Probleme der Medienförderung in Österreich
Denn um eine Medienförderung zu beantragen, fehlt der Zeitung genau das, was sie durch die Förderung bekommen sollte: Geld. So wie allen Zeitungen, die von obdachlosen Menschen vertrieben werden. Denn um Medienförderung zu bekommen, müsste der „Augustin“ drei hauptberufliche Journalist:innen anstellen und nach Kollektivvertrag bezahlen. Das ist schlicht unmöglich. Die Zeitung finanziert sich größtenteils durch Spenden und Anzeigen. Wer beim „Augustin“ arbeitet, tut dies wahrscheinlich im Prekariat, weil auch die eingebrachte Leistung als eine Art Spende verstanden werden darf.
Andere Häuser werden da großzügiger bedacht. Im Jahr 2021 hat die öffentliche Hand Werbung im Wert von 225 Millionen Euro geschaltet. Dazu kommen 33 Millionen Euro an Medienförderung (vor allem Presse- und Publizistikförderung, Privatrundfunkfonds und nichtkommerzieller Rundfunkfonds) und eine Digitalisierungsförderung. Die beträgt 2022 zusätzliche 54 Millionen Euro. Anschließend sinkt sie auf jährlich 20 Millionen Euro bis zum Jahr 2027.
Das Geld für die Digitalisierung floss beispielsweise an oe24.tv (rund zwei Millionen Euro), an Puls 4 und Puls 24 (jeweils 1,4 Millionen Euro) sowie an Krone.tv (1,6 Millionen Euro). Damit erhielt Krone.tv etwa so viel wie Servus TV – wobei der Radiosender Kronehit auch noch einmal 420.000 Euro bekam. Das sei ganz grundsätzlich kein Problem, wie Daniela Kraus im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft erklärt. Sie ist Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. Schließlich sei Österreich ein sehr kleiner Markt. Jede Art von Medium habe es hier schwer, ausreichend Einnahmen zu erzielen. „Wir schauen uns den Markt an, und wir sehen, dass es im Moment ohne öffentliche Unterstützung einfach nicht funktioniert. Die Frage ist: Was wird gesteuert, und wohin wird der Markt gesteuert?“, so Kraus in einem Medienpodcast der ARD.
Infrastruktur der Demokratie
Genau an dieser Frage scheiden sich in Österreich aber die Geister. „Journalismus ist die Infrastruktur der Demokratie. Der Staat muss einen Journalismus fördern, der der Bevölkerung faktenfundierte Informationen als Basis für ihre Entscheidungen zur Verfügung stellt“, betont Kraus die Bedeutung der Presseförderung. Nur müsse die eben wesentlich zielgerichteter sein. „Wir haben in Österreich sechs verschiedene Förderungen im Medienbereich. Das ist nicht zeitgemäß und vollkommen unübersichtlich.“ Kein Wunder, dass das Vertrauen in die Medien in Österreich massiv sinkt.
Die Unübersichtlichkeit liegt zum einen an den Förderinstrumenten: Neben den erwähnten Anzeigen fließen Gelder über eine Presseförderung, ein neues Qualitätsjournalismusförderungsgesetz (im Entwurf), die Digitaltransformationsförderung, eine Privatrundfunkförderung, eine Publizistikförderung und eine Förderung für den nichtkommerziellen Rundfunk. Zum anderen liegt es an der Eigentümerstruktur der Medien. Das Niederösterreichische Pressehaus beispielsweise gehört zu 80 Prozent der katholischen Kirche (Diözese St. Pölten). Die restlichen 20 Prozent gehören Raiffeisen. Stichwort Kirche: Regionalmedien Austria gehören zur Hälfte der Styria Media Group, die zu 98 Prozent im Besitz der Privatstiftung Katholischer Medien Verein ist – nur falls sich jemand wundert, warum die katholische Kirche nicht unerhebliche Presseförderungen einstreicht.
Medienförderung ohne Plan und Ziel
„Ich habe den Eindruck, dass weniger eine Vision dahintersteckt, wie man denn einen gedeihlichen und professionellen Journalismus fördern will, sondern dass alles getrieben ist von Partikularinteressen. Und wer am besten lobbyiert, der bekommt am meisten öffentliche Förderung“, prangerte Kraus das System bereits in einem Medienpodcast von ARD und ZDF an.
Journalismus ist die Infrastruktur der Demokratie. Der Staat muss einen
Journalismus fördern, der der Bevölkerung faktenfundierte Informationen als Basis
für ihre Entscheidungen zur Verfügung stellt.
Daniela Kraus, Generalsekretärin
des Presseclubs Concordia
Der größere Topf ist aber ohnehin das Werbebudget der öffentlichen Hand. Theoretisch betrug das im Jahr 2021 genau 225 Millionen Euro – mit einer kleinen Unschärfe nach oben, weil Ausgaben unter 5.000 Euro nicht gemeldet werden müssen. Bei vielen Medienhäusern machen diese Einnahmen einen zweistelligen Prozentsatz des Umsatzes aus, rechnet Kraus vor. Zwar dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren, doch würden eben viele Medienschaffende diese Anzeigen als Austauschgeschäft sehen. „Aber selbst, wenn kein direkter Austausch stattfindet, ist das eine strukturelle Abhängigkeit, die sehr viele Gefahren birgt“, mahnte Kraus im Podcast.
Transparente Chatverläufe
Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich aktuell wieder in Chatverläufen nachlesen. Die Dreistigkeit, mit der hier gefälliger Journalismus eingemahnt wird, und die Rückgratlosigkeit, mit der Medienmacher:innen den Wünschen nachkommen, sind dabei erschreckend. Und eine andere Dimension als die Inseratenaffäre aus dem Jahr 2011. Dabei hatte bereits diese ein Transparenzgesetz zur Folge. Kraus hat klare Vorstellungen von einer besseren Medienförderung. „Wir fordern in der Concordia seit Jahren eine konvergente Journalismusförderung, bei der es vor allem um Journalismus geht und nicht um eine Wirtschaftsförderung – ‚konvergent‘ deshalb, weil es nicht darum gehen darf, über welchen Kanal dieser Journalismus transportiert wird.“
Vor allem solle es nicht weiterhin darum gehen, den Status quo zu subventionieren. „Man muss auch Neues zulassen und innovative Projekte fördern. Dafür muss klar sein, was der eigentliche Zweck der Förderung ist.“ Würde sich Kraus mit ihrer Vision durchsetzen, hätte auch der „Augustin“ alle Chancen, eine Medienförderung zu bekommen. Es geht um Pluralität und darum, Demokratie in Österreich zu gestalten. Das ist ein Prozess. Und ein Ziel, für das es sich lohnt zu streiten, wie Altbundespräsident Heinz Fischer im großen Interview betont.