Der Schaden, der hier an der Politik und letztendlich an der Demokratie angerichtet wurde, ist, jetzt einige Tage nach der Wahl, noch gar nicht abzusehen.
Dirty Campaigning
Noch nie wurden in Österreich die Schattenseiten des „Dirty Campaigning“ – die Zeit der Demagogen und Politsöldner – so augenscheinlich wie jetzt. Es hat Wirkung gezeigt: Die politische Kultur und die öffentliche Diskussion leiden darunter.
Unsere politische Landschaft ist im Umbruch. Die Bindungen zu Vorfeldorganisationen und Parteien werden immer schwächer. Traditionelle Politik mit ihrer herkömmlichen Kommunikation versagt.
Wir überlassen es gerade den PopulistInnen, jene Menschen „einzusammeln“, die sich nicht mehr an große Organisationen gebunden fühlen. Jene Menschen, die mit der zunehmenden Komplexität einer modernen kapitalistischen Welt konfrontiert und damit auch oft überfordert sind.
„Die größte Chance für Populisten tritt dann ein, wenn ganze Bevölkerungsteile gesellschaftspolitisch obdachlos werden.“
Lawrence Goodwyn
Populistische Strömungen sind ein Protest gegen etablierte Parteien. Gerade in unserer gewerkschaftlichen Zielgruppe ist es ein Misstrauen gegen die akademische Schicht, gegen gesellschaftliche und wirtschaftliche Eliten und gegen soziale Ungleichheit.
Vielleicht könnte man Populismus sogar als „unser schlechtes Gewissen“ betrachten. Im positivsten Sinn ein Alarmsignal, das auf eine Krise der etablierten Politik hinweist, auf einen Mangel von guter und professioneller Kommunikation „zwischen denen da oben“ und „dem Volk“. Also ein Aufschrei des Misstrauens und der Unzufriedenheit.
Vielleicht ist Populismus so etwas wie ein Albtraum für die herkömmliche Politik, für die Reformpolitik der Mitte, für die Politik der Koalitionen und die Politik der „faulen“ Kompromisse.
Populismus als Revolte
Vielleicht ist der Populismus als Revolte gegen eine wissensorientierte Zukunftsvorstellung zu verstehen. Als Ablehnung gegen eine globale Zukunft, der viele unvorbereitet und verunsichert entgegensehen. Oder ein Aufschrei gegen die Zukunftsvorstellung des lebenslangen Lernens, das viele als lebenslangen Zwang erleben; gegen eine Zukunft, die sich einer leistungs- und wissenschaftsorientierten Wirtschaft verschrieben hat, in der der Zwang zur Flexibilität und die Logik des Marktes vorherrschen.
Viele Menschen fühlen sich diesen Entwicklungen gegenüber überfordert und schutzlos ausgeliefert. Der Populismus lehnt sich dagegen auf. Vielleicht umso erfolgreicher, weil wir den Menschen oft nur sagen „das ist unsere einzig mögliche Zukunft“, weil wir keine Alternativen aufzeigen, keine Gegenentwürfe zu dieser rein der Vernunft des Kapitals unterworfenen Welt vorlegen.
Tiefe Kluft
Weil die Argumentation der politischen Mitte auf eine tiefe Kluft zwischen den GewinnerInnen und den VerliererInnen der Modernisierung abzielt, auf die Kluft zwischen ZukunftsoptimistInnen und ZukunftspessimistInnen. Eine Kluft, die hingenommen wird.
Dadurch entsteht eine Trennlinie zwischen gesellschaftlichen Gruppen, zwischen jenen, die die Zukunft willkommen heißen, und denen, die die Zukunft fürchten. Unsere politische Positionierung in diesen Fragen wird also über die Zukunft des Populismus entscheiden!
Willi Mernyi
Sekretär des ÖGB, Leiter Bereich Organisation, Koordination, Service
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/17.
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