Peter Eder im Interview: „Wir legen den Finger in die Wunde“

Peter Eder im Interview
„Wer uns kennt weiß, dass wir immer lösungsorientiert denken“, erklärt AK Salzburg-Präsident Peter Eder. | © AK Salzburg
Mitten in der Stromkrise einigte sich die AK Salzburg mit der Salzburg AG auf eine massive Entlastung für die Konsument:innen. Peter Eder, Präsident der AK Salzburg, erklärt, wie es dazu kam.
Wenn der Strommarkt keine Regeln kennt, wird es schnell existenzbedrohend: Bei der AK Salzburg liefen die Telefone heiß, als die Salzburg AG ankündigte, die Strompreise zu erhöhen. Einfach so 300 Euro mehr bezahlen? Ein echtes Problem für viele Salzburger:innen. Erst ein von der AK Salzburg und der AK Tirol in Auftrag gegebenes Strompreisgutachten stellte fest: Die Strompreiserhöhungen sind rechtswidrig. Peter Eder, Präsident der Arbeiterkammer Salzburg, erklärt im Interview die Hintergründe.

Zur Person
Peter Eder (geb. 1969) engagierte sich bereits während seiner Lehre zum Maschinenschlosser in der Salzburger Aluminium AG (SAG) als Jugendvertrauensrat. Mit 22 Jahren wurde er Jugendreferent, später Jugendsekretär beim ÖGB. 1995 wechselte Peter Eder in die Metallergewerkschaft, nach Fusionen mit anderen Gewerkschaften wurde er 2013 Landessekretär der Gewerkschaft PRO-GE. Eder ist seit 2018 Präsident der Arbeiterkammer Salzburg und seit 2022 ÖGB-Landesvorsitzender.

Arbeit & Wirtschaft: Herr Eder, ein Strompreisgutachten der AK zu den Preiserhöhungen der Salzburg AG hat zu einer Entlastung von mehr als 140 Millionen Euro für die Salzburger Konsument:innen geführt. Wie kam es dazu?

Peter Eder: Es wurde zunächst einmal verneint, dass zu viel verlangt wurde und argumentiert, dass die Preise in Ordnung sind. Das hat der Landeshauptmann als Aufsichtsratsvorsitzender auch so im Landtag erklärt. Gemeinsam mit der AK Tirol haben wir ein Gutachten erstellen lassen, das im Februar 2023 fertig war. Es ist zum Schluss gekommen, dass das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz ELWOG §80 (2) sich so nicht wiederfindet. Der Absatz sieht eine Informationspflicht vor, dem wurde nicht nachgekommen, weswegen die Änderungen nichtig sind.

Das heißt: Die Erhöhung hätte nicht geschehen dürfen.

Ja, denn es wurde für die Kund:innen nicht nachvollziehbar gestaltet.

Wie haben die Verantwortlichen darauf reagiert?

Das Gutachten wurde dem neuen Vorstand vorgelegt. Zunächst hieß es, dass sich mit etwaigen Nachzahlungen Gerichte befassen müssten. Doch der ab Anfang 2023 neue Vorstandssprecher ist in Verhandlungen getreten und in mehreren Gesprächs- bzw. Verhandlungsrunden kamen wir dann zu dem guten Ergebnis. Hätten wir alles eingeklagt, hätte das Jahre gedauert, beide Seiten waren siegessicher – aber schnelle Hilfe war in diesem Moment wichtiger. Als erste Maßnahme wurde der neue Stromtarif von 27 Cent netto auf 19,9 Cent pro Kilowattstunde gesenkt. Das sind rund 105 Millionen Euro. 17 Millionen Euro werden an jene ausbezahlt, deren Verbrauch nicht vollständig von der Strompreisbremse erfasst wurde. Ein weiteres 2-Millionen-Euro-Paket wird für eine PV-Anlage verwendet. Dieser Strom ist nicht nur nachhaltig, sondern auch sozial. So kann wirtschaftlich schlecht gestellten Haushalten sehr günstiger Strom verkauft werden – und das für zehn Jahre. Und das dritte Paket umfasst bis zu 30 Freistrom-Tage. Das sind bis zu 20 Millionen Euro – insgesamt beläuft sich die Summe auf ungefähr 144 Millionen Euro, pro Kund:in sind das bis zu 500 Euro. Das ist für viele eine ordentliche Summe. Wir haben teilweise auch handgeschriebene Dankesbriefe bekommen.

