hat viel Potenzial in beide Richtungen: viel Konfliktpotenzial und viel Gemeinschafts- und Unterstützungspotenzial.“ Wie in Studierenden-WGs auch sei es nicht immer einfach mit der Sauberkeit und der Aufteilung des Putzens. „Doch hier kommt das Zusammenleben mit Kindern dazu: Wie erziehe ich mein Kind, wie erziehst du dein Kind, inwieweit darf ich dein Kind miterziehen und umgekehrt – das muss zusammengehen.“ Erschwert werde das Zusammenleben auch dadurch, dass viele Alleinerziehende ohnehin schon mit Überlastung oder Burn-out kämpfen oder eine eben erst erfolgte Trennung zu verarbeiten hätten.
Eine Alleinerziehenden-WG hat viel Potenzial in beide Richtungen: viel Konfliktpotenzial und viel Gemeinschafts- und Unterstützungspotenzial.
Auch hier steht der Verein Betroffenen zur Seite. Denn JUNO leistet auch jede Menge Beratungsarbeit. Zeller und ihre inzwischen zwölf Kolleginnen helfen Alleinerzieherinnen, aber auch alleinerziehenden Männern im Rahmen einer Sozialberatung, sich im Antragsdschungel – auch für diverse Unterstützungen – zurechtzufinden. Die psychologische Beratung unterstützt jene, die mit der Trennung oder Überlastung kämpfen. Und dann wird auch eine Eltern-Moderation angeboten, im Rahmen derer Vater und Mutter, so noch eine gewisse Kommunikationsbasis da ist, etwa Betreuungspläne ausverhandeln können. 2018 leistete der Verein an die 100 Beratungsstunden und hielt fünf Info-Workshops. Wie viel höher der Bedarf wäre, zeigt die Anzahl der Kontaktaufnahmen: 1.627 waren es im Vorjahr, viele von ihnen kamen per Mail, an die 200 telefonisch.