Verlorene Chance
Rund 3.800 Personen wurden nach Angaben des AMS in die Aktion 20.000 einbezogen. Auswirkungen waren schnell sichtbar, schreibt AK-Expertin Ilse Leidl-Krapfenbauer im A&W-Blog: „Die Anzahl der arbeitslos vorgemerkten Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahren sank im Durchschnitt der Modellregionen um 1,4 Prozent. In den übrigen Regionen Österreichs, in denen die Aktion 20.000 noch nicht angelaufen war, stieg dieser Wert Ende Oktober 2017 noch um 6,1 Prozent.“ Mit Ende Juni 2019 läuft nun ein Großteil der geförderten Stellen aus.
Das ist eine große vergebene Chance.
Judith Pühringer, arbeit plus, zum Ende der Aktion 20.000
„Man hat älteren Arbeitslosen, die oft gesundheitliche Einschränkungen haben, Jobperspektiven weggenommen, um Geld zu sparen“, kritisiert Mitter. Auch Judith Pühringer von arbeit plus bedauert das Ende der Aktion 20.000: „Das ist eine große vergebene Chance.“ Es gab bereits viele Erfolgsbeispiele von Menschen, die in sehr ausweglosen Situationen wieder Fuß fassen und Beschäftigungen finden konnten.
Perspektiven statt Druck
Die geplatzte türkis-blaue Regierung ließ aber nicht nur bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik kürzen. Für den Herbst plante sie eine Umgestaltung der Arbeitslosenversicherung mit integrierter Notstandshilfe und Verschärfungen bei Zugangsbedingungen zu den Leistungen. Das hätte dem Auffangnetz, wie Mitter es nennt, große Risse zugefügt. „Je besser dieses Netz ausgestaltet ist, desto mehr kann ich für meine Rechte und die Gewerkschaft um Lohnerhöhungen kämpfen.“ Wer Angst um seinen Job habe, tue das nicht. Die AK setzt hingegen auf Qualifizierung und bietet im Rahmen des Zukunftsprogramms Angebote, die ArbeitnehmerInnen fit für die Digitalisierung machen. Beim „Digi-Winner“ der AK Wien und des waff gibt es bis zu 5.000 Euro Förderung. Die Palette an geförderten Ausbildungen reicht von EDV-Grundlagen bis zu Datensicherheit oder Social Media.
Mensch und Maschine
Die Digitalisierung beschäftigte Gernot Mitter auch im AMS-Verwaltungsrat, allerdings im negativen Sinne. Eine umstrittene Neuerung ist, dass das AMS ab 2020 die Jobchancen von Arbeitsuchenden mit einem Algorithmus unterlegen will. Arbeitsuchende werden je nach ihren Vermittlungschancen in drei Gruppen eingeteilt.
AK-Vertreter Mitter war dagegen: „Wie garantiert man, dass der Berater und nicht die Maschine anschafft, was passiert? Wie stellt man sicher, dass Menschen mit niedrigen Reintegrationschancen ausreichend gefördert werden?“ Für mehr Effizienz brauche es auch mehr Personal. Stattdessen aber soll gespart werden: Von 400 neuen Planstellen, die 2016 geschaffen wurden, könnte die Hälfte abgebaut werden. Dabei käme ein AMS-Betreuer auf 250 Arbeitsuchende, in Deutschland ist das Verhältnis 1:100. Mehr Personal führt laut Mitter zu individuellerer Betreuung und passgenaueren Angeboten.
Starker Anwalt
Im Jahr 2020 feiert die AK ihr 100-jähriges Bestehen. Mitter betont, dass die Arbeiterkammer auf wissenschaftlich abgesicherter Basis problemlösungsorientierte Politik ermöglicht. Die AK sei wichtiger Bestandteil des Institutionssystems, das die Entwicklung der Republik vom zerbombten Land zu einem der reichsten in der EU ermöglichte. „Das braucht viel Sachverstand und Orientierung an mittel- und längerfristigen Entwicklungen.“ Die AK sei ein starker Anwalt gegenüber Arbeitgebern und Regierungen.
Job mit Sinn
Ohne die Aktion 20.000 hätte ich nicht so gute Chancen gehabt.
Jutta Konvicka
Jutta Konvickas Job in der Armutskonferenz ist abwechslungsreich und umfasst Textkorrektur und Betreuung der Website bis zur Administration der Arbeitsgruppe „Frauen und Armut“. „Ohne die Aktion 20.000 hätte ich nicht so gute Chancen gehabt“, ist sie überzeugt. Das Argument der KritikerInnen, dass diese Jobs künstlich vom Staat geschaffen würden, lässt sie nicht gelten. „Wenn ich Arbeitslosengeld beziehe, bekomme ich doch auch Geld vom Staat.“ Konvicka wurde von der Armutskonferenz inzwischen unbefristet angestellt. „Ich glaube, es hatte einen Sinn, dass ich in die Aktion 20.000 gekommen bin. Die Atmosphäre ist wertschätzend und respektvoll.“ Die Neuwahlen bringen die Möglichkeit, die Arbeitsmarktpolitik neu auszurichten, was sich die AK für ihre Mitglieder selbstverständlich wünscht. „Bleibt zu hoffen, dass eine neue Regierung wieder verstärkt darauf setzt, Arbeitslosen Chancen zu eröffnen, statt sie in ihrer ohnehin prekären Lage noch mehr unter Druck zu setzen“, so Gernot Mitter.
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Freier Journalist
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/19.
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Redaktion
aw@oegb.at