Mobilisierung für die AK-Wahl strategisch planen
Zur Zeit des Interviews, knapp vor Weihnachten, waren es noch gute vier Monate bis zur AK-Wahl 2024. Mit den Vorbereitungen hat Jurekovic, die seit 14 Jahren dem Arbeiter:innen-Betriebsrat von Takeda Austria in Linz vorsitzt und schon einige AK-Wahlen organisiert hat, allerdings schon vor Monaten begonnen. Strukturierte Planung sei das A und O, damit alles rund läuft. Sie will trotz der vielen Action so viele der rund 800 Kolleg:innen wie möglich für die Wahl mobilisieren. Bei der letzten Wahl 2019 erzielte das Betriebsratsteam, das die Wahlsprengel organisiert, eine für einen Schichtbetrieb sehr hohe Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent. Die durchschnittliche Wahlbeteiligung lag 2019 in Oberösterreich bei 41 Prozent und österreichweit bei 38,65 Prozent. Dennoch sieht Sandra Jurekovic für Takeda noch immer „Luft nach oben“.
Zu den Mobilisierungsaufgaben gehört neben Plakataushängen und kleinen Wahlgeschenken vor allem das Hinweisen auf die Wahl kurz vor und direkt an den Wahltagen. Das funktioniert bei Takeda besonders gut über die WhatsApp-Gruppen, die es seit der Corona-Zeit gibt. Um so viele Mitarbeiter:innen wie möglich zur Wahlurne zu bringen, plant der Betriebsrat Wahlzeiten und Wahlort strategisch. Jurekovic: „Wir haben uns bewusst überlegt, wo wir uns positionieren. Wir werden zwischen Stempeluhr und Garderobe sitzen, weil die Leute dort auf jeden Fall vorbeikommen.“
Im Schichtbetrieb sind die Zeiten für die Wahl entscheidend
Jeder Betrieb entscheidet selbst, wann er die Wahl durchführt. Bei Takeda wird an zwei Tagen gewählt – am Anfang und am Ende der zweiwöchigen Wahlperiode. Sehr wichtig ist in einem Schichtbetrieb wie Takeda, wo 24 Stunden produziert wird, zu welchen Uhrzeiten gewählt werden kann. Der Betriebsrat hat entschieden, den Betriebswahlsprengel von 5 bis 22 Uhr zu öffnen – so können auch die Kolleg:innen, die in der Nachtschicht zwischen 21.30 Uhr und 5.30 Uhr arbeiten, mitwählen.
Während unseres Interviews schauen auch drei Kolleginnen, die im Februar ihre Pharmatechnologie-Lehre abschließen, vorbei. Sie wissen bislang nicht, warum sie hergebeten wurden, und schauen Jurekovic erwartungsvoll an. Sie erklärt: „Wir haben nächstes Jahr nicht nur Betriebsratswahlen, sondern auch unsere Arbeiterkammer-Wahl. Da seid ihr aber noch nicht automatisch auf unserer Wähler:innen-Liste, weil ihr noch nicht bei der Arbeiterkammer einzahlt.“ Trotzdem sind sie und die anderen sieben Lehrlinge wahlberechtigt. Aber nur, wenn sie sich vorher in die Liste für den Sammelantrag eintragen, der bis 15. Jänner an die AK geschickt werden muss. In den Sammelantrag kommen auch jene Mitarbeiter:innen, die während der AK-Wahlen in Karenz oder im Zivildienst sind. Sandra Jurekovic ruft sie alle persönlich an und stellt sicher, dass sie eine Wahlkarte bekommen.
Parlament der Arbeitnehmer:innen
Es ist nicht selbstverständlich, dass alle an den AK-Wahlen teilnehmen. Jurekovic erzählt: „Viele denken sich: Wozu brauch ich die Arbeiterkammer? Wir haben eh einen Betriebsrat und die Gewerkschaft.“ Deshalb weist der Betriebsrat speziell im Vorfeld der Wahlen darauf hin, wie wichtig die Arbeit der Arbeiterkammer ist. Beispielsweise mit Werbefoldern, aber auch, indem sie über die Leistungen der AK sprechen. „Sagt euch die Arbeiterkammer was?“, fragt Jurekovic auch die drei Lehrlinge. „Die kämpft und steht für uns ein“, sagt eine der jungen Frauen, die mittlerweile am Besprechungstisch Platz genommen haben.
