Sozialstaat: Motor und Vermögen

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Inhalt

  1. Seite 1 - Der Sozialstaat kann enorm viel
  2. Seite 2 - Stabilisierende Wirkung
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Geht’s dem Sozialstaat gut, geht’s der Wirtschaft gut: Dass sich AK und Gewerk­schaften für einen leistungsstarken Sozialstaat einsetzen, ist keineswegs retro.
Wer heutzutage ein Plädoyer für den leistungsstarken Sozialstaat hält, wird gerne einmal in die träumerische Ecke gestellt. Teuer, bevormundend, altbacken: So wird oft argumentiert. Entsprechend hat sich auch der Diskurs über den Sozialstaat entwickelt, geprägt einerseits von der falschen Annahme, man müsse etwa Arbeitslose unter Druck setzen. Andererseits ist Sparen geradezu zu einem Mantra geworden, Einschnitte in den Sozialstaat seien nötig, heißt es.

Der Diskurs über den Sozialstaat ist geprägt einerseits von falschen Annahmen.

All diesen Entwicklungen zum Trotz setzen sich Arbeiterkammer und Gewerkschaften weiterhin für ebenjenen leistungsstarken Sozialstaat ein. Keineswegs aus Nostalgie, sondern vielmehr weil er einen ganz konkreten volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Was dabei gerne vergessen wird: Er kommt auch Unternehmen und dem Wirtschaftsstandort als Ganzes zugute. Aber der Reihe nach. Denn es kursieren eine Reihe von falschen Annahmen über den Sozialstaat, die es zu hinterfragen gilt.

Da ist zunächst einmal das Sparargument. Nun wird niemand ernsthaft den demografischen Wandel leugnen, der insbesondere in der Gesundheit und Pflege neue Herausforderungen und entsprechend auch zusätzliche Kosten mit sich bringt. Deshalb macht man sich auch in Arbeiterkammer und Gewerkschaften Gedanken über die Finanzierung der Zukunft. Dazu muss man wissen: Den Löwenanteil tragen die ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen selbst. Das muss aber nicht so sein. Denn bisher leisten Vermögende nur einen sehr kleinen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens, was nicht zuletzt die OECD seit vielen Jahren kritisiert. Würden Vermögenssteuern erhöht, könnte man die Herausforderungen der Zukunft bewältigen – und nebenbei würde man auch das Steuersystem gerechter machen.

Unterbelichtet

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In der Debatte völlig unterbelichtet ist noch ein weiterer Aspekt: Es ist keineswegs so, dass die Ausgaben für den Sozialstaat „explodieren“. Vielmehr ist der Anteil, den die Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt ausmachen (die sogenannte Sozialquote) seit Mitte der 1990er-Jahre stabil geblieben – und das trotz Finanz- und Wirtschaftskrise.

Es ist keineswegs so, dass die Ausgaben für den Sozialstaat „explodieren“.

Allerdings darf es nicht nur um die Frage gehen, was der Sozialstaat kostet. Denn Kosten hin oder her: Der Sozialstaat ist keine Last, wie gerne behauptet wird, sondern vielmehr ein Vermögen des Staates. Für den Erfolg, die Qualität und die Krisenfestigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich ist er unabdingbar. „Die guten sozialen Errungenschaften und Standards sind zentrale Voraussetzungen für den gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg“, hält Adi Buxbaum von der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien fest.

Die guten sozialen Errungenschaften und Standards sind zentrale Voraussetzungen für den gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg.

Adi Buxbaum, AK Wien

„Wenn man ihn lässt, kann der Sozialstaat enorm viel“, betont Vera Lacina, Referentin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien. Sie bezieht sich dabei auf eine aktuelle WIFO-Studie, die die positiven Effekte des Sozialstaats für die Menschen, die Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort insgesamt aufzeigt. Denken wir beispielsweise das Szenario einer Wirtschaftskrise ohne Sozialleistungen: Fakt ist, dass in solch besonders schwachen Konjunkturphasen die Arbeitslosigkeit steigt. Der Verlust eines Jobs bringt enorme negative Auswirkungen mit sich – sowohl für die Personen, die zwischenzeitlich keine Arbeit haben, als auch für Unternehmen.

Der Sozialstaat sorgt in diesem schwierigen Lebensabschnitt durch das Arbeitslosengeld für die finanzielle Absicherung der betroffenen Menschen. Dadurch steht ihnen das Geld zur Verfügung, mit dem sie ihren Lebensalltag bestreiten können. Ohne diese Sozialleistung würde sich bei Unternehmen ein deutlicher Rückgang der Nachfrage bemerkbar machen. Denn wo kein Geld, da auch kein regulärer Konsum von Produkten und keine übliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Der Zugang zu und die Qualität von Bildungsangeboten sowie Gesundheitsleistungen sind wichtige Determinanten der Lebensqualität. Und nicht zuletzt sind gut qualifizierte und gesunde Arbeitskräfte auch für Unternehmen essenziell. Denn was wäre ein Unternehmen ohne seine MitarbeiterInnen, die das System am Laufen halten? Ohne ihre Expertise? Ohne ihren Einsatz? Jeder Betrieb sucht sich am Arbeitsmarkt die besten Bewerber, die das nötige Know-how mitbringen.

Nur selten wird jedoch daran gedacht, dass auch unser Schul- und Bildungssystem durch sozialpolitische Maßnahmen profitiert: angefangen vom kostenfreien universellen Zugang zu primärer und sekundärer Bildung, kostenfreien Schulbüchern bis hin zu Ausbildungsförderungen, Beihilfen und steuerlichen Begünstigungen. Dadurch, dass Menschen Schulbeihilfen, Studienbeihilfen, SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrten, aber auch Bildungskarenz, Bildungsteilzeit oder ein Fachkräftestipendium in Anspruch nehmen können, wird Bildung leistbar und für Unternehmen am Arbeitsmarkt in Form von gut qualifizierten Arbeitskräften verfügbar.

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Über den/die Autor:in

Beatrix Ferriman

Beatrix Ferriman hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

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