Ob die Post damals allen was brachte, wie ein Slogan der Jetztzeit behauptet („Die Post bringt allen was“), kann bezweifelt werden – und doch war die Einrichtung des modernen Postwesens damals der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte Made in Austria (Hungary). Die Post hat in den vergangenen Jahrhunderten einiges erlebt und überlebt. Der letzte grobe Einschnitt ereignete sich ab 2004. Die Schüssel-II-Regierung (ÖVP-FPÖ//BZÖ) beschloss die Privatisierung der Post. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser ging davon aus, dass die Post durch einen Börsengang „gestärkt“ würde. Mit Mai 2006 war es soweit und die Österreichische Post notierte an der Wiener Börse.
Viele Beteiligungen der Post, weniger Personal
Nach dem Börse-Gang wuchs die Zahl an inländischen und ausländischen Beteiligungen. Besonders nach Osteuropa und in die Türkei wurden von Seiten der Post die Fühler ausgestreckt. So sorgte beispielsweise im Sommer 2020 die Mehrheitsübernahme des türkischen Paketdienstleisters Aras Kargo für Aufsehen. Die Österreichische Post AG hielt seit 2013 25 Prozent an dem Unternehmen und erhöhte vergangenes Jahr, nach einigem vorausgehenden Hickhack, den Anteil auf 80 Prozent. „Ich bin froh, dass die vor vielen Jahren vereinbarte Erhöhung unserer Beteiligung an Aras Kargo nun schlussendlich erfolgt ist“, sagte Post-Direktor Georg Pölzl damals. Pölzl sah die Türkei als Zukunftsmarkt, dynamisch und mit großen Wachstumsperspektiven.
Personalentwicklung Österreichische Post, Inland
25.000 Mitarbeiter:innen
20.000 Mitarbeiter:innen
23.000 Mitarbeiter:innen
Paketvolumen + 30 %
Im Ausland hat man nun mehr Mitarbeiter:innen, hierzulande werden es eher weniger statt mehr Postbediensteter. Und das fast jährlich. Von 25.000 Mitarbeiter:innen 2010 auf rund 20.000 im Jahr 2019. Im Jahr 2020 gab es dabei wieder einen pandemiebedingten-Zuwachs auf beinahe 23.000 Mitarbeiter:innen. Denn mit dem ersten Lockdown im März 2020 zog die Onlineshopping-Laune der Österreicher:innen gehörig an. Das Paketvolumen stieg im ersten Halbjahr 2020 um 20 Prozent und um zwei Prozent bei den Werbesendungen an, bei einem gleichzeitigen Personalanstieg um 11,5 Prozent. Zu Jahresende 2020 war es sogar eine Steigerung um 30 Prozent, wie die Post in einer Presseaussendung bekanntgab.
165 Millionen Pakete wurden vergangenes Jahr transportiert. 2019 waren es noch 127 Millionen. Besonders in der Vorweihnachtszeit hatten die Mitarbeiter:innen große Belastungen zu stemmen und es wurde auf viele Leiharbeiter:innen in Verteilerzentren gesetzt. So mussten alleine am 7. Dezember vergangenem Jahres 1,3 Millionen Pakete abgefertigt werden. Im Durschnitt kamen in den Wochen vor Weihnachten 800.000 Sendungen täglich zusammen.
Schneckenpost
„Auch in diesem Jahr werden in der Vorweihnachtszeit wieder eindeutig mehr Leiharbeiter:innen für die Post arbeiten“, meint Susanne Bauer von der AK-Steiermark. Als Leiterin der Abteilung Marktforschung führte sie im Jahr 2018 gemeinsam mit weiteren Kolleg:innen der AK eine ausführliche Studie über die Arbeitswelt der Paketzusteller:innen und der Branchenstruktur in der Steiermark durch.
Das Personalmanagement muss unserer Forderung nach mehr Personal endlich in vollem Umfang nachkommen. In Zahlen bedeutet das, dass 1.000 neue Mitarbeiter:innen im gesamten Bereich der Zustellung aufgenommen werden müssen.
