Nur gut gemeint?

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Es gibt sinnvolle Alternativen zur 2014 abgeschafften befristeten Invaliditätspension. Doch Geldmangel verhindert, dass Betroffene effizient unterstützt werden.
Rehabilitation vor Pension“ lautet seit einigen Jahren das Motto im Umgang mit ArbeitnehmerInnen und Arbeitsuchenden, die nicht (mehr) in der Lage sind, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Egal ob Burn-out, Krebs, chronische Wirbelsäulenbeschwerden oder Unfallfolgen: Individuelle Pläne für die medizinische und berufliche Rehabilitation sollen passgenaue Maßnahmen ermöglichen und Betroffenen neue Perspektiven bieten.

Für ab 1964 Geborene brachte eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2012 entscheidende Neuerungen: Mit Jänner 2014 wurde die befristete Invaliditätspension (Berufsunfähigkeitspension bei Angestellten bzw. Erwerbsunfähigkeitspension bei Selbstständigen) abgeschafft. Wer mindestens sechs Monate hindurch im Krankenstand bleiben muss, erhält Rehabilitationsgeld in der Höhe des Krankengeldes von der Gebietskrankenkasse und medizinische Rehabilitation durch die Pensionsversicherung. Case-ManagerInnen der Krankenkassen unterstützen und begleiten den Genesungsprozess und die Rehabilitation. Dafür wird ein individueller Versorgungsplan erstellt.

Fast zwei Drittel abgelehnt

Eine Invaliditätspension wird nur mehr bei dauernder Invalidität zuerkannt, sprich wenn eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Das heißt, diese Pension erhalten nur Menschen, die vollständig erwerbsunfähig sind oder denen eine berufliche bzw. medizinische Rehabilitation nicht zumutbar ist. Im Jahr 2016 wurden laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger 57.040 Anträge auf Erwerbsunfähigkeits-, Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension eingereicht. Ca. 60 Prozent wurden abgelehnt. Rund ein Drittel der Abgewiesenen reagiert mit einer Klage beim Sozialgericht, etwa 20 Prozent dieser Fälle sind in der Regel auch erfolgreich. Wer den erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann, kann eine neue Ausbildung absolvieren. Der Anspruch auf das entsprechende Umschulungsgeld besteht nur dann, wenn die Betroffenen bei der Auswahl, Planung und Durchführung der Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation aktiv mitwirken.

Soweit die juristischen Basics, doch wie schon erwähnt gibt es in der Praxis einige gravierende Mankos. So setzen die Maßnahmen meist viel zu spät an. „Typisch ist leider nach wie vor, dass die BezieherInnen von Rehabilitationsgeld schon längere Zeit arbeitslos sind“, berichtet AK-Pensionsexperte Wolfgang Panhölzl. „Und bei der beruflichen Rehabilitation hat sich gezeigt, dass einmal invalide Personen kaum mehr über die physischen und psychischen Ressourcen verfügen, die erforderlich sind, um – im fortgeschrittenen Alter – einen neuen Beruf zu erlernen.“

Um hier gegenzusteuern, wurde mit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2017 unter anderem der Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation schon bei drohender Invalidität eingeführt. Damit besteht erstmals die Möglichkeit, bereits bis zu fünf Jahre vor der Invalidität aus einer belastenden Tätigkeit auszusteigen und einen neuen Beruf zu erlernen.

Buchtipp: W. Pinggera, W. Pöltner, E. Sladecek: Pension & Invalidität

Wiedereingliederungsteilzeit

Nach einem langen Krankenstand, etwa durch eine Krebserkrankung, möchten viele Betroffene gerne wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, befürchten aber, täglich acht Stunden nicht durchhalten zu können. Seit Juli 2017 gibt es die Möglichkeit, nach langen Krankenständen schrittweise wieder in den Beruf zurückzukehren. Diese freiwillige Wiedereingliederungsteilzeit wurde auf Vorschlag der Sozialpartner umgesetzt und kann schon jetzt als Erfolgsmodell bezeichnet werden. Man erwartete jährlich rund 200 Anträge, tatsächlich sind es mehr als 1.000.

