Zwischen vierter Macht und Message Control

Illustration Montage (C) Adobe Stock
Unter Türkis-Blau hat die Pressefreiheit in Österreich einige Rückschläge hinnehmen müssen. Medienfreiheit, Informationsfreiheit und Meinungsfreiheit standen oft im Widerspruch zu der strengen Message Control der mittlerweile abgesetzten Regierung. Wie steht es um die Pressefreiheit in Österreich?
Die Pressefreiheit ist der Grundpfeiler journalistischen Arbeitens, der unabhängige Journalismus die Basis jeder Demokratie. Nicht umsonst handelt es sich bei der Pressefreiheit um ein in der Bundesverfassung garantiertes Grundrecht.
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igentlich sollte es sich bei der Pressefreiheit um einen unangreifbaren Wert handeln. Eigentlich ist hierbei das zentrale Wort, denn wie die Beispiele Ungarn, Polen und Türkei zeigen, kann sich das ganz schnell ändern. Zu den größten Feinden der Pressefreiheit zählen Zensur und in den schlimmsten Fällen sogar Inhaftierung von Journalistinnen. Zwar sieht es in Österreich noch nicht ganz so düster aus, jedoch hat sich die Situation der Medien als vierter Macht im Staat hierzulande laut „Reporter ohne Grenzen“ verschlechtert.

Wahrheiten aussprechen oder schweigen?

Von den Medien wird erwartet, über das politische Geschehen und was sich aktuell im Land tut zu informieren. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Medien frei und unabhängig berichten können, damit sich jeder seine Meinung bilden kann.

In seinem Statement zum mittlerweile allseits bekannten „Ibiza-Video“ verkündete Sebastian Kurz: „Ich habe versprochen, dass ich Wahrheiten aussprechen werde, auch wenn diese unangenehm sind.“ Davon war seit Beginn seiner (nun vorzeitig beendeten) Amtsperiode nicht viel zu merken – ging er doch als „Schweigekanzler 2.0“ in die Geschichte ein, ein Ausdruck, der sogar zum österreichischen Wort des Jahres 2018 gekürt wurde. Zu bestimmten Themen gab es seinerseits einfach keine Stellungnahmen. In der Begründung der Jury zum Wort des Jahres hieß es damals: „Kurz vermeide wiederholt jedwede Reaktion zu für ihn unangenehmen Themen und zu Handlungen und Äußerungen von Mitgliedern der Koalitionspartei, bei denen die Öffentlichkeit eine klärende Aussage des Bundeskanzlers erwarten durfte.“ Die sie aber nie bekam.

„Ich bin vor zwei Jahren angetreten, um Veränderung in unserem Land durchzusetzen“, so Kurz. Und ja, Veränderung hat es definitiv gegeben. Mal abgesehen von der politischen Agenda, die Unternehmensinteressen in den Vordergrund gestellt und ArbeitnehmerInneninteressen vernachlässigt hat, hat sich auch in Bezug auf die Pressefreiheit etwas massiv verändert. Oder genauer gesagt: verschlechtert. Die Rangliste der Pressefreiheit, die seit 2002 jährlich von Reporter ohne Grenzen erstellt wird, stellte Österreich in diesem Jahr kein gutes Zeugnis aus.

Bereits während der ersten Schwarz-Blau-Ära ist Österreich im Ranking nach unten gerutscht. Zwar konnte sich das Land nach dem Ende dieser Regierung wieder erholen und auf Platz 11 landen, doch dann kam Türkis-Blau, und schon ging es im Ranking wieder nach unten. Diesmal auf Platz 16. Rubina Möhring von Reporter ohne Grenzen meinte im Interview dazu: „Es ist immer noch eine vernünftige oder akzeptable Demokratie, aber beobachtungswürdig. Und das ist bedenklich.“

Vor allem seit Beginn der Koalition der Parteien ÖVP und FPÖ sind direkte Angriffe auf Medien häufiger geworden.

