Ich kriege sogar ein weiches Ei zum Frühstück, das ist herrlich.
Bewohner Rudolf Lindner im CS Hospiz Rennweg
Verglichen damit, sei der Aufenthalt im Hospiz echter Luxus. „Ich kriege sogar ein weiches Ei zum Frühstück, das ist herrlich.“ Im Krankenhaus könne man davon nur träumen. „Es gab nur abgepackte Wurst und Käse. Du musstest ihnen jedes Mal rechtzeitig sagen, dass sie dir das Packerl aufschneiden, wenn du keine Kraft dazu hast, sonst waren sie zur Türe draußen.“ An einen Vorfall erinnert er sich gut: „Ich habe versucht aufzustehen, bin gestürzt und habe mir wehgetan.“ Das Personal hat ihn wieder ins Bett gepackt und ihm die Schuld gegeben. „Dabei wurde ich in dieser Nacht so mit Schmerzmitteln vollgestopft, dass ich nicht mehr gewusst habe, was ich mache.“ Im Hospiz sei das anders. „Hier bist du wieder Mensch“, betont Lindner.
Patienten dort abholen, „wo er gerade ist“
Cornelia Riedel arbeitet seit einem Jahr als diplomierte Krankenschwester im Hospiz. Davor war sie 15 Jahre lang in Spitälern tätig. „In der Früh ist Übergabe, und man hat vier PatientInnen, um die man sich kümmert.“ Der Tag wird auf die PatientInnen und ihre Bedürfnisse abgestimmt. „Eine der größten Herausforderungen ist es, den Patienten dort abzuholen, wo er in der Verarbeitung seiner Krankheit gerade ist: Hat er es akzeptiert? Hat er sich schon mit dem Sterben beschäftigt?“ Bei manchen sei es einfach und schön, sie zu begleiten, bei anderen problematischer. Sie meint damit etwa die Begleitung von jüngeren Menschen. Letztes Jahr hat Riedel eine 35-Jährige begleitet. „Die hängen natürlich am Leben und haben noch Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch gesunden. Aber man sieht, dass es dem Ende zugeht.“ Die Krankenschwester will PatientInnen so begleiten, dass ihnen zwar nicht die Illusion geraubt wird, aber sie merken, was geht und was nicht. Das geht einem nahe. „Ich kenne kaum jemanden, der keine Emotion zeigt, wenn eine Patientin oder ein Patient stirbt.“ Das Begleiten und Beraten mache ihr die meiste Freude: „Man ist intensiv mit den PatientInnen zusammen, vom ersten Augenblick an. Das ist anders als auf einer großen Station im Spital. Was macht ihr keinen Spaß? „Der Papierkram“, lacht sie.
Der Stresslevel ist für Riedel zwar niedriger als im Spital, steigt aber von Zeit zu Zeit, ebenso wie die emotionale Belastung. Wie geht sie damit um? „Wir haben viele Supervisionen und Rückhalt von Ärzten und der Leitung.“ Viele ihrer KollegInnen in Krankenhäusern stünden ständig unter hohem Stress, bedingt durch zu wenig Personal und viele Überstunden. „Ich fühle mich hier wohler und denke zum ersten Mal, dass ich länger bleiben könnte.“ Die Krankenschwester ist sowohl im Hospiz als auch im mobilen Bereich tätig, also bei den PatientInnen zu Hause. Auch dort werden täglich zwei bis vier PatientInnen betreut. Pro PatientIn hat Riedel im Schnitt zwischen 45 und 90 Minuten Zeit. „Wenn ich bei einem Patienten oder einer Patientin länger brauche, dann frage ich, ob eine Kollegin Zeit hat.“ Bei den Besuchen kontrolliert sie Schmerzpumpen, wechselt Nadeln und redet viel mit PatientInnen und deren Angehörigen. Eine gute Krankenschwester sollte für sie Einfühlungsvermögen, Respekt und breitgefächertes Wissen mitbringen. „Und flexibel sollte man sein.“
Frühstück auf Bestellung
Rudolf Lindner ist glücklich, dass er seinen Tagesablauf im Hospiz selbstbestimmt gestalten kann: „Wenn ich aufwache, bestelle ich mir mein Frühstück“, sagt er lächelnd. Nach einer Verschnaufpause kommt der Physiotherapeut zu ihm. „Der übt mit mir, wieder zu gehen. Ich bin über zwei Monate gelegen und habe meine komplette Kraft verloren.“ Wichtig ist Lindner Hygiene. Im Krankenhaus habe man ihn nur ein einziges Mal auf einen Leibstuhl gesetzt, damit er selbst duschen konnte. „Jetzt kann ich zum ersten Mal seit Langem wieder richtig baden. Mit Ölen! Und das jeden Tag.“ Drei Monate war Lindner im Krankenhaus, bevor er ins Hospiz kam. Seine Rückenbeschwerden waren immer schlimmer geworden, kurz vor Weihnachten 2018 musste er ins Spital. „Bei der Untersuchung fanden sie heraus, dass ich Leberkrebs habe.“ Erst zwei Monate später wurde klar, dass auch ein gebrochener Rückenwirbel die Schmerzen verursachte. Bei den Pflegekräften im Hospiz möchte Lindner sich bedanken, „dass sie so freundlich sind. Wenn man läutet, kommt immer wer. Man muss nicht ewig warten.“