Gute Ideen allein wären allerdings zu wenig, so Wolfgang Panhölzl, denn derzeit gäbe es keinen Ansatz, wie man die bereits vorhandenen Regeln mit Leben füllen könnte. Es gäbe verwirrende Zuständigkeiten, und ein Gesamtbudget für Prävention und Rehabilitation wäre nötig. Im aktuellen Regierungsprogramm werde ständig nur von Einsparungen geredet. Der Experte nennt ein Beispiel: „72 Prozent der Rehab-Geld-BezieherInnen haben als Hauptdiagnose eine psychische Erkrankung. Aber es gibt keine Psychotherapie auf Krankenschein und es kommt immer wieder zu sehr langen Wartezeiten.“ Der Weg in die Pension führt meist über lang andauernde Arbeitslosigkeit und je länger diese dauert, desto geringer sind die Chancen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Und bekanntlich wirkt sich längere Arbeitslosigkeit alles andere als positiv auf die Gesundheit aus.

Early Intervention

„Es wird bereits überlegt, die ohnehin knappen Mittel für Qualifikation und Wiedereingliederung auf jene Arbeitslosen zu konzentrieren, die noch Vermittlungschancen haben“, so Panhölzl. So entstehe ein regelrechtes Arbeitslosen-Ranking. Wichtig wäre, dass Beschäftigte nicht wegen Krankheit den Job verlieren und im Krankenstand Gekündigte dann zu Langzeitarbeitslosen werden. Immerhin wurde nach einem Vorschlag der Sozialpartner kürzlich die sogenannte Early Intervention eingeführt: Bei gewissen Schlüsseldiagnosen werden die PatientInnen schon nach 28 Tagen Krankenstand von der Krankenkasse zu einem Gespräch eingeladen, um den Krankheits- und Heilungsverlauf, aber auch die Arbeitsplatzsituation zu besprechen, über Prävention zu beraten etc. Falls nötig, erfolgt ein Verweis auf fit2work oder die Case-ManagerInnen der Krankenkasse, um professionelle Lösungen für komplexe finanzielle oder soziale Problemlagen zu ermöglichen.

Prävention wird bei fit2work von Anfang an großgeschrieben. Die Beratungseinrichtung betreut und begleitet österreichweit ArbeitnehmerInnen und Arbeitsuchende, wenn gesundheitliche Probleme die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen oder zu Arbeitslosigkeit führen. fit2work berät aber auch Betriebe, die in die Gesundheit ihrer Beschäftigten investieren möchten, etwa in Form von Frühwarnsystemen für gesundheitlich gefährdete Beschäftigte, über alternsgerechte Arbeitsplätze oder die Unterstützung bei der Wiedereingliederung etc.

Dementsprechend bietet fit2work auch Unterstützung bei der Suche nach Alternativen zur Invaliditätspension an. In der Regel fänden sich diese Alternativen auch, erzählt Barbara Haider-Novak, Leiterin des Geschäftsfelds Personenberatung, „doch wenn jemand absolut überzeugt ist, nicht mehr arbeiten zu können, wird es schwieriger. Wir informieren dann über die tatsächliche Höhe der im Fall einer Gewährung einer Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension zuerkannten Leistung und über die Schwierigkeit, diese Leistung zuerkannt zu bekommen. Dies führt manchmal zu einem Umdenken und motiviert, doch Alternativen zu einem Pensionsantrag zu erwägen. Grundsätzlich ist die Einführung des Rehab-Geldes sinnvoll, denn es markiert nicht mehr die berufliche Endstation.“ Im Übrigen sind fit2work-BeraterInnen nur für freiwillige Maßnahmen zuständig. Sobald jemand Rehab-Geld erhält, erfolgt die Betreuung durch Case-ManagerInnen der Krankenkassen. Erst später, im Falle von Wiedereingliederungsmaßnahmen bzw. -teilzeit, kann fit2work wieder tätig werden.

Auch Barbara Haider-Novak sieht die aktuellen Möglichkeiten an sich positiv, wünscht sich aber unter anderem, dass medizinische und berufliche Rehabilitation nicht nur früher ansetzen, sondern auch besser ineinandergreifen. „Aktuell wird dieses verschränkte Angebot erst in einigen wenigen Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation erstmals angeboten. Wir würden uns überhaupt wünschen, dass sich Betroffene an uns wenden, noch bevor der Arbeitsplatz wegen gesundheitlicher Probleme gefährdet ist. Dann können rechtzeitig und vor Ort entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.“

Win-win-Situation

Hier gibt es nach wie vor Aufklärungsbedarf: ArbeitnehmerInnen werden meist zu spät aktiv und Unternehmen wissen oft über Fördermöglichkeiten etc. kaum Bescheid. „Es geht nicht darum, Schon-Arbeitsplätze zu schaffen, sondern Menschen dort einzusetzen, wo sie hinpassen und optimal ihre Leistungsfähigkeit ausschöpfen können. Wir schauen individuell für jeden einzelnen Fall, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Win-win-Situation zu erreichen.“

Von
Astrid Fadler

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/18.

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