Intransparenz der Signa Holding GmbH
Der Elbtower in Hamburg – mittlerweile eine 100 Meter hohe, verlassene Trostlosigkeit zwischen Bahnstrecke, Autobahn und Elbe – ist das perfekte Beispiel dafür, wie intransparent Geschäfte bei der Signa Holding unter René Benko abliefen. Um eine Baugenehmigung für das Hochhaus zu erhalten, hätte Benko der Hamburger Bürgerschaft eine Vorvermietungsquote von mindestens 30 Prozent nachweisen müssen. Die Quote erfüllte die Signa Holding, weil sie die Hamburg Commercial Bank (HCoB) als Mieterin präsentierte – es ging um satte 11.000 Quadratmeter.
Die HCoB benötigte neue Räumlichkeiten, weil die Bank ihr altes Büro verkauft hatte – an die Signa-Gruppe. Und das für stolze 220 Millionen Euro, wie die Zeitung „Die Zeit“ herausfand. Damit die Signa sich das Geschäft überhaupt leisten konnte, lieh sie sich 166 Millionen Euro. Von der HCoB. Gegenüber dem Handelsblatt mutmaßt Markus Schreiber, SPD-Politiker und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, dass die Signa absichtlich zu viel bezahlt habe, damit die Bank mit dem Geld später die Miete zahlen konnte.
Und solche Beispiele der Intransparenz sind bei der Signa Holding von René Benko keine Seltenheit. Es zeigt, wie hoch der Einfluss wohlhabender Menschen auf die Politik ist. Nach dem Konkurs präsentierte der Masseverwalter ein Organigramm aus mehr als 1.000 Gesellschaften, visualisiert auf 46 Seiten im A3-Format. Die Muttergesellschaft – besagte Signa Holding GmbH – unterlag dabei nicht einmal der Konzernabschlusspflicht, wie Helmut Gahleitner, Heinz Leitsmüller und Markus Oberrauter von der Arbeiterkammer (AK) ausführen.
Diese Rechtslücken nutzte die Signa
Rein rechtlich betrachtet ist die Signa Holding GmbH nicht mehr als eine sogenannte kleine Kapitalgesellschaft. Dies liege daran, dass die Signa Holding kaum Umsätze, sondern nur Finanzerträge aus Beteiligungen erzielt habe und auch nur 40 Mitarbeiter(innen) beschäftigt habe, so die drei AK-Experten. Was es aber dennoch gibt, ist die Offenlegungsvorschrift. Die hat die Signa Holding allerdings kontinuierlich missachtet. Es gibt den Verdacht, dass die Signa Holding fällige Strafzahlungen – über die Jahre immerhin mehrere Hunderttausend Euro – als Personalkosten klassifiziert und von der Steuer abgesetzt hat.
Entsprechend deutlich äußert sich Ingrid Reischl zu dem Thema. Sie ist ÖGB Bundesgeschäftsführerin. „Die Insolvenzen in der Signa-Gruppe zeigen uns klar, dass Gesetzeslücken so lange nicht auffallen, bis sie jemand ausnützt und Schaden verursacht. Das Finanzdesaster brachte die gröbsten Lücken ans Tageslicht und eine Lehre, die wir daraus ziehen müssen, ist, dass Bilanz-Verschleierung kein Geschäftsmodell sein darf.“ Sie betont, dass nur deutlich spürbare Strafen gewährleisten könnten, dass Unternehmen ihren gesetzlichen Offenlegungspflichten nachkommen. „Eine Konstruktion wie die Signa Holding darf in Zukunft keine ‚kleine GmbH‘ mit reduzierter Berichtspflicht sein“, so Reischl weiter.
Pleite der Signa Holding: Gesetzesänderungen könnte kommen
Justizministerin Alma Zadić hat auf die Bilanzsäumigkeit der Signa Holding reagiert und Pläne zur Verschärfung der Regelungen vorgelegt. Ein Vorstoß, der auch seitens der AK auf breite Zustimmung stößt. „Nur umfassende gesetzliche Änderungen können künftig Missbrauch von Schlupflöchern verhindern“, erklärt etwa Tobias Schweitzer. Er ist Bereichsleiter bei der AK. Dass die Signa Holding GmbH angesichts einer Bilanzsumme von 5 Milliarden Euro eine kleine Kapitalgesellschaft gewesen sei, sei inakzeptabel. „Eine Gesellschaft mit extrem hoher Bilanzsumme muss grundsätzlich als mittelgroß oder groß eingestuft werden“, so Schweitzer.
Obwohl das #Signa-Imperium mehr als 1.000 Gesellschaften im In- und Ausland umfasst, unterlag die Muttergesellschaft weder Prüfungs- noch Konzernabschlusspflicht. Wie das möglich ist, erklären Helmut Gahleitner, Heinz Leitsmüller & Markus Oberrauter: https://t.co/txXNMSGQDW pic.twitter.com/bTSj4AtMfI
— A&W Blog (@AundW) January 12, 2024
Auch Gahleitner, Leitsmüller und Oberrauter haben einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der die Gesetzeslücken schließen und Fälle wie den von René Benkos Signa Holding GmbH verhindern sollen. Sie teilen ihre Vorschläge, die sie auf dem A&W-Blog veröffentlicht haben, in Kategorien auf.
- Bereich der Größenklassen und Rechnungslegung
- Eine Kapitalgesellschaft mit besonders hoher Bilanzsumme sollte als mittelgroße oder große Kapitalgesellschaft eingestuft werden. Unabhängig von Umsatz und Zahl der Beschäftigten.
- Beteiligungserträge sollten zu den Umsatzerlösen zählen.
- Ausweitung der „Holding-Bestimmung“. Diese bezieht sich bislang auf Aktiengesellschaften, sollte aber auch für Kapitalgesellschaften angewendet werden.
- In vielen Fällen wird bei kleinen GmbHs ein freiwilliger oder gesetzlicher Aufsichtsrat oder Beirat eingerichtet. Die Einschränkung, wonach eine kleine GmbH nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Aufsichtsratspflicht prüfungspflichtig ist, ist nicht gerechtfertigt.
- Bereich der Offenlegungspflicht von Jahres- und Konzernabschlüssen
- Das Strafmaß ist zu niedrig. Es sollte angehoben werden.
- Ein Aufsichtsrat muss prüfen, ob die Offenlegungspflicht eingehalten wurde. Wenn nicht, darf die Geschäftsführung nicht entlastet werden.
- Kein Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht im darauffolgenden Jahr.
- Verpflichtende Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens bei mehrjähriger Nichtveröffentlichung des Jahres- oder Konzernabschlusses.
- Verbesserung der Transparenz bei Privatstiftungen durch eine Offenlegungspflicht des Konzernabschlusses.
- Keine Förderungen bei Missachtung der Offenlegungspflichten.
Was bei der Pleite der Signa Holding GmbH untergeht, sind die enormen Zuschüsse, die sich René Benko vom Staat hat auszahlen lassen.