Superreiche: Wer zieht die Fäden?

Menschen in Abendkleidung prosten sich mit Champagnergläsern zu. Symbolbild für Superreiche.
In Österreich genießen Superreiche besonders viele Privilegien – vor allem dank ihrer engen Verbindungen zu Politik und Medien. | © Adobe Stock/rh2010
Die hohe Vermögenskonzentration in Österreich untergräbt die demokratische Teilhabe der Mehrheit. Wie der Geldadel mit Politik und Medien verbandelt ist und seine Interessen im Verborgenen durchsetzt, untersuchte kürzlich eine Studie der AK Wien.
Du bist die Hure für die Reichen“, instruierte der frühere Generalsekretär im Finanzamt, Thomas Schmid, einst per Chatnachricht einen Kollegen, nicht zu vergessen, für wen er wirklich arbeitet. Unbestritten lässt sich wohl festhalten, dass Superreiche in Österreich in beträchtlichem Maße Einfluss auf die politischen Geschehnisse nehmen wollen und das auch können.

Aber wer sind diese Superreichen? Wie interagieren sie, und wie beeinflussen sie Politik und Gesellschaft? Diese Fragen versuchte ein kleines Team von Wissenschaftler:innen der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der Arbeiterkammer Wien zu beantworten. Es unterzog 62 österreichische Haushalte, deren Vermögen mehr als 500 Millionen Euro umfasst, einer Netzwerkanalyse.

Superreiche pflegen systematisch Kontakte zu Medienschaffenden und Politiker:innen. „Das ist demokratiepolitisch bedenklich“, befindet der Ökonom Lukas Cserjan. | © Markus Zahradnik

„Selbst unter diesen 62 reichsten Haushalten kumulieren sich 44 Prozent des Vermögens in den Top Five“, sagt Lukas Cserjan. „Es sind also wirklich ganz wenige Familien, in denen sich der Reichtum konzentriert.“ Cserjan ist Ökonom am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der JKU und Co-Autor der vorliegenden Studie. „Wir reden hier von 62 Familien oder Einzelpersonen unter neun Millionen Menschen in Österreich. Durch unsere Studie können wir zeigen, wie sie in einem Netzwerk miteinander verbunden sind. Wir können sagen: Das hat System.“

Datenlage unzureichend

Doch dieses System aufzuzeigen ist gar nicht so einfach – es gibt kaum belastbares Datenmaterial. Für ihre Studie arbeiteten die Forscher:innen mit den Selbstauskünften von Superreichen über das eigene Vermögen. Eine wichtige Quelle waren die Reichenlisten, die Magazine wie „Trend“ oder „Forbes“ regelmäßig publizieren. Dieses Material nutzte das Team, um sich die sozialen Verbindungen und den Besitz der Superreichen anzuschauen. Knotenpunkte wurden identifiziert: gemeinsame Anteile an Firmen, dieselben Vermögensverwalter:innen oder auch gemeinsame politische Freundschaften und Medienkontakte.

Bei Betrachtung der Netzwerkanalyse fällt auf, dass die intransparente Vermögenskonzentration sehr oft auch mit Kontakten zu politischen Entscheidungsträger:innen sowie Medienschaffenden in Verbindung steht. Manche Superreiche sind wiederum selbst Inhaber:innen großer Medienkonzerne, wie etwa die Familie Dichand, der derzeit die Hälfte der Anteile an der Tageszeitung „Krone“ gehört. Laut Studie unterhalten die Dichands unternehmerische Verbindungen zu insgesamt 234 Medienfirmen. Das sei auch ein Beispiel für die extreme Konzentration in der österreichischen Medienlandschaft. „Das ist an sich natürlich schon spannend“, sagt Cserjan. „Noch spannender ist aber, wie viele Printmedien und Tageszeitungen Verbindungen zu den Superreichen pflegen. Und das sind wirklich viele, wie wir durch die Analyse der Knotenpunkte herausgefunden haben. Demokratiepolitisch ist das sehr bedenklich.“

Als Problem bei der Analyse erwies sich, dass viele Superreiche ihr Vermögen hinter umfangreichen, durch Vermögensverwalter:innen und Privatstiftungen eingerichteten Konstruktionen verschleiern. Auch der Stiftungsverband, eine Interessenvertretung für Menschen mit Privatstiftungen, „betont in seinen Publikationen immer wieder die wichtige Bedeutung, die Diskretion für sie hat, also die Verschleierung von Vermögen“, so Cserjan.

Transparenz durch Steuern

Diese Verschleierung funktioniere unter anderem deshalb so gut, weil Superreiche kaum Steuern zahlen müssten. „Die Erbschaftsteuer wurde zum Beispiel abgeschafft. Wenn es eine Erbschaftsteuer gäbe, würde es auch automatisch mehr Datenmaterial über das wahre Vermögen der Superreichen in Österreich geben“, so der Ökonom. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass es einen Bedarf gibt, Regelungen oder Gesetze dahin gehend zu ändern, dass solche problematischen Schachtelkonstruktionen nicht mehr möglich sind.“

Die Studie schlüsselt verschiedene Aspekte des Netzes der Superreichen auf. Da gibt es zum Beispiel traditionelle Industrielle, wie etwa die Adelsfamilie Mayr-Melnhof, deren Wurzeln im Betrieb von Hüttenwerken und in der Forstwirtschaft des 19. Jahrhunderts liegen. „Die Vermögen der Industriellenfamilien sind noch am einfachsten nachzuverfolgen, auch wenn diese ebenfalls auf Schachtelkonstruktionen und Privatstiftungen zurückgreifen“, sagt Cserjan. Bei Personen und Haushalten, deren Vermögen hauptsächlich auf Immobilienbesitz beruhe, sei das wesentlich schwieriger. „Hier schlägt die Intransparenz am meisten durch“, so der Ökonom.

Der neue Oxfam-Bericht zeigt: 2024 wuchs das Vermögen der Milliardär:innen um 2 Billionen Dollar, während weltweit 733 Millionen Menschen hungern. Auch in Österreich klafft die Einkommensschere immer weiter auseinander. 👇

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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 27. Januar 2025 um 17:00

Insgesamt belegt die Studie eindrücklich, dass extrem konzentrierter Reichtum mit demokratischen Gleichheitsidealen schwer vereinbar ist. Das zeige sich auch an der Struktur der 62 untersuchten Haushalte, so Cserjan: „52 dieser Haushalte sind männlich dominiert. Sie sind außerdem relativ alt und weiß. Alle Diskriminierungsformen, die man sich vorstellen kann, sind hier widergespiegelt.“

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