Klare Forderungen der Metaller
Die vergangenen zwölf Monate sind geprägt von den Auswirkungen der massiven Inflation einerseits und Rekordgewinnen in vielen Branchen andererseits. Das hat Auswirkungen. Seit dem Jahr 2019 sind die Preise in Österreich um 23 Prozent gewachsen. Die Löhne aber nur um 16 Prozent, rechnet das Momentum-Institut vor. Im vergangenen Jahr 2022 sei es durch die enorme Teuerung zu den größten Reallohnverlusten seit mehr als 60 Jahren gekommen. Um 4 Prozent verlor der Lohn der Menschen an Wert.
Wir haben immer eine sehr verantwortungsvolle Lohnpolitik gemacht und geschaut, dass wir die Kuh melken, aber nicht derschlagn.
Wolfgang Katzian, Präsident Österreichischer Gewerkschaftsbund
Für Binder und Dürtscher ist daher klar: „Auch dieses Jahr sind wir nicht bereit, die Spielregeln zum Nachteil der Beschäftigten zu ändern. Die Verhandlungsgrundlage bleibt für uns die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate.“ Die vergangenen zwei Jahre seien für die Metallindustrie absolute Rekordjahre gewesen und auch das erste Halbjahr 2023 liege über dem Vor-Corona-Niveau. Die Statistik Austria spricht aktuell von einer leichten Einbremsung der Konjunktur auf sehr hohem Niveau. Knill reagiert auf diese Argumentation angefasst. „Wir sind nicht dazu da, die Kaufkraft von ganz Österreich zu halten.“
Tatsächlich sehen das die Gewerkschaften anders. „Bisher war es gute Tradition, dass auch die Arbeitgeberseite ihre soziale Verantwortung wahrnimmt.“ Ein gerechter Abschluss würde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Inflation ausgleichen. „Uns ist in den letzten Monaten keine Zurückhaltung bei den Gewinnausschüttungen aufgefallen“, ergänzen Binder und Dürtscher. Im September 2023 lag die rollierende Inflation bei 9,6 Prozent.
Hervorragende Zahlen der Elektro- und Elektronikindustrie
Noch vor Start der Verhandlungen stiftete die Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) Verwirrung. Am Rande des Jahresberichts forderte Wolfgang Hesoun, der Obmann der Vereinigung, die Gewerkschaften mögen sich angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation mit Einmalzahlungen zufriedengeben. Geschäftsführerin Marion Mitsch referierte allerdings folgende Zahlen: „Ausgehend von einer bereits steigenden Produktion (+17,1 %) im Vergleichszeitraum 2021, schloss die abgesetzte Produktion 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit einem Wert von 23,34 Mrd. Euro, was eine erneute Steigerung von 15,7 % bedeutet.“ Signifikante Zuwächse gäbe es in allen Sparten.
Dieser Vorgriff auf die eigenen Verhandlungen in Kombination mit den überaus beeindruckenden Geschäftszahlen stieß bei Binder und Dürtscher auf Unverständnis. „Einerseits exzellente Zahlen der Branche zu präsentieren und sich zeitgleich gegen nachhaltige Lohn- und Gehaltsabschlüsse auszusprechen, ist dreist. Aber wir werden als seriöse Verhandlungspartner auch in der Elektro- und Elektronikindustrie die Situation dann bewerten, wenn die Verhandlungen für diese Branche ins Haus stehen. Immerhin haben wir bis dahin noch einige Monate Zeit.“
Wer in der Krise Boni und Dividenden auszahlen kann, kann seinen Beschäftigten auch Wertschätzung zeigen!#Herbstlohnrunde #Metaller pic.twitter.com/jJ1q8br4T4
— ÖGB (@oegb_at) September 14, 2023
Wolfgang Katzian zu den KV-Verhandlungen der Metaller
Doch letztlich echauffierte sich Knill gar nicht über die Forderungen der Verhandlungsführer Binder und Dürtscher, sondern über ein Interview, das Wolfgang Katzian der Kleinen Zeitung gegeben hatte. Auf die Frage, ob die Vertreter der Arbeitnehmer:innen bei der Herbstlohnrunde Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage nehmen würden, antwortete Katzian: „Wir haben immer eine sehr verantwortungsvolle Lohnpolitik gemacht und geschaut, dass wir die Kuh melken, aber nicht derschlagn.“ Ein Vergleich, den er bereits im Mai 2023 tätigte – große Wellen entstanden damals wohl aufgrund der fehlenden KV-Verhandlungen nicht. Und tatsächlich bringt Katzian mit der Antwort ja zum Ausdruck, dass die Gewerkschaft sehr wohl Rücksicht auf die Lage der Unternehmen nehmen würden.
Knill sieht das anders. Es sei „völlig unverständlich, warum der Gewerkschaftspräsident mit einer spalterischen Rhetorik bewusst tiefe Gräben aufreißt.“ Damit nicht genug. „Dass die ÖGB-Spitze so aggressiv und feindselig auf Konfrontationskurs geht, zeugt von wenig Verantwortungsbewusstsein für den Standort Österreich.“ Dass so viel Energie auf eine Äußerung verwendet wird und eher wenig auf die zentralen Forderungen, kann immerhin als gutes Zeichen für die Arbeitnehmer:innen gesehen werden. Alle News zur Herbstlohnrunde 2023 und den KV-Verhandlungen gibt es hier.