Tagdienst ab 7 Uhr früh
Vom CS Hospiz Rennweg zur chirurgischen Station im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien: An der Wand hängen Fotos der MitarbeiterInnen. Auf einem davon ist Paula Bucur zu sehen. Sie arbeitet hier seit acht Jahren als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson (DGKP). Der Tagdienst startet um 7 Uhr mit der Übergabe. Die Morgenrunde startet, das Frühstück wird verteilt und über Therapien informiert. „Uns ist wichtig, dass der Patient bzw. die Patientin uns kennenlernt und weiß, an wen er oder sie sich wenden kann“, betont Bucur. Die Station hat 37 Betten, pro Tag ist die Pflegeperson für 17 bis 20 PatientInnen hauptzuständig. Paula Bucur ist die Zusammenarbeit mit den PatientInnen wichtig, sie freut sich, dass man mit Kleinigkeiten Gutes bewirken kann. Schwierig sei ihr Job, wenn PatientInnen unbedingt nach Hause möchten, aber bleiben müssen. Da wird schon mal heftig diskutiert.
Barbara Mally, Stationsleiterin (DGKP), betont, dass sich das PatientInnenverhalten verändert habe. „PatientInnen sind heute kritischer, recherchieren und verlangen viel. Ein Teil von ihnen oder deren Angehörige reagieren aggressiv.“ Deshalb bietet das Krankenhaus Deeskalationstrainings an. „Wenn es emotional wird, können wenige Worte viel bewirken.“ Dennoch sei es notwendig, dass man ein dickes Fell hat. Oft sei es schwer, gegen „Dr. Google“ anzukämpfen, und PatientInnen diskutierten über Untersuchungen, die ihrer Meinung nach gemacht werden müssten. Bucur ergänzt: „Es gehört zum Alltag. Es ist das Recht der PatientInnen, zu hinterfragen.“ Das Ziel sei es aber, einen Mittelweg zu finden und die PatientInnen miteinzubeziehen, schließlich stünden sie im Vordergrund.
Stresslevel
Auf der Station ist es am stressigsten, wenn die Betten fast vollständig belegt sind, zehn Neuaufnahmen anstehen und man eigentlich mehr Betten bräuchte. Am Schwesternstützpunkt ist der Druck am höchsten. „Patientenentlassungen müssen gemanagt werden, die Visite zum richtigen Zeitpunkt starten, ich muss wissen, auf welche Stationen ich auf der Suche nach einem Bett notfalls ausweichen kann“, sagt Stationsleiterin (DGKP) Barbara Mally. Zum Glück verläuft die Zusammenarbeit mit anderen Stationen kollegial, wie auch im Team. Auf der Station gebe es ein gutes Arbeitsklima. Oft kommt aber viel zusammen: ein unvorhergesehener Krankenstand, eine fehlende Aushilfe oder ein privates Problem. Es gab schon das eine oder andere Mal, dass Paula Bucur nach einem 12-Stunden-Tag nach Hause kam und sich fragte: Warum tu ich mir das an?
Das ändert sich aber wieder, wenn sich am nächsten Tag PatientInnen mit einem Lächeln bedanken. Dass ihr Job nicht einfach ist, manche Situationen belasten, daran hat sie sich gewöhnt. Das sei bei anderen Berufsgruppen doch ähnlich. Das Abschalten nach der Arbeit muss gelernt werden. „Die Jungen lernen das von den Älteren“, ergänzt Mally. Bucur erinnert an zwei frisch ausgebildete Kolleginnen: „Sie merken, wie ruhig ich in manchen Situationen bleibe. Ich weiß, vor ein paar Jahren war ich genauso aufgeregt.“ Den Schichtdienst beschreibt Bucur als herausfordernd: „Viele glauben, es sei toll, wenn man nach Schichtende mehrere Tage frei hat. Aber man muss für Familie und Kinder immer voll einsatzfähig sein.“ Den Dienstplan bekommen die MitarbeiterInnen zwei Monate im Voraus. Das ermögliche eine gute Zeitplanung, meint Bucur. Ihr gefällt die Gesprächskultur im Team: „Wir tauschen uns regelmäßig aus. Natürlich gibt es auch mal Reibepunkte, aber wir können auf Augenhöhe miteinander diskutieren, und deshalb bin ich schon so lange auf der Station.“ Wichtig für ihren Arbeitsalltag ist ein starkes und stabiles Team.