Grüne Ampel
Gleitzeit von 6 bis 22 Uhr ohne Kernzeit, das funktioniert seit 2004 auch im Non-Profit-Unternehmen ABZ Austria, das sich mit der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt beschäftigt. Die Bedingungen hier sind allerdings ganz anders. Viele der rund 170 MitarbeiterInnen haben längerfristig vereinbarte Beratungstermine oder arbeiten zu bestimmten Zeiten mit Teilnehmerinnen in Workshops. Der Großteil arbeitet Teilzeit. Eineinhalb Jahre haben Geschäftsführung und Betriebsrat gemeinsam mit einem externen Berater an dem Modell gebastelt. Seit einiger Zeit erleichtert eine spezielle Software die Arbeitszeitaufzeichnung. Mit dem Ampelsystem in den Farben Grün, Orange und Rot erkennen die Beschäftigten jederzeit auf einen Blick den Stand ihres Arbeitszeitkontos und wie weit sie im Plus oder Minus sind. Erreicht der Saldo die doppelte Summe der Wochenarbeitszeit (= Orange), wird gemeinsam mit der Vorgesetzten ein Plan erstellt, wie man wieder in den grünen Bereich kommt.
„Das System ermöglicht unseren MitarbeiterInnen viel Eigenverantwortung in der Zeiteinteilung. Technik wird bei uns zur Unterstützung eingesetzt und nicht zur Kontrolle. Bei Rot wird der Betriebsrat aktiv und es wird geschaut, wie es dazu kommen konnte“, beschreibt Geschäftsführerin Manuela Vollmann das Ampelsystem. „Rot gab es eigentlich ganz selten und nur anfangs, bis sich alle an das Modell gewöhnt hatten. Heute dominiert die Farbe Grün und selbst Orange kommt nur selten vor.“ Auch bei der jungen PR-Verantwortlichen Lena Obermaier, die seit rund einem Jahr bei ABZ Austria arbeitet und neben ihrem 30-Stunden-Job Gender Studies studiert, war die Zeitliste bisher noch nie gelb. „Zu Semesterbeginn vereinbaren wir meine Arbeitszeiten und eventuell auch die Homeoffice-Tage. Das klappt wirklich sehr gut.“
30 Stunden als Ziel
Bei ABZ Austria gibt es insgesamt 24 Teilzeitmodelle auf Basis einer Fünftagewoche. „Diese Flexibilität bedeutet viel Arbeit unter anderem für die Personalabteilung, aber unser Kerngeschäft ist die Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben, und wir können nicht Wasser predigen und Wein trinken“, so Vollmann. „Das war auch der Grund für die Entwicklung des Modells, der Wunsch kam weniger von den MitarbeiterInnen. Bis dahin wurde es individuell vereinbart. Doch wir wollten ein gerechtes Modell, wo die Vereinbarungen nicht womöglich vom Verhandlungsgeschick einer Mitarbeiterin oder Gruppenleiterin abhängen.“
Basis aller Dienstverträge ist immer die Fünftagewoche. Es gibt zwar bei Bedarf und nach individueller Vereinbarung die Möglichkeit einer Viertagewoche, aber keine fixen Zusagen. „Immer wieder bewerben sich Frauen, die das gerne hätten“, erzählt Manuela Vollmann. „Aber dann wäre die Diensteinteilung für unsere Projektleite-rinnen noch komplizierter. Schließlich müssen Stundenpläne eingehalten und Ziele erfüllt werden. Da kann die Geschäftsführung nicht mit individuell vereinbarten Vier-Tage-Verträgen dagegen arbeiten.“
Dem Leitbild entsprechend haben bei ABZ Austria auch Frauen mit Kindern faire Karrierechancen: Von 18 Führungskräften sind 15 Mütter. Doch prinzipiell ist man sich des Risikos bewusst, dass bei Arbeitszeitreduzierung bzw. -flexibilisierung in der Regel die Frauen die gewonnene Zeit für die Familie verwenden, während Männer auf Weiterbildung setzen oder (noch mehr) Überstunden machen. So spricht sich Vollmann durchaus für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung aus. „Doch wenn man nicht gegensteuert, besteht die Gefahr, dass konservative Geschlechterrollen einzementiert werden. Und ganz praktisch betrachtet möchte ich verhindern, dass das Einkommen unserer Mitarbeiterinnen so weit sinkt, dass es dann später in der Pension zu Problemen kommt. Daher streben wir auch für Teilzeitkräfte 30 Wochenstunden an (der Durchschnitt liegt derzeit bei 28,2). Wir haben auch in der Beratung festgestellt, dass spätestens der Pensionskonto-Auszug für viele Frauen eine negative Überraschung war. Insofern bieten wir unseren MitarbeiterInnen je nach Projektmöglichkeiten immer wieder die Erhöhung der Wochenstunden an. Es kommt auch vor, dass wir mit Mitarbeiterinnen darüber sprechen, wie die Väter mehr einbezogen werden können. Uns ist wichtig, dafür Bewusstsein zu schaffen, dass auch Männer weniger Stunden fordern können, um ihren Anteil an der Versorgungs- und Erziehungsarbeit zu leisten.“