R.U.S.Z: Zweite Chance
Zuletzt sah die Situation für das Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z nicht rosig aus. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Schuld daran waren einige schwarze Schafe unter den Reparaturbetrieben, denen Betrug mit dem von der öffentlichen Hand bezahlten Reparaturbonus vorgeworfen wurde. Die Regierung setzte daraufhin diese Förderung aus, um sie auf neue Beine zu stellen. Inzwischen gibt es den Reparaturbonus wieder. Doch der massive Rückgang an Aufträgen durch das monatelange Aussetzen des Reparaturzuschusses brachte das R.U.S.Z ins Trudeln, wie der Gründer und langjährige Leiter Sepp Eisenriegler erzählt. Nun hat sich der Betrieb neu aufgestellt. David Dellert leitet ihn in Zukunft. Er ist Sozialpädagoge und absolvierte zuletzt am FH Campus Wien das Studium Ressourcenmanagement. „Wir widmen uns zunächst der Kernaufgabe: dem Anbieten von Reparaturen.“ Gerne würde er in der nahen Zukunft aber auch wieder angehende Reparatur-Techniker:innen ausbilden.
Die Geschichte von R.U.S.Z geht zurück ins Jahr 1998. Damals gründete Eisenriegler, im Herkunftsberuf Lehrer, ein sozialökonomisches Projekt. Er hatte dabei einerseits das Thema Nachhaltigkeit im Blick, andererseits sollte es Menschen, die am Arbeitsmarkt nicht mehr Fuß fassen konnten, ermöglichen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Zehn Jahre kooperierte man hier mit dem Arbeitsmarktservice (AMS). Als dieses das R.U.S.Z nicht mehr beauftragte, orientierte man sich in Richtung reiner Servicebetrieb für Reparaturen um. Vor allem in den vergangenen Jahren – auch dank des Reparaturbonus – florierte der Betrieb und erhöhte seine Mitarbeiter:innenzahl. Bis eben der Reparaturmarkt kurzfristig einbrach.
EU-Richtlinie für mehr Transparenz
Eisenrieglers Wirken geht allerdings über R.U.S.Z weit hinaus. Er hat vieles, was nun auch auf EU-Ebene beschlossen wurde, in Österreich schon vor Jahren auf die politische Agenda gebracht. Er hat Bewusstsein geschaffen, für Themen wie die geplante Obsoleszenz. Darunter versteht man die Absicht von Unternehmen, dass ihre Geräte nach einigen Jahren kaputtgehen. So wird die Nachfrage nach neuen Produkten gesteigert. Die Waschmaschine ist kaputt? Es muss eine neue her! Bisher war es tatsächlich so, dass sich zum Beispiel bei günstigeren Waschmaschinen eine Reparatur nicht rechnete, erzählt Eisenriegler. Wenn ein Ersatzteil so viel kostet wie eine neue Maschine und die Reparatur inklusive der Leistung des Technikers oder der Technikerin damit teurer ausfiele als der Neukauf, sei die Entscheidung der Kund:innen klar. „Da wäre es unwirtschaftlich, zu reparieren.“
Hier kommt die Richtlinie der Europäischen Union zur Stärkung der Verbraucher:innen ins Spiel. Sie sieht unter anderem vor, dass Konsument:innen Zugang zu allen Informationen bekommen müssen, die sie für eine nachhaltige Kaufentscheidung brauchen. Kehren wir zu Waschmaschinen zurück. Derzeit sei der Warenbeschreibung nicht zu entnehmen, aus welchem Material beispielsweise der Bottich, der die Waschtrommel umschließt, gefertigt sei, betont Eisenriegler. Sei dieser aus Metall, werde die Waschmaschine länger funktionieren als mit einem Bottich aus Kunststoff, in den auch die Lager eingepresst seien. Diese Bauteile hielten oft nicht länger als drei Jahre. „Es geht also um Transparenz“, betont der R.U.S.Z-Begründer.
R.U.S.Z profitiert von neuen EU-Regeln
Die Information über die Beschaffenheit einzelner Bauteile sei bisher auch den Fachberater:innen im Handel oft nicht zugänglich gewesen. Die EU verpflichte die Herstellerfirmen hier nun zur Offenlegung – und zu weit mehr. So müssen Informationen, die für eine Reparatur benötigt werden, allen Reparaturunternehmen zugänglich gemacht werden. Damit hat ein Hersteller kein Monopol mehr auf diesbezügliche Dienstleistungen. Das wiederum wird die Preise für Reparaturen senken. Zur Verfügung stellen müssen Produzent:innen künftig auch Software, die zum Beispiel benötigt wird, um Fehlercodes zu löschen.
Was bei Kaufentscheidungen hilft
In den Anfangsjahren von R.U.S.Z seien es vor allem Menschen aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsgeneration gewesen, „die nichts wegwerfen konnten“. Sie holten defekte Geräte von Dachböden, aus Kellern und Garagen und brachten sie zur Reparatur. „Meist hat nur eine Kleinigkeit nicht mehr funktioniert“, so Eisenriegler. Etwa so wie bei der Lampe, die Bahrami einen Tisch weiter gerade repariert. Inzwischen sei das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit aber insgesamt gestiegen. Die Kund:innen von heute seien auch jüngere Menschen, erzählt Serife Saygili. Sie absolviert bei R.U.S.Z derzeit ihre Lehre zur Bürokauffrau und ist erste Anlaufstelle, wenn Menschen mit ihren kaputten Staubsaugern, Radios oder Tablets kommen. Ausschlaggebend sei aber schließlich, ob es die nötigen Ersatzteile gebe, weiß sie. „Drucker können wir aus diesem Grund gar nicht annehmen“, erzählt Saygili.
