Nicht zuletzt: Hoch die internationale Solidarität!

Ein Kommentar von Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB.
(C) ÖGB Christian Fischer
Globalisierung und Herausforderungen für die Gewerkschaften“ lautete ein erst vor Kurzem mit dem Institut für Politikwissenschaften und dem internationalen Referat des ÖGB gemeinsam abgehaltenes Seminar an der Universität Wien. Im Mittelpunkt standen die aktuellen globalen Trends in der Gewerkschaftsarbeit und die nicht weniger werdenden Probleme im gewerkschaftlichen Alltag. Ebenfalls vor Kurzem veröffentlicht wurde der „Globale Rechtsindex“ des Internationalen Gewerkschaftsbundes mit einer Dokumentation der Verletzung von Gewerkschaftsrechten in immerhin 145 Ländern der Welt.

Brutale Gewerkschaftsrealität

Für 2018 zeigt der Bericht auf, dass sich die Situation für GewerkschafterInnen weltweit massiv verschlechtert hat. Allein in Kolumbien wurden im vergangenen Jahr 34 unserer KollegInnen bei der Ausübung ihrer legitimen Tätigkeit umgebracht. Dabei ist Kolumbien nur eines von zehn Ländern, in denen 2018 GewerkschafterInnen ermordet wurden. Hunderte unserer Kolleginnen und Kollegen kamen in verschiedenen Ländern in Gefangenschaft, Zehntausende wurden bei ihrer Gewerkschaftsarbeit eingeschränkt. Das Streikrecht wurde in 85 Ländern verletzt, und in 80 Prozent der Staaten wurden Kollektivvertragsverhandlungen auf den verschiedenen Ebenen verweigert. In 72 Prozent der Länder hatten die werktätigen Menschen nur beschränkten Zugang zur Justiz, und in 107 Nationen ist der Beitritt zur Gewerkschaft bzw. deren Gründung weiterhin behördlich erschwert.

Das Streikrecht wurde in 85 Ländern verletzt, und in 80 Prozent der Staaten wurden Kollektivvertragsverhandlungen auf den verschiedenen Ebenen verweigert.

Mehr Solidarität ist erforderlich

Insgesamt also wurde im vergangenen Jahr die Arbeitswelt für ArbeitnehmerInnen und das Betätigungsfeld für die Gewerkschaften nicht besser, sondern, dem anhaltenden Trend folgend, noch schlechter. Aus diesem Grund wächst auch der Druck auf die Gewerkschaftsbünde, vor allem im globalen Norden, mehr Solidarität zu leisten. Und zwar auch dann, wenn wir selbst vermehrt einer gewerkschaftsfeindlichen Politik ausgesetzt sind.

Der ÖGB hat seine Besorgnis um die Gewerkschaftsrechte in aller Welt in den letzten Jahren oftmals sehr eindringlich zum Ausdruck gebracht.

Es ist unter diesen Bedingungen eine besondere Herausforderung, vor den Mitgliedern unsere Pflicht zur internatio­nalen Solidarität aufzuzeigen. Der ÖGB hat seine Besorgnis um die Gewerkschaftsrechte in aller Welt in den letzten Jahren oftmals sehr eindringlich zum Ausdruck gebracht. Dank kontinuierlicher Interventionen ist es, in Kooperation mit einer sensiblen Bundesregierung, über Jahre gelungen, die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien zu unterbinden.

Leider hat die kurz amtierende ÖVP-FPÖ-Regierung unsere Warnungen ignoriert und das Abkommen entgegen allen Bedenken unterzeichnet. Trotz mancher Rückschläge ist der ÖGB dennoch sehr aktiv und finanzierte zum Beispiel eine Gewerkschaftsschule in der Republik Moldau, dem ärmsten Land Europas, und auch in Georgien gibt es nun schon drei Jahre eine solche Ausbildung. Die Gewerkschaft Bau-Holz finanzierte einen Schulneubau im nepalesischen Erd­bebengebiet, und die Gewerkschaft Younion schuf einen Dachverband für die Kommunalgewerkschaften in Lateinamerika.

Solidarität geht weiter

Nur einer international solidarischen Gewerkschaftsbewegung wird es gelingen, die globalen Herausforderungen zu meistern, um das Los der arbeitenden Menschen in allen Ländern zu verbessern.

Auch in Zukunft wird der ÖGB seine Verantwortung, vor allem gegenüber den Ländern des globalen Südens, erfüllen. Natürlich nicht überall, aber in einigen international abgestimmten Schwerpunktländern werden wir weiterhin aktiv bleiben. Denn nur einer international solidarischen Gewerkschaftsbewegung wird es gelingen, die globalen Herausforderungen zu meistern, um das Los der arbeitenden Menschen in allen Ländern zu verbessern. Eine gerechte Welt, in der die ArbeitnehmerInnen respektiert werden, ist keinesfalls eine Fiktion, sondern das grundsätzliche Recht aller Menschen!

Von
Marcus Strohmeier
Internationaler Sekretär des ÖGB

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/19.

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