Österreich-Fokus
Die Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk läuft vielerorts. In Deutschland protestiert die AfD gegen „Zwangsgebühren“. In der Schweiz lehnten 71,06 Prozent eine Initiative zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren ab. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) möchte aber 100 Millionen Franken einsparen, Gebühren senken und mehr Schweizer Programm senden. Die türkis-blaue Regierung in Österreich will den öffentlich-rechtlichen Auftrag im Gesetz neu festschreiben. Ein Fokus liegt auf österreichischen Inhalten. Für AK-Konsumentenschützerin Zimmer ist ein Mix aus regional, national und international wichtig. „Das Programm sollte in einer globalisierten Welt über den Tellerrand blicken.“ Österreichische Inhalte würden nicht automatisch die Negierung von Minderheiten bedeuten: „Diese können auch jene von Minderheiten sein. Sie sind im ORF-Gesetz durch den Pluralitätsanspruch geschützt.“
Minderheitenprogramme sieht auch Hans-Henning Scharsach nicht in Gefahr. Er befürchtet nur, dass der Ton gegenüber Randgruppen in anderen Bereichen rauer werden könnte. Der ORF fahre einen „vernünftigen Mittelweg“ mit Information und Unterhaltung. Im Regierungsprogramm ist die Rede von „nachhaltiger Identitätssicherung“. Scharsach hofft, dass die Vielfalt erhalten bleibt: „Wenn der Großteil des Publikums lieber englische Musik hört und es kommt zu viel Schlager, ist das nicht meine Auffassung vom ORF.“ Die Vielfalt Österreichs in Musik, Film und Kultur müsse fernab von Klischees gezeigt werden.
Schuhlöffel für die Privaten
Der ORF und die Privaten sollen enger zusammenarbeiten, fordert die Regierung. So soll es eine gemeinsame digitale Vermarktungsplattform geben, um österreichische Public-Value-Inhalte einem möglichst großen Publikum zu präsentieren. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum „Schuhlöffel für die Privaten“ werden soll, wie Blümel es ausgedrückt hat, kann Willi Mernyi nicht goutieren. „Ich habe kein Verständnis, dass mit Gebührenentgelt Boulevard-Gratiszeitungen querfinanziert werden, die zur Gebührenabschaffung aufrufen.“
„Die Digitalisierung ist im Vormarsch“, heißt es im Regierungsprogramm. Mernyi sieht hier Nachholbedarf im ORF. „Die Gebührenzahler finanzieren eine Sendung, können sich diese online aber nur sieben Tage anschauen. Wieso? Die private Konkurrenz will das nicht“, so Mernyi. Weiters kritisiert er, dass Radio, Online und TV unzureichend verknüpft sind. „Wenn Sie einen Artikel auf ORF.at lesen, finden Sie nur Links zu anderen Artikeln, aber nicht zur TVthek.“ Der ORF müsse sich als Einheit präsentieren.
Behäbigkeit
Konsumentenschützerin Zimmer kritisiert die Dauer von Genehmigungsverfahren, die der ORF bei neuen Vorhaben durchlaufen muss. „Mit Konkurrenz von Netflix & Co muss der ORF schneller reagieren können.“ Nicht kundInnengerecht sei die Verpflichtung, „nur Sendungsbegleitendes online stellen zu dürfen, was vertiefende Information ausschließt“. Auch eine hohe Medienkompetenz sei zentral für den VerbraucherInnenschutz. Das im letzten Jahr gestartete Ö1-Medienmagazin „Doublecheck“ wertet Zimmer als großen Erfolg. Schlussendlich geht es darum, dem Publikum zu vermitteln, was der ORF für die Demokratie leistet und dem Bürger, der Bürgerin nützt. Fritz Hausjell bringt das auf den Punkt: „Es geht um die Wahrnehmung Ihrer Interessen, Ihrer Sichtweisen und darum, dass sie medial nicht unter die Räder geraten.“
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.
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