„Genau“, antwortet Jurekovic und erklärt: „Das ist auch ein Sozialpartner, ein verlängerter Arm von uns Betriebsräten. Wir bezeichnen den Betriebsrat, die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer als ein Dreieck, das in schwierigen Situationen zusammenhält und auf die Rechte von Arbeitnehmer:innen schaut. Man kann sich auch Rat holen und rechtlich vertreten lassen, wenn man zum Beispiel eine Kündigungsanfechtung macht oder die Firma klagt, weil man nicht alles korrekt ausgezahlt bekommen hat.“ Was Jurekovic den drei angehenden Pharmatechnologinnen nicht sagt: Sie bestimmt als Kammerrätin selbst im sogenannten „Parlament der Arbeitnehmer:innen“ mit, der Vollversammlung der Arbeiterkammer, die bei den AK-Wahlen gewählt wird, und tritt im April auf Listenplatz 14 an.
Mobilisierung für die AK-Wahl: Ansprechbar sein und aufklären
Auch im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern im sechsten Wiener Bezirk denkt man schon viele Monate vor den AK-Wahlen über die Mobilisierung der Mitarbeitenden nach. Diese AK-Wahlen werden die ersten sein, die Johannes Wölflingseder als Betriebsratsvorsitzender organisiert. Auch bei ihm geht es in der Vorweihnachtszeit geschäftig zu. Heute findet die Weihnachtsfeier statt. Daher kommt am späten Nachmittag ein Betriebsratsmitglied nach dem anderen ins kleine Betriebsratszimmer, wo sich Gegenstände für einen „umgekehrten Adventkalender“ stapeln. Anstatt etwas herauszunehmen, werden Dinge gesammelt, die schließlich an das VinzenzGwölb gespendet werden, eine Frühstücksausgabe für obdachlose und notleidende Menschen ums Eck, die zum Krankenhaus gehört. Heitere Stimmung scheint von einer Person auf die nächste überzuspringen.
Während wir mit Johannes Wölflingseder für Fotos durch die Gänge gehen, fragt ihn eine Kollegin: „Bist du morgen am Vormittag da?“ Nein, er fliege um 8.30 Uhr nach Hannover. Er trägt einen großen Korb mit nach Marille riechenden Handcremen – Werbegeschenke der AK – durch die Gänge. Eine Kollegin fragt, ob sie eine nehmen darf. Zwischendurch ruft jemand wegen des geplanten Fußballmatches zwischen Barmherzigen Schwestern und Barmherzigen Brüdern an. Im Hof demonstriert Wölflingseder für Fotos, wie er und sein Team im Frühjahr zwecks Mobilisierung für die AK-Wahlen Schutzhüllen mit AK-Branding auf die Sitze der abgestellten Fahrräder der Mitarbeiter:innen stülpen werden.
Nicht gewohnt zu wählen
Auch Wölflingseder ist ein Betriebsrat mit Leib und Seele. Schon mit 17 Jahren war er Jugendvertrauensrat, damals noch als Buchhändler. Später arbeitete er 15 Jahre lang als Anästhesiepflegekraft und ist seit 2017 im Betriebsrat der Barmherzigen Schwestern, wo er vor zwei Jahren den Vorsitz übernommen hat. Zusätzlich hat er einen Sitz im Aufsichtsrat des Krankenhauses und ist stellvertretender Vorsitzender vom Konzernbetriebsrat der Vinzenz-Gruppe. Hinzu kommen ein Mandat im Fachbereichsvorstand Gesundheit bei der Gewerkschaft vida und die KV-Verhandlungsleitung der Ordensspitäler Österreich.
