Wir hatten eine Änderungsschneiderei mit acht Mitarbeiterinnen. Die mussten wir schließen.
Rita Feldner, Geschäftsführerin „s’Gwandtl“
- Altkleidersammlung für die Gemeinden
- Ein zweites Leben für Kleidungsstücke im Secondhand-Shop
Dennoch setzt sich s’Gwandtl für nachhaltiges Wirtschaften ein und geht einen wichtigen Schritt in Richtung Re-Use. So übernimmt das Unternehmen die Altkleidersammlung für die Gemeinden und bietet im Rahmen eines Secondhand-Shops Kleidungsstücken sowie Accessoires wie Schuhen, Taschen, Gürteln und Tüchern die Chance auf ein zweites Leben. Damit wird ein wichtiges Zeichen für Nachhaltigkeit gesetzt und der Gedanke von Wiederverwendung in der Bevölkerung platziert – speziell in Zeiten einer stetig wachsenden Wegwerfgesellschaft ein bedeutender Ansatz des Umdenkens.
Perspektive gegen mangelndes Selbstvertrauen
Insgesamt fünf Fixangestellte und sieben Transitmitarbeiterinnen sind im s’Gwandtl beschäftigt, davor waren es 13. Begleitet werden sie von einer Sozialberatung. Besonders schwer hätten es Frauen ab 50. Auch die Regelung der Kinderbetreuung, oder wie man gesundheitliche Probleme wieder in den Griff bekommt, sind zentrale Themen. Es gehe auch darum, das Selbstvertrauen der Frauen wieder aufzubauen und Perspektiven zu entwickeln. „Die Frauen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen: Was ist noch möglich, was vielleicht nicht mehr und wovon muss ich mich verabschieden? Auf Basis einer realistischen Perspektive kann man weiterarbeiten.“
Soziale Unternehmen haben einen arbeitsintegrativen Auftrag, sie beschäftigen, qualifizieren und beraten langzeitarbeitslose Menschen.
Schifteh Hashemi-Gerdehi, stellvertretende Geschäftsführerin von arbeit plus
Schifteh Hashemi-Gerdehi, stellvertretende Geschäftsführerin von arbeit plus, dem Dachverband für soziale Unternehmen, betont die Wichtigkeit von Betrieben wie dem s’Gwandtl. „Soziale Unternehmen haben einen arbeitsintegrativen Auftrag, sie beschäftigen, qualifizieren und beraten langzeitarbeitslose Menschen.“ Für Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen, die nach langer Auszeit wieder in den Arbeitsmarkt möchten, und ähnliche Menschengruppen seien soziale Unternehmen wichtig, um schrittweise wieder in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. „Es sind existenzsichernde Jobs, es geht nicht nur darum, ,Arbeit zu spielen‘.“
Die Hälfte der Langzeitarbeitslosen in Österreich sind Menschen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben. „Der Qualifizierungsbereich wird auf sozialpolitische Maßnahmen ausgelagert. Soziale Unternehmen versuchen, eine Lücke auszufüllen, die leider schon viel früher im Bildungssystem schlagend wird.“
Betriebserhaltung durch Verhandlungsgeschick trotz Kürzungen
Wie stark die sozialen Unternehmen von den kürzlich durchgeführten Kürzungen betroffen sind, sei von Bundesland zu Bundesland verschieden, sagt Schifteh Hashemi-Gerdehi. „Im Schnitt wurden die Budgets um 5 bis 20 Prozent gekürzt.“ Einzelne Betriebe mussten geschlossen werden, andere verkleinerten ihre Geschäftsbereiche. Eine Stärke sozialer Unternehmen sei es, dass sie sehr innovativ und flexibel auf solche Veränderungen reagieren können, so Hashemi-Gerdehi. „Sie haben mit dem AMS einjährige Förderverträge und wissen daher fast nie, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Es ist eine unsichere Zeit.“
Zudem ergänzt sie, dass oft Unwissenheit herrsche, was die Wirkung von sozialen Betrieben angehe. „Wenn das erklärt wird und man einmal vor Ort in einem sozialen Betrieb ist, kommt es oft zu einem Aha-Moment.“ PolitikerInnen, die soziale Unternehmen zuvor nur als Kostenfaktor gesehen hätten, sehen auch, wie sie wirken können: Menschen werden stabilisiert, und mittelfristig sind höhere Einkommen für die vormals Benachteiligten möglich. „Man muss sich mit dem Instrument auseinandersetzen, Kosten mit Auswirkungen vergleichen.“
Großes Thema Nachhaltigkeit
arbeit plus ist der Dachverband für mehr als 90 Prozent der sozialen Betriebe in Österreich, 200 Unternehmen sind dort organisiert. Jedes vierte davon beschäftigt sich mit den Themen Recycling, Re-Use und Nachhaltigkeit. Für die sozialen Betriebe sei der ökologische Gedanke schon seit Gründung der ersten Firmen Mitte der 80er-Jahre zentral gewesen. Es sei immer darum gegangen, eine alternative Form des Wirtschaftens zu zeigen, so Schifteh Hashemi-Gerdehi. „Die politischen und sozialen Anliegen können zusammengehen und so ein insgesamt neues Wirtschaftsmodell zeigen. Wir verstehen uns als Teil einer europaweiten Solidarwirtschaft.“
Für soziale Betriebe ist der ökologische Gedanke schon seit Gründung der ersten Firmen Mitte der 80er-Jahre zentral gewesen.
