Österreichs Bildungssystem: Probleme für kleine Kinder und Mütter
Beispielsweise bei der frühkindlichen Förderung. In Dänemark waren im Jahr 2020 ganze 67,7 Prozent der unter Dreijährigen in formaler Kinderbetreuung. Dänemark ist damit Spitzenreiter in der Europäischen Union. In Österreich waren nur 21,1 Prozent, so das Ergebnis einer neuen WIFO-Studie, die sich mit der Hebelwirkung von Qualifizierung auf dem Arbeitsmarkt auseinandersetzt. Quantitativ fehlen bei uns die Möglichkeiten, Kindern frühkindliche Förderung außerhalb der Familie zukommen zu lassen. Was zur Folge hat, dass viele Mütter nicht oder nur eingeschränkt in die Arbeitswelt zurückkehren können. Männer bleiben nach wie vor viel zu selten zu Hause und sind dadurch kaum betroffen.
„Selbst bei hochqualifizierten Frauen zeigt sich, dass diese, sobald sich Nachwuchs einstellt, ihr Potenzial nicht mehr voll nutzen können“, sagt Miriam Baghdady aus dem volkswirtschaftlichen Referat des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Es braucht daher einen Ausbau von qualitativ hochwertiger und leistbarer Kinderbetreuung. Sowie von Pflegedienstleistungen für pflegebedürftige Angehörige zur Erleichterung der Vereinbarung von Beruf und Familie. „Die Ansätze leiten sich aus der hohen Teilzeitquote von Frauen und der im EU-Vergleich noch ausbaufähigen Beschäftigungsquote Älterer ab“, sagt Ulrike Huemer, die Studienautorin, die am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zu Arbeitsmarkt, Einkommen und soziale Sicherheit forscht.
Geringqualifizierte: Chancenlos auf dem Arbeitsmarkt
Die Studie empfiehlt außerdem die „Forcierung der längerfristigen beruflichen Qualifizierung Arbeitsloser“. Konkret geht es darum, dass die AMS-Förderungsmaßnahmen zwar sehr heterogen sind, allerdings längerfristige Maßnahmen wirkungsvoller sind als kurzfristige. „Die Wirkungsevidenz bei AMS-Schulungen zeigt, dass längerfristige eine höhere Beschäftigungswirkung erzielen“, bekräftigt Huemer. Speziell Geringqualifizierte, Ältere und gesundheitlich Eingeschränkte profitieren von der AMS-Qualifizierungsförderung.
Auch bei Schulabschlüssen muss die Politik ansetzen. Österreich schneidet bei der Beschäftigungsquote von Menschen mit höchstens einem Pflichtschulabschluss im Europavergleich schlecht ab. Die International Standard Classification of Education (ISCED) ist ein Klassifizierungs- und Charakterisierungstool der UNESCO für Schultypen und Schulsysteme.
Für Österreich weist es im Jahr 2021 aus, dass 14,1 Prozent der 25- bis 64-Jährigen formal geringqualifiziert waren. Die Beschäftigungsquote bei dieser Gruppe betrug 54,5 Prozent. Bei Menschen mit einem Sekundarstufe-II-Abschluss lag die Quote bei 75,9 Prozent. Die Gruppe mit Tertiärausbildung (Hochschule) kam auf 86,2 Prozent. „Bildung wird in Österreich nach wie vor stark vererbt, das heißt, es hängt stark vom Bildungsstand und vom Einkommen der Eltern ab, welchen Grad an Bildung die Kinder erwerben werden. Es wäre daher essenziell, auch an dieser Stelle anzusetzen. Während der Hochphase der Coronapandemie sind bei vielen Kindern und Jugendlichen Bildungsdefizite entstanden. Diese gilt es aufzuholen“, meint Baghdady.
Verantwortung der Unternehmen in Österreichs Bildungssystem
Auch die Unternehmen kann man nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Viele investieren nämlich immer weniger in gutes Personal. Sie bilden oft die Fachkräfte nicht aus, die sie benötigen und wollen die Mitarbeiter:innen zusätzlich noch beim Gehalt drücken. Formal Geringerqualifizierte werden außerdem vermehrt ausgeschlossen, wenn es um Weiterbildungen in den Betrieben geht.
„Der Zugang zu betrieblicher Weiterbildung ist nicht gleich verteilt, sondern wird durch den Arbeitgeber sowie betriebliche und beschäftigungsspezifische Merkmale beeinflusst. Betriebliche Weiterbildung ist zudem arbeitgeberfinanziert, weshalb die Entscheidung, wer eine Weiterbildung bekommt, einer Verwertungslogik folgt“, sagt Huemer vom WIFO. Das heißt, es wird hauptsächlich in Personal investiert, bei dem am Ende finanziell mehr für die Unternehmen rausschaut. Klingt ungerecht, ist es auch. Denn wenn man hinter den Menschen nur das Geld sieht, dann läuft etwas schief.
„Es wird kaum thematisiert, dass Recruitingprozesse eine wichtige Rolle spielen. Wenn Mitarbeiter:innen kündigen, bewerten sie den Arbeitgeber womöglich. Gute Arbeitsbedingungen können Jobsuchende motivieren, sich zu bewerben“, so Baghdady. Das Arbeitskräftepotenzial ist in Österreich vorhanden, es gilt es jedoch zu nutzen.
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Österreichs Bildungssystem ist Basis für den Wohlstand
Arbeitnehmer:innervertretungen und Gewerkschaften weisen regelmäßig darauf hin und schlagen Wege vor, wie es gehen kann. „Das Um und Auf um die Wirtschaft am Laufen zu halten sind die Arbeitnehmer:innen. Jetzt, wo die Dringlichkeit auch von Unternehmen so vehement unterstrichen wird, wäre das der ideale Zeitpunkt, gemeinsam anzupacken und die richtigen Maßnahmen zu setzen“, meint Baghdady. Sollten die Vorschläge des WIFO-Berichts bei Politik und in den Betrieben Gehör finden, dann können in Zukunft vielleicht andere Länder von Österreich lernen.