Unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung möchte die neue Bundesregierung auch ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen „evaluieren“. Darunter fällt etwa die Meldepflicht bei „Sonderüberstunden“ oder für Sicherheitsvertrauenspersonen. Das erschwert den Arbeitsinspektionen die Kontrolle. Es scheint, dass diese wichtige Instanz geschwächt werden soll. Auch die „Verschuldensvermutung“ bei Strafdrohungen soll abgeschafft werden. Für die Durchsetzung von Verwaltungsstrafen oder Regressverfahren bei Arbeitsunfällen und der Verletzung wichtiger ArbeitnehmerInnenschutzgesetze ist sie allerdings wesentlich. Dem Regierungsprogramm nach wird auch die Einrichtung einer Agentur für Unfallverhütung, Arbeitsinspektion und Arbeitsschutzberatung geprüft. Die Arbeitsinspektion würde dadurch ausgebootet und Kompetenzen der Unfallversicherung (AUVA) würden zu dieser neuen Agentur verlagert.
Es liegt aber auch der Verdacht nahe, dass nicht nur das Arbeitsrecht, sondern auch die allgemeine Judikatur industriefreundlicher wird. Das Ziel ist, den Handel möglichst wenig einzuschränken. „Eine gesamte Rechtsordnung in einem knappen Vierteljahr zu durchforsten, wie es Justizminister Moser vorschwebt, das ist wahrlich ein sehr ambitioniertes Vorhaben“, wundert sich Kozak. Die Gefahr: Ein eiliger Deregulierungsprozess schafft Intransparenz. Jedes Gesetz, das abgeschafft wird, hat eine parlamentarische Grundlage. Doch es steht zu befürchten, dass Änderungen im Parlament einfach mit Tempo durchgepeitscht werden. Kozak: „Es wird nicht lange darüber diskutiert, welche Gesetze verloren gehen.“ Aber immerhin sind im Vorfeld die Sozialpartner eingeladen, die Deregulierungsvorschläge zu begutachten.
Unfaire Diskussion
Auch die öffentliche Diskussion ist problematisch. Denn ist eine Regelung unbequem, werden gerne Sachverhalte – die unlogisch erscheinen – aufgebauscht, um damit die allgemeine Stimmung zu beeinflussen. So ist mit Gold Plating eigentlich die Übererfüllung der Standards, die von der EU vorgegeben werden, gemeint. Im Arbeitsrecht ist es durchaus vernünftig und notwendig, höhere Standards als etwa Ungarn oder Tschechien festzulegen. In der öffentlichen Diskussion werden aber im Zusammenhang mit Gold Plating gerne Beispiele wie die Allergen-Verordnung genannt, welche Ende 2014 als EU-Richtlinie in Kraft trat. Österreich legte diese EU-Vorgabe jedoch sehr streng aus, die Speisekarten wurden fortan von einer unverständlichen Buchstabensuppe begleitet. Bereits 2017 wurde diese Regelung wieder entschärft. Nun wird Gold Plating gerne als unnötige, bürokratisch aufwendige Übererfüllung gesehen.
Stimmung wird auch beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung gemacht. Denn das derzeit geltende Arbeitszeitrecht kann sehr flexibel angewendet werden, „doch dafür brauche ich einen Betriebsrat“, weiß Kozak. „Ohne Betriebsrat geht es nicht und bei manchen Regelungen ist auch die Arbeitsinspektion nötig, um nachzukontrollieren.“
Wachsam bleiben
Der Verdacht steht im Raum, dass das immer mehr Firmen zu aufwendig ist. Sie wollen Diskussionen mit den ArbeitnehmerInnen vermeiden und ihre Pläne einfach durchziehen. Es ist schon eigenartig: Einerseits gibt es immer mehr Freiheitseinschränkung im öffentlichen Raum. Man denke etwa an die Diskussion, wie viel Geld Demonstrationen den Staat kosten und ob sie nur mehr in Außenbezirken stattfinden dürfen. Auch das Vermummungsverbot – das eigentlich auch gilt, wenn nur ein Schal ins Gesicht gezogen wird – ist ein großer Einschnitt in die persönliche Freiheit. Andererseits wird von der gleichen Gruppe eine Deregulierung in anderen gesellschaftlichen Bereichen, etwa bei der Arbeit oder im Sozialen, betrieben. „Es zahlt sich aus, wachsam zu sein“, mahnt AK-Rechtsexperte Kozak.
Blogtipp:
„Markt oder Sozialpartnerschaft?“
Sophia Fielhauer und Christian Resei
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.
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