Prognose: Was uns 2024 wirtschaftspolitisch beschäftigen wird

Arbeiter:innen arbeiten in einer Fabrik. Symbolbild für Wirtschaftspolitik.
Wie geht es mit unserer Wirtschaft weiter? | © Adobe Stock/Photocreo Bednarek
Wir brauchen eine Wirtschafts- und Budgetpolitik, die gestaltet statt im Interesse der Krisenprofiteure verwaltet, erklären die beiden Ökonom:innen Helene Schuberth (ÖGB) und Georg Feigl (AK Wien) in ihrer Prognose für 2024.
Das heurige Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Wirtschaftspolitik war geprägt von Inflationsbeobachtung; die nicht erfolgten Preiseingriffe haben dazu geführt, dass die Teuerung in keinem anderen westeuropäischen Land so hoch war wie hierzulande. Gleichzeitig trübte sich die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung ein – Österreich war eines der wenigen Länder mit Rezession. Politisch wurde verwaltet statt gestaltet – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. In Österreich zeigte das insbesondere die Budgetplanung, die sich – abgesehen vom überfälligen neuen Finanzausgleich – auf teure Klientelpolitik beschränkte. Damit ist eine Weichenstellung bereits erfolgt: Es geht in Richtung Konsolidierung des Staatshaushalts.

Wie stark Steuern erhöht und/oder Ausgaben gesenkt werden müssen, hängt nicht zuletzt von den Budgetregeln ab. Diese werden gerade auf europäischer Ebene verhandelt. Zwar sehen sie eine Lockerung vor, doch diese bleibt– auch auf Drängen des österreichischen Finanzministers – sehr beschränkt. Zwar kann er sie selbst nicht einhalten, aber populistische Punkte auf Kosten insbesondere Italiens sind ihm offensichtlich wichtiger. Ab 2024 werden wir deshalb nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa eine neue Konsolidierungswelle sehen. Wie schädlich diese sein wird, hängt in erster Linie von den gesetzten budgetären Eingriffen ab.

Porträt Helene Schuberth
Die Ökonomin Helene Schuberth fordert ein Ende der teuren Klientelpolitik. | © Markus Zahradnik

Gelingt es, den langfristigen Trend sinkender Steuern vor allem für Reiche und Konzerne umzukehren, wird es keine nennenswerten negativen Konsequenzen geben. In Österreich ging die amtierende Regierung jedoch sogar in die Gegenrichtung. Die Übergewinne der Teuerungskrise blieben nicht nur praktisch unangetastet, sondern wurden durch die Senkung der Körperschaftsteuer sogar noch begünstigt; die Sozialbeiträge wurden vor allem für Unternehmen reduziert.

Sparen an der Zukunft?

Zu befürchten ist nun eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit, wie Kürzungen bei wichtigen Ausbauprogrammen, die politisch am leichtesten durchzusetzen sind: beim Ausbau der Pflege und Gesundheitsleistungen, bei der Kinderbetreuung, bei besseren Bildungs- und Jobmöglichkeiten und bei öffentliche Investitionen. Auf der Strecke bleibt, was für die Zukunft besonders wichtig ist: der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft sowie der Ausbau des Sozialstaats.

Allein die sozial-ökologische Transformation erfordert eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen. Wie eine Studie der TU Wien und des Umweltbundesamtes im Frühjahr 2023 gezeigt hat, gibt es ein Potenzial von 118 Milliarden Euro an „grünen“ Investitionen allein bis 2030. Genutzt wird planmäßig bisher aber nur ein Viertel. Schulsanierungen inklusive Photovoltaik auf den Dächern oder der Ausbau der Öffis bleiben so in weiter Ferne – und mit ihnen die Erreichung der Klimaziele. Zudem zeigen die enormen Mieterhöhungen im privaten Sektor die Notwendigkeit einer sozialen Wohnbauinitiative.

Auf der Strecke bleibt,
was für die Zukunft besonders wichtig ist:
der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft
sowie der Ausbau des Sozialstaats.

Helene Schuberth & Georg Feigl

Weiters bedarf es einer Mobilisierung des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials und einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive, um der mittelfristigen Entwicklung am Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen, die von einem steigendem Fachkräftebedarf im nächsten Aufschwung bei gleichzeitiger Pensionierungswelle der Babyboomer geprägt ist. Gefragt sind eine aktive Arbeitsmarktpolitik und eine bessere Ausstattung des AMS. Um die unfreiwillige Unterbeschäftigung insbesondere von Frauen zu reduzieren, bedarf es zudem den Ausbau der Kinderbetreuung und der Pflege.

Verteilungsfrage weitgehend unbeantwortet

Die Teuerungskrise hat die ungleiche Entwicklung der verfügbaren Einkommen verschärft. Während Haushalte am unteren Ende von den besonders starken Preisanstiegen bei Wohnen, Energie und Lebensmittel getroffen waren, kommt es bei Haushalten am oberen Ende 2024 bereits wieder zu realen Einkommenszuwächsen gegenüber 2021. Durch die solidarische gewerkschaftliche Lohnpolitik konnten und können zumindest die Lohnunterschiede innerhalb der unselbständigen Beschäftigten eingedämmt werden. Gänzlich unbeantwortet bleibt hingegen das Problem wachsender Vermögenskonzentration. Steigende Erbschafts-, Zins- und Mieteinkommen müssen künftig einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaats leisten.

