Nachfrage nach Fairness
Gerade bei Nahrung steigt die Nachfrage nach ökologischen, nachhaltigen Produkten. Die Lebensmittelbranche hat in den letzten Jahren große Fortschritte in Richtung „Fairness“ gemacht. Gütesiegel wie etwa „Fairtrade“ geben KonsumentInnen die Sicherheit, dass bei unter dieser Marke verkauften Bananen, Rosen oder Kaffee die beteiligten Kleinbauernkooperativen, Plantagen und Unternehmen die vereinbarten Grundregeln einhalten.
Diese umfassen soziale, ökologische und ökonomische Mindestanforderungen, um eine nachhaltige Entwicklung der Produzentenorganisationen zu gewährleisten. Förderung von Gewerkschaften, geregelte Arbeitszeiten, Kinderarbeitsverbot, Förderung von Bio-Ausbau sowie Verbot von Pestizid-Einsätzen zählen ebenfalls dazu.
Der Einfluss der KonsumentInnen ist groß, wie kürzlich die „Fairtrade“-Aktion der „Bananen Challenge – machen wir aus ‚krummen Dingern‘ eine gerechte Sache“ zeigen konnte. Einen Monat lang waren KonsumentInnen aufgerufen, fair produzierte statt herkömmliche Bananen zu kaufen. Ecuador, Peru und die Dominikanische Republik zählen zu den wichtigsten Lieferantenländern. Die Arbeitsbedingungen auf Bananenplantagen sind katastrophal. Flugzeuge verteilen aus ihren Pestizidtanks hochgiftige Chemikalien wie das in der EU verbotene Calixin. Untersuchungen bestätigen die dramatischen Folgen für die Menschen vor Ort mit enorm hohen Krebsraten sowie Missbildungen bei Babys. Die Aktion war erfolgreich: Allein in Österreich wurden im Rahmen der Kampagne 9,9 Millionen fair produzierte Bananen verkauft.
Ein Argument gegen Bio-Produkte ist oft der höhere Preis, den sich nicht alle leisten können. Doch ein Preisvergleich zeigt, dass nicht jedes fair gehandelte Produkt so viel mehr kostet. Bei Kaffee etwa schlägt eine fair gehandelte Marke mit nur wenigen Cent pro Tasse zu Buche. Damit ist allerdings die Lebensgrundlage der Kaffeebauern und -bäuerinnen gesichert. Über 800.000 LandwirtInnen in 30 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika profitieren von fairem Handel. „Fairtrade gibt den Bauernfamilien Hoffnung, den Kreis aus Unsicherheit und Armut zu durchbrechen“, betont Lee Byers, Kaffee-Experte von Fairtrade International.
Auch aus Umweltgründen ist rasches Handeln notwendig. Der aktuelle Bericht des „Climate Institute“ warnt vor den Risiken des Klimawandels und dessen Folgen für die Kaffeebohne: Bis 2050 könnte die bebaute Fläche für Kaffee nur noch halb so groß sein wie jetzt. Bis 2080 könnte die wilde Kaffeepflanze sogar komplett ausgestorben sein.
Etikettendschungel
Als KonsumentIn ist es oft schwierig, sich im Dschungel der als „fair, bio, ökologisch“ etikettierten Labels zu orientieren. Die Arbeiterkammer Wien hat einen Leitfaden zur Kaufentscheidung herausgegeben. Mit verschiedenen Gütesiegeln werden Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft, Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung, Lebensmittel aus fairem Handel sowie Produkte mit gehobener Qualität gekennzeichnet. Bekannte Labels sind etwa das AMA-Gütesiegel, das EU-Biosiegel, Landliebe, Gradwohl, Ja! Natürlich, um nur einige Kennzeichnungen zu nennen.
Vor allem die Herkunft der Lebensmittel spielt bei der Kaufentscheidung eine große Rolle. Verwirrend dabei ist, dass ein Etikett wie „Hergestellt in Österreich“ noch nichts über den Ursprung der Rohstoffe aussagt. Mit Gütezeichen und -siegeln will die AK nun bei den Kaufentscheidungen helfen. Um als Bio-Lebensmittel gekennzeichnet werden zu dürfen, sollten mindestens 95 Prozent der verwendeten Zutaten aus biologischer Landwirtschaft stammen, nur fünf Prozent konventionelle Zutaten sind erlaubt.