Bei all den Aufgaben wollen auch noch die AK-Wahlen organisiert werden. Im Krankenhaus sind etwa 700 Personen angestellt. Hinzu kommen weitere rund 300 – etwa von Küche, Technik und Reinigung – die in ausgelagerten Unternehmen arbeiten, aber teilweise auch im Krankenhaus an der AK-Wahl teilnehmen. Die größte Herausforderung bei der Mobilisierung für die AK-Wahl ist der hohe Anteil an migrantischen Kolleg:innen im Krankenhaus. Allerdings nicht wegen sprachlicher Probleme. Wölflingseder: „Einige unserer migrantischen Kolleg:innen sind es nicht gewohnt, wählen gehen zu dürfen und sich am demokratischen Prozess zu beteiligen.“
Erklären, was die AK macht
Die meisten kommen aus Ex-Jugoslawien und Deutschland, andere etwa aus dem Iran, Afghanistan, Kuba und der Elfenbeinküste. Wenn sie keine österreichischen Staatsbürger:innen sind, dürfen sie nicht an Gemeinderats-, Präsidentschafts- oder Nationalratswahlen teilnehmen – an den AK-Wahlen jedoch schon. Wölflingseder: „Ich finde es super, dass von den AK-Wahlen nicht 25 Prozent der Leute ausgeschlossen sind. Man muss ihnen aber erklären, was die AK macht und was das Parlament der Arbeitnehmer:innen ist.“ Das erledigen Wölflingseder und seine Betriebsratskolleg:innen etwa bei Grillfesten oder beim alljährlichen Adventausflug nach Mariazell.
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Auch bei den Barmherzigen Schwestern wählt der Betriebsrat die Wahltermine strategisch, um für eine hohe Wahlbeteiligung zu sorgen – hier wird auf sechs Tage verteilt gewählt. Dabei ist die hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden, von denen viele in Teilzeit tätig sind, ein großes Thema. Ihnen fehlt in ihrer Schicht oft sogar die Zeit, schnell ihr Kreuzerl in der Wahlkabine zu machen. Ein Spezialfall im Krankenhaus ist, dass der Betriebsrat manches AK-Mitglied darauf hinweisen muss, dass es ein solches ist und folglich an der AK-Wahl teilnehmen darf. Denn einige Ärzt:innen und Pharmazeut:innen sind aufgrund früherer Jobs AK-Mitglieder, wissen das aber selbst nicht. Auch so lässt sich die Wahlbeteiligung steigern. Sie lag 2019 bei knapp unter 50 Prozent. „Für Krankenhäuser ist das offenbar ein sehr guter Wert“, sagt Wölflingseder. In Wien lag die Wahlbeteiligung bei 42,3 Prozent.
Täglich eine Story
Der Großteil der Wahl-Mobilisierung passiert jedoch über Social Media: Facebook, Instagram und die „Mein BR-App“ des ÖGB-Verlags, die individuell angepasst wurde, sind wichtige Tools, um Infos zu verbreiten. Auf Instagram versucht Wölflingseder, täglich eine Story zu posten, auch wenn ihm das nicht immer gelingt. In der App wiederum wird neben verschiedenen Ankündigungen das Kantinen-Menü gepostet, und Mitarbeiter:innen können sich hier für das Lastenfahrrad des Betriebsrats anmelden, das sich alle ausborgen können – ein stark genutztes Angebot. Und natürlich wird auf allen Plattformen auch auf die AK-Wahlen hingewiesen.
Trotz all dieser technischen Möglichkeiten scheint auch hier eine gute alte Marketing-Methode am meisten zu wirken: die Mundpropaganda. Denn besonders wichtig, um möglichst viele Kolleg:innen für die Wahlen zu mobilisieren, ist, dass Betriebsratsmitglieder an den Wahltagen im Krankenhaus unterwegs sind und die Kolleg:innen persönlich daran erinnern, zur Wahlurne zu gehen.