Radikalisierter Konservatismus: „Denen geht der Reis“ (+ Podcast)

Inhalt

  1. Seite 1 - Welche Sprachbilder sich gegen wen richten
  2. Seite 2 - Gewollte Ungleichheit und der Leistungsmythos
  3. Seite 3 - Macht- und Herrschaftsverhältnisse
  4. Seite 4 - Feindbilder und legitimierte Ungerechtigkeiten
  5. Seite 5 - Von Trump bis Kurz
  6. Auf einer Seite lesen >
Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten brauchen stets ein Bild, das diese Ungerechtigkeiten als gerecht erscheinen lässt, erklärt Politikwissenschafterin Natascha Strobl. Das kann die „soziale Hängematte“ sein oder das Bild vom Chips essenden Proll im grauslichen Unterleiberl.
Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl im Gespräch
„Diese ganze Idee von Leistung zielt darauf ab, zu zeigen, dass die da unten auch verdient da unten sind: Die leisten ja nichts, die haben sich nicht angestrengt.“

Macht- und Herrschaftsverhältnisse

Das bedeutet, eine Gesellschaft, die von Machtverhältnissen durchzogen ist, soll als eine ‚natürliche‘ inszeniert werden?

Ja, und als eine gerechte! Wenn man nur wollte, könnte man sich ja anstrengen. Aber wenn ich nicht jeden Tag um vier Uhr aufstehe und 16 Stunden für meinen Erfolg hackle, dann will ich‘s vielleicht nicht genug – und dann bin ich verdientermaßen auch da unten und habe verdientermaßen auch keinen Erfolg. Weil in diesen Ratgeberbüchern steht ja, wenn ich um vier Uhr aufstehe und 16 Stunden hackle, dann kann ich in zehn Jahren Milliardär:in sein. Also diese ganze Idee von Leistung zielt darauf ab, zu zeigen, dass die da unten auch verdient da unten sind: Die leisten ja nichts, die haben sich nicht angestrengt.

Und eine Frauenquote brauchen wir dann nicht, weil‘s ja eh Frauen gibt, die’s ganz nach oben geschafft haben …

…und die eine solche Quote dann auch ablehnen. Wir haben dann immer diese drei Frauen im Rampenlicht, die es irgendwie geschafft haben. Aber erstens sind das Ausnahmen, die bei weitem nicht die Regel darstellen. Und zweitens muss man sich natürlich anschauen, wo die herkommen. Es spielen nie nur Geschlechterverhältnisse eine Rolle: Dadurch, dass es vermögende Frauen nach oben schaffen, hat sich strukturell nichts geändert.

Mit Blick auf diese diskursiven Strategien: Wieso schaffen es die Herrschenden im Vergleich zu den Beherrschten, gemeinsam ein koordiniertes strategisches Interesse zu artikulieren, um ihre Interessen durchzusetzen – und die Lohnabhängigen nicht? Oder anders: Wieso findet derzeit ein „Klassenkampf von oben“, aber keiner „von unten“ statt?

Klassenkampf ist ja da, ob man will oder nicht, ob man ihn nun sieht oder nicht. Dass sich Kapitalinteressen besser organisieren können, ist nicht verwunderlich. Aber das Interessante, was wir derzeit sehen: auf gut Wienerisch, „denen geht da Reis“. Wir hatten in den vergangenen Jahren derart viele Krisen, angefangen von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, der Corona-Krise bis zur Klimakrise. Die haben schon auch Angst, denn manche Teile des Kapitals wissen schon, dass es schwierig wird. Auch unter einzelnen Kapitalfraktionen besteht ein Konkurrenzverhältnis. Wir sehen nicht nur Klassenkampf von oben gegen unten, sondern auch die Kämpfe innerhalb des Kapitals.

Manche Teile des Kapitals wissen schon, dass es schwierig wird. Auch unter einzelnen Kapitalfraktionen besteht ein Konkurrenzverhältnis. Wir sehen nicht nur Klassenkampf von oben gegen unten, sondern auch die Kämpfe innerhalb des Kapitals.

Und das bedeutet meistens nichts Gutes für die unten. Denn was will Kapital machen? Es will akkumuliert, es will mehr werden. Und wenn’s mit Demokratie geht, gut, wenn‘s nur ohne Demokratie geht, auch gut. Das hat die Geschichte bewiesen.

Wo sich Kapitalfraktionen einig sind, ist, dass nach unten keine Zugeständnisse gemacht werden. So funktioniert Klassenkampf. Das lässt sich auch nicht auflösen, das lässt sich nicht individuell auflösen, sondern das ist konstitutiv für das System, in dem wir leben, Stand jetzt der neoliberale Kapitalismus.

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  1. Seite 1 - Welche Sprachbilder sich gegen wen richten
  2. Seite 2 - Gewollte Ungleichheit und der Leistungsmythos
  3. Seite 3 - Macht- und Herrschaftsverhältnisse
  4. Seite 4 - Feindbilder und legitimierte Ungerechtigkeiten
  5. Seite 5 - Von Trump bis Kurz
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Über den/die Autor:in

Johannes Greß

Johannes Greß, geb. 1994, studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien und arbeitet als freier Journalist in Wien. Er schreibt für diverse deutschsprachige Medien über die Themen Umwelt, Arbeit und Demokratie.

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