Post-Gewerkschafter und GPF-Vorsitzender Helmut Köstinger
Dass die Post zu wenig Personal hat, merkt man in manchen Gegenden sehr stark. So gibt es in Linz Rayons, in denen abonnierte Monatsmagazine schon mal eineinhalb Wochen nach Erscheinen zugestellt werden. Wochenzeitungen kommen manchmal nur knapp, bevor die nächste Ausgabe am Kiosk erhältlich ist. Auf Anfrage bei der Post bekam Arbeit&Wirtschaft die Antwort, dass hier eine Zeit lang massive Personalmangel geherrscht habe, dieser aber mittlerweile behoben sei. „Das Personalmanagement muss unserer Forderung nach mehr Personal endlich in vollem Umfang nachkommen“, sagt der Post-Gewerkschafter und GPF-Vorsitzende Helmut Köstinger. „In Zahlen bedeutet das, dass 1.000 neue Mitarbeiter:innen im gesamten Bereich der Zustellung aufgenommen werden müssen.“
Der Drehtüreffekt
Der Aufwärtstrend an zuzustellenden Paketen dürfte auch 2021 anhalten. Doch ähnlich wie bei Paketdienstleistern (UPS, GLS usw.) setzt die Post mittlerweile auch auf selbstständige Subunternehmer:innen und Leiharbeiter:innen. „Man kann sich Paketdienstleister in etwa so wie einen Baum mit Ästen vorstellen. Die großen Logistikkonzerne sind zumeist Aktiengesellschaften. Die Konzerne haben die Marke und das Drehkreuz. Darunter kommen die größeren Verteilzentren, die teilweise bereits von Tochterfirmen betrieben werden und dann geht es runter zu kleineren und mittleren Unternehmen von bis zu 100 Mitarbeiter:innen, die oftmals für einen Auftraggeber arbeiten. Und diese wiederum lassen Transporte durch sogenannte Ein-Personen-Unternehmen durchführen“, sagt Bauer von der AK Steiermark. Man könne hier von einem Drehtüreffekt sprechen. Der Auftrag wird von einem Unternehmen angenommen, dann dreht es sich weiter und der Auftrag wird an das nächste Unternehmen übergeben, das dann den nächsten Schritt macht. Und so weiter. Somit bleibt überall etwas Geld hängen und die, die am schlechtesten aussteigen, sind am Ende die Zusteller:innen selbst.
Auch bei der Post: jederzeit kündbar
Selbstständige Postler:innen bekommen einen Akkordlohn für die zugestellten Pakete. Veronika Bohrn Mena, die sich bei der GPA lange mit atypischer Beschäftigung auseinandersetzt hat, berechnet, dass man im Schnitt 150 zugestellte Pakete am Tag erreichen sollte, wenn man nach einem 12-bis-14-Stunden-Tag 75 Euro verdienen möchte. Denn der Lohn für die Zustellung eines Pakets liegt in der Regel unter 50 Cent.
Für manche ist es ein Rund-um-die-Uhr-Job. Bei unseren Interviews 2018 hat sich gezeigt, dass teilweise die ganze Familie mitgeholfen hat.
Susanne Bauer, AK-Steiermark
„Für manche ist es ein Rund-um-die-Uhr-Job. Bei unseren Interviews 2018 hat sich gezeigt, dass teilweise die ganze Familie mitgeholfen hat“, so auch Bauer von der AK-Steiermark. Die Marktforschungsexpertin betont allerdings, dass bei der Österreichischen Post die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den Paketdienstleistern bessere sind.
Leiharbeiter:innen in den Verteilerzentren verdienen zwar dasselbe wie die Stammbelegschaft, jedoch steht es schlecht um die Kündigungsfrist. Sie ist nicht vorhanden. Somit kann sich das Unternehmen von heute auf morgen vom Personal trennen. Mit der Teilprivatisierung 2006 – etwas weniger als Hälfte der Aktien ist im Streubesitz von Aktionär:innen, knapp über die Hälfte hält der Staat Österreich – hat die Post begonnen, mehr auf Leiharbeit zu setzen und Tätigkeiten an Subunternehmen auszulagern.
Post-Gewerkschafter Köstinger sieht auch in diesem Jahr wieder die Gefahr, dass die Post vor Weihnachten auf viele Leiharbeitskräfte setzen wird, anstelle sie fix einzustellen. „Ich befürchte ja, das wird passieren, da die Personalaufnahmen nicht in ausreichendem Maße erfolgen.“ Wie sich die Personalsituation bei der Post in den kommenden Monaten und Jahren entwickelt, wird zu beobachten sein. Wir bleiben dran.