Viele Menschen kennen es: Rein ins Auto und dann 20, 30, 40 Minuten und mehr Richtung Arbeit pendeln. Einmal hin-, dann ausgelaugt und müde zurück. Dabei wäre es anders viel einfacher. Denn so leicht wie heute war es seit dem zweifelhaften Siegeszug des Automobils im 20. Jahrhundert wohl noch nie, vom Wohn- zum Arbeitsort zu gelangen. Massive Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs, günstige Tickets, E-Bikes und Co. ermöglichen es vielen Menschen, den Arbeitsweg ohne Auto zurückzulegen.
Pendeln mit dem Auto: Mangelnde Rationalität?
„In den 70er-Jahren wurde von derartigen Maßnahmen nicht einmal geträumt“, erinnert sich Thomas Kronister, Verkehrsreferent in der AK Niederösterreich, zurück. Dennoch fahren viele Menschen, die das nicht müssten, mit dem Auto. „Menschen haben zu Autos nicht immer einen rationalen Zugang“, erklärt dazu Christoph Streissler, Chemiker und stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Umwelt & Verkehr der AK Wien.
Warum und weshalb viele Menschen noch das Auto zum Pendeln verwenden, hat insgesamt verschiedene, zum Teil sehr komplexe Gründe. Im Lichte der Klimakrise braucht es aber Lösungen. Welche können das sein und vor allem – welche können relativ schnell umgesetzt werden?
Die Aufgabe der Betriebe
Um klimafittes Pendeln zu fördern, müssen an erster Stelle Unternehmen in die Pflicht genommen werden, findet Streissler: „Es kann nicht nur Sache der Beschäftigten sein, wie sie in die Arbeit kommen. Die Betriebe können viel zu Verbesserungen beitragen, etwa durch Mobilitätsmanagement.“
Einige Unternehmen verhalten sich bereits vorbildlich. Gemeinsam mit Manner erreichte man als AK Niederösterreich die Organisation von frühmorgendlichen Zugsverbindungen für Pendler:innen aus Wien. Die Firma Welser Profile in Ybbsitz bietet einen eigenen Lehrlingsbus aus ausgewählten Orten in der Region an. „Wenn sich eine Firma ansiedelt, müssen die schauen, dass sie ÖPNV haben. Jetzt geht man davon aus, dass alle Menschen mit dem Auto kommen. Die Reihenfolge sollte – wie beim Wohnen – umgekehrt sein: Zuerst ÖPNV, dann Ansiedelung“, resümiert Kronister.
Attraktivierung des ÖPNV
Die AK fordert deshalb ein verpflichtendes Mobilitätsmanagement für Betriebe ab 50 Beschäftigten. Über Werksbusse oder Shuttledienste hinausgehend sieht dieses die Anpassung der Arbeitszeiten an bestehende Fahrpläne oder das Anrechnen von Arbeiten bei Anreise im Zug vor. Was soll aber mit jenen geschehen, die schlecht an den ÖPNV angebunden sind?
Unser Ziel wäre es, dass kein:e Arbeitnehmer:in
auf das Auto angewiesen ist.
Thomas Kronister, Verkehrsreferent in der AK Niederösterreich
Rund ein Drittel der Niederösterreicher:innen hat an einem Schultag keine oder nur Basiserschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zeigt eine Studie der AK Niederösterreich. Deshalb muss die öffentliche Hand tätig werden. Die Nutzung von Rad und Bahn kann nur durch langfristigen Investitionen in die Schieneninfrastruktur, erste und letzte Meile Angebote wie Rufbusse, Anrufsammeltaxis, oder komfortablere Bahnhöfe und Bushaltestellen attraktiver werden, zeigt eine Studie der TU Wien in Auftrag der Arbeiterkammer NÖ.
Und auch auf Gemeinde- und Bezirksebene kann Attraktivierung stattfinden. So bietet etwa der Verkehrsbund Ostregion in einigen Regionen wie Korneuburg oder Wiener Neustadt eine Mitfahrplattform als App an.
Heute an morgen denken
Dennoch, trotz vieler Initiativen und wo verfügbar, eine hohe Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel, verzichten viele nicht auf das Auto. Christoph Streissler aus der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien meint: „Das Auto ist ein Statussymbol, erweitertes Wohnzimmer, ein Stück Privatheit.“ Und das, obwohl bei einem Vergleich die Kosten für den Erhalt des Fahrzeugs im Jahr jene der nachhaltigen Alternativen, wie öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Rad oder Fußweg, bei weitem übersteigt.
In der #Ostregion sind derzeit die 30 Prozent der Pendler:innen mit dem Öffentlichen Verkehr und 70 Prozent mit dem Auto unterwegs. Wie kann es gelingen, dass es für mehr Pendler:innen echte Alternativen zum eigenen Pkw gibt? 🧵
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) March 28, 2022
Dabei überwiegen die Vorteile des ÖPNV klar: Wäre es nicht angenehmer, den Öffis pendeln zu können, statt vor und nach den acht Stunden Arbeit auch noch im Stau zu stehen? Die Lösungen, von kurz- bis langfristig, liegen auf dem Tisch. Wenn Maßnahmen für die eine Firma oder Gemeinde funktionieren, wieso sollte das nicht woanders anwendbar sein? Die Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, sei es durch verpflichtendes Mobilitätsmanagement oder einen bedarfsgerechten öffentlichen Verkehr in allen Regionen. Kronister stellt abschließend klar: „Unser Ziel wäre es, dass kein:e Arbeitnehmer:in auf das Auto angewiesen ist.“