Schifteh Hashemi-Gerdehi, stellvertretende Geschäftsführerin von arbeit plus
Aufgrund der Klimakrise werde es immer notwendiger, dass Recycling und Re-Use von Unternehmen offensiv betrieben werden. Arbeitspolitik sei auch Umweltpolitik, weil ein Drittel der Textilsammlung und -aufbereitung in Österreich durch soziale Unternehmen geleistet werde. „Das sind kleine Tätigkeiten, die gesamtgesellschaftlich und zur Erreichung der Klimaziele für Österreich notwendig sind.“
Viele soziale Unternehmen betreiben auch Reparatur-Cafés, in denen Interessierte lernen, wie sie einfache Reparaturen selbst durchführen können. „Hier kann man mit Menschen ins Gespräch kommen und sie im Bereich der Reparaturen ausbilden.“ Als Beispiel nennt Hashemi-Gerdehi das Reparatur- und Servicezentrum RUSZ in Wien und das Netzwerk Repanet. „Diese Reparatur-Cafés werden offensiv betrieben, weil sie auch Menschen ausbilden und reparierte Geräte weiterverkaufen. Die haben wir sehr bewusst in unser Netzwerk geholt, weil wir neben dem arbeitsmarktpolitischen Auftrag auch den sozialen und ökologischen sehen.“
Re-Use als Jobmotor in der Sozialwirtschaft
Bei sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus geht es vor allem darum, soziale, ökologische und gesellschaftspolitische Ziele zu vereinen.
Bei sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus geht es vor allem darum, soziale, ökologische und gesellschaftspolitische Ziele zu vereinen. Dabei werden „vielfach innovative Tätigkeiten verfolgt, die für die Gesellschaft und für unser Klima von großer Bedeutung sind“, so Hashemi-Gerdehi. „Gerade bei der Vorbereitung zur Wiederverwendung nehmen soziale Unternehmen eine Schlüsselrolle ein.“ Seit 2017 verstärkt arbeit plus diesen Schwerpunkt durch die Arbeitsgruppe Kreislaufwirtschaft und eine vertiefende Kooperation mit RepaNet, dem Re-Use- und Reparaturnetzwerk Österreichs.
Vor allem im Re-Use und Abfallwirtschaftsbereich besteht ein enormes Potenzial an Arbeitsplätzen. Laut Schätzungen von RepaNet besteht in Österreich ein zusätzliches Potenzial von 2.600 Re-Use-Jobs, was rund zwei Drittel mehr als jetzt ist.
Re-Use: Wegbereitende Unternehmen machen’s vor
Es gibt sie bereits: Unternehmen, die im Bereich Nachhaltigkeit innovativ agieren und das Thema Re-Use in den Fokus ihres Wirtschaftens rücken. So beispielsweise die Firma garbage upcycling design, die sich mit dem Design, der Produktion und dem Verkauf von Gegenständen wie Schmuck, Kleidung, Möbel, Taschen und Ähnlichem aus gesammelten, gebrauchten und upgecycelten Materialien beschäftigt und dabei mit (ehemals) suchtkranken Menschen arbeitet.
Ähnliche Werte vertritt auch das BauKarussell, ein Zusammenschluss von VertreterInnen aus Architektur und Forschung mit drei sozialen Unternehmen. Im Fokus ihres Handelns steht der Rückbau von Gebäuden vor Abbruch und Ausbau von Bauteilen und Komponenten. Die einzelnen Komponenten kommen entweder im nachfolgenden Bauprojekt vor Ort oder in anderen Bauprojekten zum Einsatz. Dadurch konnten in drei Pilot-Rückbauten 450.000 Kilo Abfall vermieden, 77.000 Kilo Material getrennt gesammelt und dem Recycling zugeführt sowie 172.000 Kilo an Störstoffen entfernt werden.
Betrachtet man dazu die Textilsammlung und -sortierung, so werden österreichweit 30 Prozent dieser Tätigkeiten durch gemeinnützige soziale Unternehmen geleistet, berichtet Hashemi-Gerdehi. Zudem werden 15 Prozent der gesammelten Ware in eigenen Secondhand-Shops verkauft.
Womit wir wieder zurück in Lienz bei der Firma s’Gwandtl wären, die genau das macht. Mit viel Verhandlungsgeschick war das Team rund um Rita Feldner dazu in der Lage, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Totalkürzung der AMS-Förderung wurde abgewendet, das Land Tirol erklärte sich – obwohl es prozentuell an die AMS-Förderungen gebunden wäre – bereit, die finanziellen Mittel nicht zu kürzen. Feldner ist zuversichtlich, den Betrieb im s’Gwandtl aufrechterhalten zu können. Das Konzept für den verkleinerten Betrieb steht seit Anfang Jänner.