Reporter ohne Grenzen

Doch was hat zu dieser Verschlechterung im Ranking geführt? „Die massive Verschlechterung erklärt sich vor allem durch die direkten Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten durch die Politik. Vor allem seit Beginn der Koalition der Parteien ÖVP und FPÖ sind direkte Angriffe auf Medien häufiger geworden“, heißt es auf der Website von Reporter ohne Grenzen.

Armin Wolf, österreichischer Journalist und Fernsehmoderator, der der FPÖ wegen seiner „zu kritischen Fragen“ ein Dorn im Auge war, meint in einem Videointerview mit Zapp – Das Medienmagazin dazu: „Dass reihenweise Politiker von Regierungsparteien die Entlassung von Journalistinnen und Journalisten fordern, weil sie kritische Fragen stellen, finde ich besorgniserregend.“

Dass reihenweise Politiker von Regierungsparteien die Entlassung von Journalistinnen und Journalisten fordern, weil sie kritische Fragen stellen, finde ich besorgniserregend.

Armin Wolf, Journalist und Fernsehmoderator

Generell lässt sich sagen, dass es zu einigen Verschlechterungen in der Medienwelt gekommen ist. Möhring spricht dabei von einer „Hinwendung zu weniger demokratiepolitischem Interesse seitens der Regierenden“ und einer „zunehmenden Blindheit für politische Einflussnahme“. Auch die vermehrte Verbreitung von Social-Media-Kanälen hat ihren Beitrag dazu geleistet: „Social Media haben die Meinungsbildung beeinflusst. Und sie haben die politische Einflussnahme beeinflusst. Spitzenreiter ist hier in Österreich die FPÖ, die hochprofessionell FPÖ-Fernsehen macht auf YouTube […] und das verstärkt die zunehmende Blindheit für politische Einflussnahme in den Medien“, so Möhring. Und das, obwohl es ja eigentlich die Aufgabe der Medien ist, aufzuklären, aber auf solchen Seiten wird ihr zufolge „reine Propaganda“ betrieben.

Message Control

Wie Message Control unter Türkis-Blau funktionierte:

  • Ein Expertenteam von knapp 50 PR-Profis übernahm die absolute Kontrolle über den gemeinsamen Außenauftritt.
  • Minister haben nicht mehr selbst autonom entschieden, was sie wann und wo sagen.
  • Es wurde nur noch das Nötigste preisgegeben.
  • Und wenn das nicht funktioniert: Diskussion verweigern oder die Quelle diskreditieren.
Und noch eine Veränderung gab es unter Türkis-Blau: die sogenannte „Message Control“ – ein Expertenteam von knapp 50 PR-Profis, das die absolute Kontrolle über den gemeinsamen Außenauftritt übernommen hatte. Minister, die nicht mehr selbst autonom entschieden haben, was sie wann und wo sagen. Mit der Folge, dass nur noch das Nötigste preisgegeben wurde und das auch nur dann, wenn es zur jeweiligen Agenda des Wochenschwerpunkts passte. Möhring meinte dazu: „Bei der Message Control wird das Thema des Tages vorgegeben von der Regierung: Es wurde aufgeteilt unter den entsprechenden Ministerien, um so die Information zu lenken.“ Und dabei ging es nicht nur um die Fokussierung auf ein Hauptthema, sondern auch um die Ablenkung von anderen Themen. Bevor also politische Vorhaben im Ministerrat zur Sprache gebracht wurden, streute man bereits die richtigen Informationen in den Medien, die das Fundament legen sollten. Was der Sache nicht dienlich war, wurde bewusst ausgeklammert.