Das hört sich nach viel an, aber der Umsatz der Salzburg AG lag 2022 bei rund 2,5 Milliarden Euro.

Ja, allerdings waren die Gewinne niedrig. Das hängt aber nicht vom Strompreis alleine ab, sondern vom geringen Gaspreis. Wir haben die Bilanz der Salzburg AG auf Herz und Nieren geprüft und tief reingearbeitet. Die Summen sollten keinesfalls zu niedrig sein, aber auch nicht zu hoch. Vielleicht wäre etwas mehr möglich gewesen, aber wir wollten einen Kompromiss erreichen, den beide Seiten vertreten können. Wer uns kennt, weiß, dass wir immer lösungsorientiert denken und nicht am Image des Unternehmens kratzen. Das ging ja so weit, dass Häuser, vor denen Autos der Salzburg AG standen, mit Eiern beworfen wurden oder den Autos die Luft aus den Reifen gelassen wurden. Wir wollten diese Emotion auch einfangen und das ist uns gemeinsam mit dem neuen Vorstandssprecher gelungen.

Stimmt meine Rechnung, wenn ich sage: Ohne der AK Salzburg gebe es 0 Euro über die von der Regierung hinaus gehende Strompreisbremse?

Die 144 Millionen Euro hätte es nicht gegeben, genauso wenig übrigens eine schon zuvor ausverhandelte Preisbremse für Kund:innen mit Wärmepumpe.

Inwiefern kann bzw. muss diese Einigung ein Role Model für andere Landesenergieversorger sein?

Es ist notwendig zu erkennen, dass der Markt Regeln braucht. Bis zum russischen Angriff auf die Ukraine haben wir uns doch nicht einmal darum gekümmert, wie sich der Strompreis zusammen setzt. Das mussten wir auch nicht wissen, weil er sehr niedrig war. Dann kommt auf einmal das Merit-Order-Prinzip zum Vorschein. Das ist ein perverses System, das zeigt, wie viel gezockt wird. Es ist aber anders als beim Aktienmarkt. Wenn Sie und ich Aktien kaufen und die verlieren an Wert, tragen Sie und ich das Risiko. Bei dem „Spiel“ der Energieversorger tragen die Kund:innen das Risiko. Kauf und Verkauf kann den Unternehmen egal sein, weil sie die Preise an die Endverbraucher:innen weiter geben. Es wird Zeit, dass sich die Regierenden über andere Regularien, Nachvollziehbarkeit und Preistransparenz Gedanken machen. Bei Fernwärme kann man beispielsweise gar nicht auf einen anderen Anbieter wechseln. Und niemand weiß, wie sich das zusammensetzt. Das Ministerium könnte hier mit einem Federstrich Klarheit schaffen. So einfach, dass die Kund:innen es nachvollziehen können.

Wenn Sie und ich Aktien kaufen und die verlieren an Wert, tragen Sie und ich das Risiko. Bei dem „Spiel“ der Energieversorger tragen die Kund:innen das Risiko.  

Peter Eder, Präsident der AK-Salzburg

Landesenergieversorger verhalten sich wie privatwirtschaftliche Unternehmen, umgekehrt gehören sie der Öffentlichkeit. Ein Konstruktionsfehler?