Wenn es um einen besseren Umgang mit Ressourcen geht, skizziert Eisenriegler mehrere Faktoren. Es beginne mit einer überlegten Kaufentscheidung. Da sei es sinnvoller, ein etwas teureres, aber wesentlich langlebigeres Gerät zu erwerben. Unternehmen müssen die Informationen dazu nun zur Verfügung stellen. Als nächstes sei die Reparierbarkeit wichtig, und dass Ersatzteile länger erhältlich sind. Auch hier werden Herstellerfirmen nun in die Pflicht genommen. Wenn ein Gerät nicht mehr funktioniere, gehe es auch darum, ob Teile anders verwertbar seien – Stichwort Upcycling. Und schließlich spiele auch das Recycling der eingesetzten Materialien eine Rolle. Hier führt Eisenriegler das Thema Kunststoff an. Derzeit gebe es verschiedenste Zusammensetzungen von Kunststoffen, das erschwere das werkstoffliche Recycling. Er plädiert daher, sich auf wenige Kunststoffe zu beschränken und so die Möglichkeit der Nutzung als Sekundärrohstoff zu erhöhen.
Beim R.U.S.Z wird klar: Nachhaltigkeit beginnt beim Design
Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung für Konsument:innenpolitik in der AK Wien, freut sich, wie viel hier im Rahmen des Green Deals seitens der EU bereits auf den Weg gebracht wurde – von einheitlichen Ladekabeln über das Recht auf Reparatur. Vieles müsste in den Mitgliedsstaaten aber erst umgesetzt werden. Nun brauche es jedoch eine gute Reparaturinfrastruktur – wie etwa Reparatur-Cafés. Und die AK-Expertin betont: Produkte müssten so designt sein, dass viele Reparaturen auch mit einfachem Werkzeug und durch die Bereitstellung entsprechender Anleitungen durch die Kund:innen selbst erfolgen könnten. Ihr ist vor allem wichtig: „Produkte sollen grundsätzlich so hergestellt sein, dass sie möglichst lange halten und auch nicht reparaturanfällig sind.“
Für Zgubic geht es aber auch um das große Ganze und eine gesamtheitliche Sicht auf den Konsum. „Es beginnt schon mit der Entscheidung, ob und welche Produkte man eigentlich braucht, über die Phase der Nutzung und schließlich was passiert, wenn man ein Produkt nicht mehr nutzt oder es kaputt ist.“ Weiters spiele die Herstellung verschiedenster Produkte eine Rolle – vom Auto, über Nahrungsmittel und deren Verpackung, bis zu Baumaterialien. Aber auch Textilien müssten wieder länger haltbar werden – derzeit bekämen zum Beispiel viele T-Shirts schon nach wenigen Waschgängen Löcher. Kleidungsstücke dürften aber vor allem nicht ungetragen vernichtet werden, beispielsweise wenn sie im Online-Handel von Kund:innen retourniert würden. Auch für den Bereich Textilien liegt übrigens bereits eine EU-Strategie vor. Sie sieht unter anderem vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten bis 1. Jänner 2025 eine getrennte Sammlung für Textilien aus Haushalten einführen müssen. So soll das Recycling forciert und die illegale Ausfuhr von Textilabfällen bekämpft werden.
Menschenrechte entlang der Lieferkette
Ein wichtiges Element beim Thema Nachhaltigkeit sind auch die Lieferketten. „Uns ist wichtig, dass man auch die sozialen Kriterien bei der Herstellung eines Produkts nicht vergisst“, betont Zgubic. Das EU-Lieferkettengesetz komme nun zwar in einer abgeschwächten Form und betreffe nur große Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter:innen und 450 Millionen Euro Umsatz. Es sei aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Es ist ein Anfang. Uns ist es ein Anliegen, dass keine Kinderarbeit hinter der Schokolade steckt, dass entlang der Lieferkette keine Menschenrechte verletzt wurden, und dass das Arbeitsrecht eingehalten wurde.“
Produkte sollen grundsätzlich
so hergestellt sein, dass sie möglichst
lange halten und auch nicht
reparaturanfällig sind.
Gabriele Zgubic,
AK-Konsument:innenschutz
Freuen würde sich Zgubic, wenn das Thema Nachhaltigkeit und Stärkung von Reparaturkompetenzen auch im Bereich Ausbildung, also an Schulen, aber auch in der Erwachsenenbildung, stärker in den Fokus rückt. „Nachhaltiger Konsum muss noch mehr ins Bewusstsein gelangen.“ Hier ist sie auf einer Linie mit Eisenriegler. Und auch wenn er sich nun nach und nach aus dem operativen Geschäft von R.U.S.Z zurückzieht, wird er für die Themen Nachhaltigkeit und Reparatur weiter lobbyieren und Öffentlichkeitsarbeit leisten.
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