Mauthausen-Gedenken: Aktivist:innengruppe Waschbären beteiligt sich
Gut 30 Mitglieder zählt die Aktivist:innengruppe, die sich selbst wahlweise als „Waschbären“ oder (in Anlehnung an die gleichnamige Gewerkschaft) als „Ned scho vida“ bezeichnet. Aktuelle Informationen gibt es auf Instagram, Twitter und Facebook. Viele ihrer Aktionen leben von Humor, „weil man damit mehr Menschen erreicht“, erzählt Koordinatorin Kerstin Hartmann.
Am vergangenen Samstag trat der Humor in den Hintergrund, als die „Waschbären“ bei einer Kundgebung am Morzinplatz in Wien teilnahmen, um der Jüd:innen zu gedenken, die von dort ins Konzentrationslager Mauthausen deportiert wurden. Beim Mauthausen-Gedenken am 15. Mai werden sie sich beteiligen.
Gedenk- und Befreiungsfeier des Mauthausen Komitees
„Auch wenn wir nicht direkt beteiligt waren“, betont Matthias Kümpel, „ist es immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen, dass es diese dunkle Geschichte gegeben hat.“ Gemeinsam mit Hartmann koordiniert Kümpel die Aktionen der Aktivist:innengruppe. Auch als junge Generation, die dieses dunkle Kapitel nur aus Büchern, Filmen und Erzählungen kennt, sehen sie es als ihre Aufgabe, dieses Erinnern aufrechtzuerhalten, stets zu erneuern. „Das sind wir den Opfern der Shoah bzw. des Holocausts schuldig.“
Die Gedenk- und Befreiungsfeier des Mauthausen Komitees widmet sich in diesem Jahr dem Schwerpunkt politischer Widerstand. „Wir wollen bei diesem Schwerpunkt aufzeigen, dass es auch eine Vielzahl von Menschen waren, die aus politischer Motivation gegen den Nationalsozialismus aufgetreten sind“, betont Willi Mernyi, ÖGB-Sekretär und Vorsitzender des Mauthausen-Komitees, auf Nachfrage von Arbeit&Wirtschaft. Beispielsweise Sozialdemokrat:innen, Christlichsoziale, Kommunist:innen oder gar Monarchist:innen. Selbst jene, die sich in humoristischer Weise kritisch gegenüber den Nazis äußerten, wurden verfolgt und ermordet. „All denjenigen gilt unser Gedenken in diesem Jahr“, bekräftigt Mernyi.
Lose gebildet haben sich die „Waschbären“ nach einer Banner-Aktion anlässlich der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche in der Pflege. Form angenommen hat ihre Gruppe nach dem „Kreuzweg“ vorm Bundeskanzleramt. Die mediale Resonanz damals sei groß gewesen. Auch innerhalb der vida sei die Aktion gut angekommen. Seither umfassen die Waschbären gut 30 Mitglieder. Jugendliche, Erwachsene und Senior:innen, die meisten aus dem Kreis der ÖBB und der vida. Man freue sich aber auch über Interesse aus anderen Teilgewerkschaften und anderen politischen Organisationen, betonen Hartmann und Kümpel.
Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg pic.twitter.com/fzPKudNyvz
— Joey Raccoon (@JoeyRaccoon) May 7, 2022
Protestformen der Waschbären
Alle zwei bis drei Wochen treffen sie sich regelmäßig. Während der Vorbereitung für Aktionen sogar wöchentlich. Beispielsweise, um überdimensionierte Pingpong-Schläger anzufertigen, um auf einem ebenso überdimensionierten Pingpong-Tisch vorm Bundeskanzleramt zu spielen. Der eine war dabei der „Länder-Schläger“, der andere der „Bund-Schläger“. Die Botschaft ist eindeutig. Die Bundesregierung sollte die Verantwortung nicht ständig zwischen Bund und Ländern hin- und herschieben.
Ein andermal paddelten sie in einem Schlauchboot durch den kleinen Teich am Karlsplatz, um zu zeigen: „Wir sitzen alle in einem Boot!“ Alle, nämlich auch Rettungssanitäter:innen, Zivis und Arzthelfer:innen, sollten vom 500-Euro-Corona-Bonus profitieren. Der firmierte zwar unter dem Banner „Koste es, was es wolle!“, umfasste ursprünglich aber nur Gesundheitspersonal in einem sehr engen Sinn.
Es passiert schon wieder
Doch mit Blick auf das nahende Mauthausen-Gedenken wird Hartmanns Blick wieder ernster. „Gerade der Ukraine-Krieg zeigt, wie schnell so etwas in Vergessenheit gerät – es passiert einfach schon wieder. Ich verstehe nicht, warum.“ Darum werde man auch dieses Jahr, 77 Jahre nach der Befreiung und jedes Jahr aufs Neue, am Gedenken teilnehmen. „Wenn’s in Vergessenheit gerät, dann passiert’s wieder. Das ist Fakt.“
Durch seine zahlreichen Gespräche mit Zeitzeug:innen und Überlebenden des KZ Mauthausen, erklärt Mernyi, habe sich eine Kernbotschaft gezogen: „Kümmern wir uns um die Jugend. Sie ist das Kapital. Wir müssen alles machen, damit diese Jugend nicht wieder vergiftet wird.“ Die Zahl der teilnehmenden Jugendlichen beim Mauthausen-Gedenken sei für die Überlebenden bei jeder Befreiungsfeier am wichtigsten gewesen. „Das hat sie mehr interessiert als die anwesenden Diplomaten oder Politiker.“