Lange Transportwege
Ernst Tüchler, Referent im volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB, kennt die Milchwirtschaft in Österreich sehr gut und hat Einblicke in die Preisbildung. Er betont zunächst die extrem hohe Qualität der Milch aus Österreich. Diese rechtfertige sicher zum Teil höhere Preise. Ein weiterer Grund für die Preisdifferenz liegt darin, dass in Deutschland der Anteil an Haltbarmilch wesentlich größer ist als hierzulande, wo das Angebot an Frischmilch überwiegt, welche teurer verkauft wird.
Einer der klaren Preistreiber sind Tüchler zufolge aber die relativ langen Transportwege verbunden mit im europäischen und internationalen Vergleich kleinen Firmengrößen bzw. Bauernhöfen: „Die Transportkosten vom Bauern machen einen großen Anteil am Preis aus.“ Laut Agrarmarkt Austria lag der Preis für einen Liter Milch mit 4,2 Prozent Fetteinheiten ab Hof 2016 bei gerade einmal 31,2 Cent.
Im Februar 2017 kostete die Milch laut AK-Warenkorb netto 89 Cent. Die Differenz von in diesem Beispiel 58 Cent setzt sich aus den Transportkosten in die Molkerei, den Löhnen und Gehältern der Molkerei-MitarbeiterInnen, den Kapitalkosten der Molkereien und der Spanne bei den Supermärkten zusammen. Wohlgemerkt werden für den AK-Warenkorb die jeweils billigsten Produkte herangezogen, was darauf schließen lässt, dass die Differenz meist noch größer ist.
Rund ein Drittel der gesamten österreichischen Milchproduktion kommt aus Oberösterreich. Rund 200 Verarbeitungsbetriebe stellen dann aus dem Rohstoff Milch diverse Produkte her – von Butter über Schlagobers bis hin zu Käse und Frischkäsezubereitungen. Der umsatzstärkste Molkereibetrieb in Österreich ist Berglandmilch, und zwar mit großem Abstand zu NÖM auf Platz zwei. Platz drei belegt Gmundner Milch. Natürlich kommen Milch und Milchprodukte, die in Österreichs Supermärkten landen, nicht nur von österreichischen Betrieben. Allerdings legen die KonsumentInnen hierzulande bei Milcherzeugnissen besonders viel Wert auf heimische Ware. Das geht aus einer Studie von Fessel-GfK von 2010 hervor, die sich mit den Kaufentscheidungsgründen für Produkte befasste. So antworteten 65 Prozent der Befragten, dass sie bei Milch und Butter darauf achten, ein österreichisches Produkt zu kaufen, bei Käse waren es 48 Prozent. Zum Vergleich: Nur 17 (Milch und Butter) bzw. 13 Prozent (Käse) ist wichtig, ein Bioprodukt zu kaufen.
Abhängigkeitsverhältnisse
In Österreich gibt es eine sehr hohe Marktkonzentration im Lebensmittelhandel, was ihm eine große Marktmacht gibt. Diese Konzentration hat sogar die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Juni 2007 festgestellt. In der entsprechenden Schlussfolgerung der BWB heißt es: „Fest steht, dass der Lebensmittelhandel in Österreich einen – auch im gesamteuropäischen Vergleich – sehr hohen Konzentrationsgrad aufweist. Wettbewerbsdruck geht vorwiegend vom wachsenden Diskonthandel aus, der ‚traditionelle‘ Lebensmittelhandel hingegen ist hochkonzentriert.“
Und die Behörde folgert: „Die Untersuchung der Marktverhältnisse auf verschiedenen Beschaffungsmärkten hat neben der erwähnten Marktkonzentration weitere deutliche Hinweise für das Bestehen ausgeprägter Nachfragemacht ergeben: Die hohe Abhängigkeit ist aufgrund der Marktverhältnisse evident, ein Ausweichen auf andere Absatzkanäle, wie etwa den Export, ist nicht ohne Weiteres möglich.“ Der Verlust eines großen Abnehmers berge für Erzeuger und Importeure „die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile“. Wenn starke Herstellermarken fehlen und die Angebotsseite wenig konzentriert sei, sei „der Nachfragemacht kaum Grenzen gesetzt“.
Teuer trotz (?) Marktmacht
Die Marktmacht der Lebensmittelhändler müsste sich eigentlich positiv auf die Preise im Supermarktregal auswirken, denn sie deutet darauf hin, dass die Händler zu relativ günstigen Preisen bei Molkereibetrieben einkaufen können. Ernst Tüchler vom ÖGB meint aber: „Wie die Supermärkte genau zu ihren Preisen gelangen, darüber wissen wir nichts.“ Klar dürfte sein, dass der Handel heute mehr mitschneidet als noch vor knapp 30 Jahren: So lagen die Spannen im Lebensmittelhandel laut Tüchler Anfang der 1990er-Jahre bei 14 Prozent, Anfang der 2010er-Jahre bei rund 28 Prozent.
Wie genau die Supermarktpreise für Agrarprodukte zustande kommen, ist wenig transparent. Eine Nachfrage beim Verein für Konsumenteninformation etwa dazu, wie der Butterpreis festgesetzt wird, der zuletzt stark angestiegen ist, ergab keine Antwort: Man wisse, wie die Preise etwa von Turnschuhen oder Modeartikeln entstehen, nicht aber, wie der Butterpreis zustande komme. Wichtig wäre eine höhere Transparenz durchaus – nicht zuletzt, weil sich die Preise für Lebensmittel auch im täglichen Einkauf der KonsumentInnen niederschlagen. Und falls, wie manche unterstellen, tatsächlich Absprachen für die hohen Preise verantwortlich sind, wäre eine Aufklärung dieser Geschäftspraktiken an der Zeit.
AK Preismonitor – Wien ist teurer als Berlin:
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Alexandra Rotter
Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.
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