Keine Konflikte in der Öffentlichkeit austragen zu wollen und gemeinsam als Einheit aufzutreten, das ist nichts Neues. Das haben auch schon andere Regierungen zuvor versucht. Doch was als reine Kommunikationsstrategie begann, die straff an den Zügeln gehalten wurde, entwickelte sich seit Amtsantritt immer mehr zu Message Control. Das übergeordnete Ziel war die Einigkeit, was sich auch in den Richtlinien des Innenministeriums widerspiegelte. Darin heißt es: „Die Öffentlichkeitsarbeit hat nach den Grundsätzen ‚one voice – one message‘ zu erfolgen.“ Kommt diese zu spät, wird die Diskussion verweigert oder die Quelle diskreditiert. Nicht nur einmal stand dabei die Anschuldigung im Raum: „Es handelt sich um eine Falschinformation.“

Persönliche Angriffe auf Journalisten

Neben verweigerten Kommentaren gab es zahllose Beispiele für persönliche Angriffe und Diskreditierungsversuche. Man denke nur an den ZIB 2-Auftritt von Harald Vilimsky, der Armin Wolfs Fragen vor laufender Kamera als Skandal bezeichnet hatte. Wann immer ihm die Argumente ausgingen, setzte er auf Angriff:

Vilimskys Antwort auf das Braunau-Debakel: „Sie laden mich hier ein anlässlich der Präsentation unserer Europa-Kampagne und kommen mir mit solchen Sachen. Das ist etwas, das ich überhaupt noch nicht erlebt habe im ORF. Das hat eine Qualität, die nach unten offen ist. Es ist jenseitig, Herr Wolf, was Sie da machen. […] Ich halte es für skandalös, hier diese Unterstellung zu machen. […] Ich halte das für einen Skandal der Sonderklasse.“

Weiter ging es mit der Frage nach dem 2016 von der FPÖ unterzeichneten Kooperationsvertrag mit der Regierungspartei in Russland. Anstatt sachlicher Erklärungen folgte auch hier der Vorwurf absurder Unterstellungen: „Erstens stimmt das nicht: Wir haben keinen Kooperationsvertrag unterzeichnet, es nennt sich ‚Memorandum of Understanding‘. Das ist eine wechselseitige Bekundung, im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich zu kooperieren. Ich finde da nichts Schlechtes daran. Und jetzt hochziehen zu wollen, dass die ganzen russischen Ivans hier als Spione tätig sind und unsere Wahl beeinflussen, halte ich für absurd. Ich halte es genauso für absurd, uns eine Nähe zu Russland zu unterstellen.“

Und schließlich die abschließende Erzürnung: „Ich bin da eingeladen zu einer Befragung – Diskussion ist das ja keine – über europapolitische Inhalte und muss mich herumärgern über derartig absurde Dinge.“ Bereits am nächsten Tag folgten unzählige Schlagzeilen, die Vilimskys Stellungnahme nach dem Fernsehauftritt aufgriffen: „Wäre ich Generaldirektor, dann würde ich Wolf vor die Tür setzen.“

Beeinflussung der Pressefreiheit

Betrachtet man dieses Fernsehinterview exemplarisch für die Strategie der ehemaligen Bundesregierung, ist auch die folgende Feststellung von Rubina Möhring nicht mehr weiter verwunderlich: „Es gab vom bisherigen Innenminister den Ukas, dass bei der Weitergabe von Informationen aus dem Innenministerium oder von seinen örtlichen Polizeistationen unterschieden werden sollte zwischen den sogenannten guten und bösen Zeitungen oder Medien. […] Und das ist natürlich auch eine Beeinflussung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit. Das ist Zensur, und Zensur hat mit Medienfreiheit nichts zu tun.“

Das ist Zensur, und Zensur hat mit Medienfreiheit nichts zu tun.

Rubina Möhring, geschäftsführende Präsidentin von Reporter ohne Grenzen

Die gute Nachricht: Mit der Message Control ist es durch die Absetzung der Regierung vorerst vorbei. Bleibt nur zu hoffen, dass das vorzeitige Ende von Türkis-Blau dazu führt, dass sich die Medienlandschaft unseres Landes wieder erholt und die Pressefreiheit wieder den Stellenwert erhält, den es für eine unabhängige Berichterstattung und einen freien Journalismus braucht.

Über den/die Autor:in

Beatrix Ferriman

Beatrix Ferriman hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

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