Wirtschaftlich wieder Aufwärts

Es besteht die Hoffnung, dass 2024 ein wirtschaftlich besseres Jahr wird als das vergangene. Das hilft auch dem Budget und senkt den Konsolidierungsbedarf. Grundlage des Aufschwungs werden dabei die erkämpften Reallohnzuwächse – nach den inflationsbedingt besonders schwachen Jahren 2022 und 2023 – und die erstaunlich positive Beschäftigungsentwicklung sein. Die Investitionsdynamik wird angesichts der hohen Zinsen allerdings schwach bleiben, insbesondere in der Bauwirtschaft, aber auch in der Industrie.

Portrait Georg Feigl von der Arbeiterkammer.
Steigende Erbschafts-, Zins- und Mieteinkommen müssen den Sozialstaat stärker finanzieren, fordert der Ökonom Georg Feigl. | © Markus Zahradnik

Was daher fehlt, ist ein Investitionsschub, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Dieser sollte die Konjunktur beleben und gleichzeitig die drängenden Herausforderungen der Zukunft adressieren. Der 10-Punkte Plan des ÖGB vom Herbst 2023 hat hier die wesentlichen Prioritäten skizziert. Dazu zählen Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien und in die Netzinfrastruktur; eine Investitionsoffensive für die digitale und ökologische Transformation, die an soziale Kriterien und Standort- und Beschäftigungsgarantien geknüpft ist. Zur Stärkung der industriellen Basis Österreichs bedarf es dabei insgesamt einer stringenten industriepolitischen Strategie, um der drohenden Deindustrialisierung entgegenzuwirken.

Mehr öffentliche Investitionen reichen nicht aus – strategische staatliche Planung ist gefragt

Die Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen bedarf nicht nur öffentlicher (und privater) Investitionen. In den kommenden Jahren steht ein massiver Umbau unserer Energieversorgung und die Umstellung der Produktionsprozesse Richtung CO₂-neutrale Energieträger an. Große Mengen an fossilen Energieträgern wie Erdgas und fossiler Treibstoff müssen in kürzester Zeit durch klimaneutrale Alternativen ersetzt werden – eine Herkulesaufgabe historischen Ausmaßes. Marktinstrumente allein, wie etwa steigende CO₂-Preise, werden die ökologische Transformation nicht im notwendigen Tempo bewältigen können, sondern in erster Linie soziale Verwerfungen heraufbeschwören.

Die öffentliche Hand muss zusätzlich die Transformation aktiv orchestrieren – durch Elemente strategischer Planung. So müssten Transformationspfade für zentrale Sektoren wie Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft definiert werden. Dies sollte aber nicht hoheitlich-imperativ passieren, sondern unter aktiver Mitwirkung der Sozialpartner und der Kommunen. Das könnte im Rahmen von Transformationsräten (Regierung, Sozialpartner) passieren. Unternehmen müssen dann auf Basis der Zielvorgaben Transformationspläne vorlegen, wie sie CO₂-neutral werden wollen, aber auch wie die begleitenden Maßnahmen zur Absicherung der Beschäftigten aussehen.

Starke Strukturen

Zur Begleitung müssen starke Strukturen geschaffen werden, die sich als treibende Kraft eines derartigen Prozesses verstehen. Hier gibt es in Österreich bislang einen Flickenteppich vieler Ansätze, die zentral zusammen gedacht werden müssen. Wichtig ist, dass die Transformation von allen gemeinsam getragen wird und garantiert ist, dass qualitativ hochwertige Arbeitsplätze entstehen und diejenigen, die negativ betroffen sind, abgesichert werden. Ein Beispiel dafür ist eine Jobgarantie – eine Garantie auf Weiterbeschäftigung in einem gleichwertigen Job und einer Qualifizierungs- und Weiterbildungsstrategie. Außerdem müssen Ausbildungspläne für neue Lehrberufe entwickelt werden, die man in einer emissionsarmen Wirtschaft von morgen benötigt. Klimapolitik ist nicht nur Industriepolitik, sie ist auch Beschäftigungs-, Sozial- und Bildungspolitik.

Die Zeit läuft uns davon. Eine Wirtschafts- und Budgetpolitik, die gestaltet statt im Interesse der Krisenprofiteure verwaltet, ist drängender denn je. Die Weichen für die Zukunft werden jetzt gestellt.

Zu den Autor:innen
Helene Schuberth leitet seit Mai 2022 das Volkswirtschaftliche Referat des ÖGB. Georg Feigl ist stellvertretender Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien und Experte für öffentliche Haushalte sowie wohlstandsorientierte und europäische Wirtschaftspolitik.

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