Die Fehlentwicklung liegt daran, dass die Grundversorgung in Aktiengesellschaften umgewandelt wurde. Besser wäre eine Holding. Die Politik kann hier leichter durchgreifen – eine AG hat weniger Gestaltungsrechte. Salzburg hat den großen Fehler gemacht, dass es die Energie AG Oberösterreich mit 26 Prozent in die AG geholt hat. Sprich: Stadt und Land können nicht alleine entscheiden, weil Oberösterreich eine Sperrminorität hat. Meiner Meinung nach sollten Energieversorger in öffentlicher Hand sein, sodass für die Bevölkerung gestaltet werden kann. Früher hieß es immer „weniger Staat, mehr privat”. Vielleicht hat die Corona-Krise da etwas geändert, aber es wird wohl schwierig, viele Unternehmen wieder einzugliedern. ÖBB, Post oder Asfinag und so weiter sind ja nach Aktienrecht strukturiert. Die dortigen Managements agieren rein privatwirtschaftlich, nicht bürger:innenorientiert.

Welche Erfolge können Sie als AK Salzburg seit den letzten AK Wahlen 2019 noch vermelden?

Es passiert in den Arbeiterkammern so viel, sonst hätten wir im OGM-Vertrauensindex nicht solche Topwerte. Das zeigt, dass wir in allen Bundesländern sehr viel erreicht haben. Dank unserem Know-How und unserer Expertise konnten wir gegenüber der Politik immer wieder aufzeigen, wie Menschen unterstützt werden können. In Salzburg wollte das Land etwa Diplomausbildungen nicht mehr finanzieren. Weil es aber nicht sein kann, dass wir Fachkräfte suchen, aber nicht ausbilden, haben wir gemeinsam mit dem AMS die Initiative ergriffen, und konnten die Förderung der Ausbildung verlängern. Oder: 19.000 Kinder brauchen Nachhilfe – wer wenig Geld hat, kann sich keine Nachhilfe leisten. Das ist doch keine Chancengerechtigkeit! Wir als AK Salzburg haben gratis Nachhilfe finanziert, weil wenn schon die politisch Verantwortlichen nichts tun, um diese soziale Schieflage auszugleichen, machen wir es eben selber. Wir helfen den Menschen tagtäglich, klären und klärten auf, etwa in Sachen Corona-Verordnungen, Kurzarbeit oder Home Office-Vorgaben. Es ist extrem viel Großes und Kleines passiert, mit den Gewerkschaften und dann auf Sozialpartnerebene. Auch im Service greifen wir den Menschen unter die Arme, von arbeitsrechtlichen Fragen über 18 Millionen zurückgeholte Steuer bis hin zu einer Tauschbörse für Wintersportartikel.

Die AK ist eben in manchen Dingen schneller in der Umsetzung.

Wir legen den Finger in die Wunden und machen Druck, etwas umzusetzen und lassen nicht locker. Bleiben wir bei der Nachhilfe: Ich habe schon mit der zuständigen Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) darüber gesprochen. Mir wurde mitgeteilt, dass, wenn die Landesregierung Nachhilfe unterstützt, man sich eingesteht, dass das Bildungssystem Probleme hat. Sie könnten schon schnell reagieren. Wir als AK versuchen, mit Initiativen, die Politik anzustoßen, Dinge umzusetzen. Bei der Nachhilfe und den Diplomausbildungen ist es uns gelungen. Wir sind gemeinsam mit den Gewerkschaften diejenigen, die sich für die Menschen einsetzen, während die, die jetzt am Ruder sind, den Menschen nicht weiterhelfen und keine Probleme lösen. Viel schlimmer als jetzt, mit Problemen in Gesundheit, Pflege, Bildung, Wohnen oder Teuerungen kann es nicht mehr werden.

Am 26.01.2024 kommt es zur nächsten AK-Wahl. Welche Themen hätten Sie 2029 gerne nicht mehr auf der Agenda?

Leistbares Wohnen ist ein Riesenthema, es treibt Menschen in die Armut. Unsere Landesregierung tut nichts. Da muss wirklich etwas passieren, wir haben eigentlich keine Zeit mehr. Genauso beim Thema Gesundheitssystem. Es braucht auch hier Chancengerechtigkeit und Versorgungssicherheit. Es braucht Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit, damit die Beschäftigten in diesem und in anderen Bereichen nicht ausbrennen. Außerdem haben sie sich eine faire Entlohnung verdient.

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