Am Thema vorbei
Man denke nur an die Ausdehnung der Möglichkeit, Überstunden zu leisten oder durch eine Ausdehnung der Gleitzeit Überstundenzuschläge zu vermeiden. Aber eigentlich geht diese Diskussion am wahren Thema vorbei. Ein attraktiver Wirtschaftsstandort hängt weniger von niedrigem Lohnniveau oder einer niedrigen Steuerlast ab, sondern von ganz anderen Faktoren, die ein gutes Zusammenspiel vieler Player erfordern.Hier wäre der soziale Frieden zu erwähnen. Dieser ist für eine Just-in-time-Produktion nahezu unerlässlich, denn Lieferketten vertragen keine Störung auch nur eines Gliedes, denn sonst kommt es unweigerlich zur Störung des ganzen Prozesses und hohem wirtschaftlichem Schaden.
Ferner ist die Infrastruktur ein wesentliches Erfordernis, sei es die gesicherte Versorgung mit Energie, aber auch die gute Anbindung an ein hochrangiges Straßennetz sowie an Schienen-, Wasser- und Luftverkehrswege. Bei einer Diskussion über den Wirtschaftsstandort wird dies oft vernachlässigt. Eine Senkung von Steuern verbessert weder das Straßennetz noch die sonstigen Verkehrswege oder die Infrastruktur. Gerade die entsprechenden Steuereinnahmen machen es oftmals erst möglich, die Infrastruktur auf einem guten Level zu halten. Was das Kürzen von Investitionen in die Daseinsvorsorge zur Folge hat, wird am Beispiel Großbritannien drastisch vorgeführt. Im ersten Moment freuten sich Unternehmen über niedrige Steuersätze, aber wenn dann die Infrastruktur nicht mehr modern ist, ziehen die Betriebe trotz sinkender Löhne weiter. Arbeitslosigkeit und Armut sind dann die unweigerlichen Folgen.
Es braucht Qualifizierung
Gerade im Zeitalter der Digitalisierung benötigen wir ArbeitnehmerInnen, die gut ausgebildet sind.
Was wir momentan erleben, ist jedoch, dass sich die Bildungspolitik vorrangig mit Noten oder Ferienzeiten beschäftigt. Das ist eine rückwärtsgewandte Politik, die modernen Herausforderungen weder gerecht wird noch die von der Wirtschaft benötigten Fachkräfte sicherstellen wird. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung benötigen wir ArbeitnehmerInnen, die gut ausgebildet sind, und Unterrichtsmaterialien und -geräte, die am Puls der Zeit sind und die neugierig auf die kommenden Veränderungen machen, und nicht Instrumente und Methoden des vorigen Jahrhunderts, die den Wert von Disziplin und Ordnung über alles andere stellen.
Gute Basis notwendig
Ebenso wichtig ist natürlich ein starkes soziales Netz, denn erst dieses macht ArbeitnehmerInnen unabhängig und sichert die Möglichkeit, sich auch auf Experimente und Wagnisse einzulassen. Dies alles ist jedoch nur dann möglich, wenn es entsprechende Steuereinnahmen gibt – und damit eine gute Basis für eine zukünftig hohe Wertschöpfung sichergestellt ist.
Von
Karl Dürtscher
Bundesgeschäftsführer der GPA-djp
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/19.