Bei der richtigen Kaufentscheidung hilft auch der von der entwicklungspolitischen Organisation Südwind zusammengestellte „Shopping Guide“. Politische Rahmenbedingungen, die einen fairen statt freien Handel und gerechte Steuern fördern, sind ausschlaggebend. Doch auch als KonsumentInnen hat man einen zentralen Einfluss auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von ArbeiterInnen und BäuerInnen weltweit. „Wenn wir immer nur sehr viele und billige oder manchmal leider auch teure Produkte kaufen und nicht auf ihre soziale und ökologische Qualität achten, werden auch die Konzerne keinen Anlass für Verbesserungen sehen“, betonen Süd-wind-AktivistInnen.
Faire Schuhe?
Während in der Lebensmittelbranche das Öko- und Fairness-Bewusstsein schon auf einem guten Punkt ist, hinkt die Bekleidungsindustrie nach. Besonders düster ist die Situation auf dem Schuhsektor. Die Arbeiterkammer ließ Schuhhersteller unter die Lupe nehmen. Das ernüchternde Ergebnis: Soziale Verantwortung kennt man in dieser Branche kaum. Die Clean-Clothes-Kampagne hat im Auftrag der AK sieben österreichische Schuhfirmen zu „Fairness“ befragt. Das ernüchternde Ergebnis: Vier Unternehmen haben geantwortet und zeigen damit ein Mindestmaß an Transparenz. Die heimischen Schuhunternehmen kümmern sich allerdings nicht wirklich darum, wie es um Arbeitsrechtsverletzungen, gerechte Löhne oder Sicherheit in den Produktionsstätten steht. Auch die Firmenwebsites schweigen darüber – die Information der KonsumentInnen bleibt meist auf der Strecke.
Seit 2015 werden im Rahmen des EU-Projekts „Change your Shoes“ – bei dem das soziale Engagement von insgesamt 29 führenden Schuhherstellern untersucht wurde – Verbesserungen in der Produktion gefordert. Im Fokus stehen Umwelt- und Sozialstandards, die es in der globalen Lieferkette besser umzusetzen gilt. Politik und Unternehmen sind hier gleichermaßen gefordert, um für Veränderungen zugunsten der Menschen und ihrer Rechte in der Lieferkette zu sorgen.
Wie, wo und wie viel produziert wird, bleibt auch nach dem Projekt „Change your Shoes“ weitgehend unklar, die Firmen lieferten zum Teil sehr spärliche Informationen. Deutlich wurde leider, dass sich österreichische wie europäische Schuhfirmen kaum mit den Arbeitsbedingungen auseinandersetzen – Nachweise über unabhängige Überprüfungen sind Mangelware. Nur eine von 16 europäischen Firmen beschäftigt sich mit der Frage, ob die ausgezahlten Löhne auch für ein Existenzminimum reichen. „Der Mindestlohn liegt leider oft darunter“, analysiert Nina Tröger von der AK Wien.
Nur zwei Prozent für NäherInnen
Pro Jahr werden weltweit 22 Milliarden Paar Schuhe produziert. Der Großteil davon wird in Europa verkauft, gefolgt von China und den USA. Laut Schätzungen der Wirtschaftskammer kaufen ÖsterreicherInnen sechs Paar Schuhe im Jahr. „Nur zwei Prozent des Verkaufspreises bekommen NäherInnen für die Herstellung. Informationen über die Produktionsbedingungen sind kaum erhältlich“, kritisiert Michaela Königshofer von der entwicklungspolitischen Organisation „Südwind“, die sich an der Clean-Clothes-Kampagne beteiligte.
Positive Entwicklungen
Vereinzelt sind positive Aspekte zu sehen: Einige Schuhunternehmen produzieren zum Teil noch in Österreich und haben eigene Produktionsstätten. Paul Green hat laut eigenen Angaben in seinem Werk in Kroatien einen Betriebsrat. Think! hat als Erstes einen Schuh hergestellt, der mit dem österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet wurde. Hartjes wiederum zahlt nach eigenen Angaben in den Produktionsländern zusätzlich ein 13. und 14. Monatsgehalt.
Bis zur Umsetzung aller Ziele – angefangen von besseren Löhnen, Sicherheit am Arbeitsplatz in Gerbereien und Fabriken sowie Transparenz für KonsumentInnen, wie ihre Schuhe produziert wurden – ist es leider noch ein weiter Weg. Dafür ist gutes Schuhwerk erforderlich.
Linktipps:
AK-Leitfaden durch Gütesiegel am Lebensmittelsektor
tinyurl.com/jyue27e
Irene Mayer-Kilani
Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.
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